Die drei Ds der dritten Dimension

Bäckstage: Der Mehraufwand beim Drehen in 3D.

3D ist zum Schlagwort im Vokabular heutiger Kinogänger geworden. Allein in Zürich bieten 18 Kinosäle die Möglichkeit zur Projektion in 3D. Was der Zuschauer beim Filmgenuss jedoch nicht sieht: Eine Produktion in 3D ist aufwändiger als in 2D. Der Zürcher Filip Zumbrunn war verantwortlich für die gesamte Kameratechnik beim ersten Schweizer 3D-Film «One Way Trip». Mit Bäckstage hat er über seine Erfahrungen gesprochen.

 

Das Ziel war klar: Den ersten 3D-Film der Schweiz zu drehen. Doch wie erreicht man ein so ambitioniertes Ziel? Zuerst braucht es eine Kamera beziehungsweise zwei, wenn stereoskopisch, also in 3D, gedreht wird. Im Fall von «One Way Trip» wurde mit einem Steadycam-Rig gearbeitet, auf dem die zwei Kameras in einem 90°-Winkel und mit zwei Spiegeln montiert werden (siehe Bild). Die Kameras sind motorisiert und lassen sich per Funk bewegen. Wichtig ist dies bei einem Steadycam-Rig, damit das Gewicht gleichmässig verteilt werden kann und die Balance gegeben ist. Aber auch, um je nach Entfernung der gefilmten Szene die Abstände zwischen den Kameras zu verändern. Die Spiegel dienen wiederum dazu, den Augenabstand zwischen Vorder- und Hintergrund auch dann korrigieren zu können, wenn die Kameras sehr nahe beieinander sind. Der Vorteil ist, dass die Kameras sich bei einem Spiegel-Rig nicht gegenseitig behindern.

 

 

Diese Konstruktion musste für «One Way Trip» extra in Deutschland gebaut werden, weil nichts Ähnliches existierte. Die Entscheidung, den gesamten Film mit einer mobilen Kamera zu drehen, wurde schnell gefällt: «Wir haben gemerkt, dass es langweilig wird, sobald man fixe Einstellungen in 3D dreht und sich in der Tiefe nichts verschiebt», erklärt Zumbrunn. Darum wollte das Team die Kamera immer in Bewegung haben. Das war alles andere als einfach, schliesslich wiegt die Konstruktion 40 Kilogramm. Der Steadycam-Operator aus Prag merkte schon sehr bald, dass nicht mehr als zwei bis drei Einstellungen «Man-Mounted» pro Tag drin lagen, weil der Rig einfach zu schwer war. Deswegen musste eine andere Lösung her. «Wir haben den Steady-Arm also an einem Dolly (Anm. d. Red.: Filmjargon für Kamerawagen) mit grossen Pneus festgemacht. Der Operateur sass danach auf dem Wagen und bediente die Kamera, während jemand den Dolly schob», erklärt Zumbrunn. Auf diese Weise konnte der Dolly über das Gelände rütteln, aber die Kamera war auf dem Arm statisch montiert und wackelte nicht.

 

«Man muss eine Choreografie zwischen Schauspielern und der Kamera erarbeiten.»

 

Mit Kamerabewegung sind in der Welt von 3D aber nicht alle Probleme gelöst. Wenn ein Kameraschwenk zu schnell ist, können nämlich Unschärfen entstehen. Eigentlich verändert sich die komplette visuelle Dramaturgie. Man könne beispielsweise nicht mehr auf die visuellen Tricks zurückgreifen wie im 2D und Personen durch Tiefenunschärfe freisetzen, um das Augenmerk auf sie zu lenken, betont Filip Zumbrunn. Dazu kommt erschwerend die Tatsache, dass bei 3D-Produktionen nur deutlich langsamer geschnitten werden kann, weil nach jedem Schnitt im Hirn des Kinobesuchers der 3D-Effekt erneut aufgebaut werden muss - und das kann zu Kopfschmerzen führen. Man kann also nicht mehr über den Schnitt das Tempo bestimmen, um die Geschichte zu erzählen, sondern ist gezwungen, dafür die Inszenierung zu nutzen. «Man muss eine Choreografie zwischen den Schauspielern und der Kamera erarbeiten», sagt Zumbrunn und fügt schmunzelnd hinzu: «Der Regisseur Markus Welter und ich haben dafür wochenlang mit Playmobilmännchen die Situationen nachgestellt und sind mit Kameras drum herum gefahren.»

 

Eine Stunde für den Objektivwechsel 

 

«Wir haben darauf geachtet, dass wir möglichst viele Plansequenzen (Anm. d. Red.: lange Einstellungen im Film, immer ohne Schnitt) einbauen können und die Kamera sich immer bewegt.» Ausserdem habe man versucht, so zu planen, dass nicht in ein Close-Up, also in eine Grossaufnahme der Schauspieler, geschnitten werden müsse, sondern die Kamera sich auf die Personen zubewege. So war bei Drehbeginn der Film komplett durchdacht und auf Papier gebracht. Trotzdem benötigte die Crew rund ein Drittel mehr Zeit als geplant. Allein für den Wechsel der Kameraobjektive musste fast eine Stunde eingeplant werden. «Wir haben den Drehplan so gemacht, dass wir jeweils einen halben Tag lang weitwinklig gedreht haben und dann über Mittag, wenn alle am Essen waren, die Objektive gewechselt wurden, sodass wir am Nachmittag die Close-Ups drehen konnten.»

 

 

 

Fehlt noch das Licht. Da viele Szenen in «One Way Trip» in der Nacht spielen, war klar, dass die Dunkelheit zum Problem werden würde. Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten. Entweder man dreht mit normalen Kameras und sorgt für sehr viel zusätzliches Licht. Oder man dreht mit lichtstarken Kameras. «Wir wussten, wenn der Hintergrund unscharf wird, ist 3D uninteressant, weil man Tiefe und dadurch die Definition des Hintergrundes verliert», erläutert Zumbrunn. Diese Entscheidung, mit 2/3-Sensoren und einer Blende von 1.6 (je kleiner die Zahl, desto mehr Licht fällt auf den Sensor der Kamera) zu arbeiten, lag also auf der Hand. «Wir konnten zu wenig Lichtaufwand betreiben, um genug abzublenden und die Wahl haben wir getroffen, damit wir möglichst viel Tiefenschärfe bekommen.» Zwar war das Team durch diese Wahl gezwungen, in einer Auflösung von 1920 x 1080 zu drehen anstatt im qualitativ etwas hochwertigeren RAW-Format und danach die Bilder für das Kino aufzubereiten, aber das nahm man in Kauf. «Wir hätten uns ein anderes Verfahren eh nicht leisten können.» Die Entscheidung hat sich gelohnt, denn mit dem Endresultat ist Filip Zumbrunn sehr zufrieden: «Ich finde, dass der Film auf der grossen Leinwand erstaunlich gut aussieht und das 3D als sehr angenehm wahrgenommen wird.»

 

Abschliessend bringt er seinen Eindruck von der Arbeit mit 3D nochmals auf den Punkt:  «Der Aufwand ist exponentiell viel höher. Die Crew ist grösser, die Technik ist viel komplizierter und aufwändiger. Ich würde sagen, wenn man es über den Daumen peilt: Man braucht ein Drittel länger als bei 2D, es kostet ein Drittel mehr und man benötigt etwa dreimal mehr Licht.» Das sind die 3 Ds in der dritten Dimension.

 

Mehr zum Thema 3D findet ihr im zweiten Teil: Der Stereograph.

 

Bildquelle: Alle Bilder von Filip Zumbrunn / © by HesseGreutert Film

 

 

 

Patrick Holenstein / So, 01. Jan 2012