Literarische Inseln sind immer eine Reise wert
Eine Insel hat etwas Mystisches. Die Vorstellung ganz alleine auf einer einsamen Insel zu stranden, schneeweisser Sand, Wasser so klar, dass man Schwärme von Fischen beobachten und bunte Korallen erkennen kann, saftige Früchte so lange man Lust darauf hat und Stille - wer hat nicht schon davon geträumt?!
Text von Birgit Corinne Steinger-Sørensen
Auch Autoren haben sich schon immer mit Inseln und unseren damit verbunden Sehnsüchten befasst. Doch wann spricht man am besten darüber, wenn nicht im grauen kalten Januar? Mona Vetsch hat drei Insel–AutorenInnen zum ersten Züri Littéraire im neuen Jahr eingeladen.
Die Autoren Rolf Lappert und Volkmar Billig sowie die Autorin Annette Pehnt verbindet die Leidenschaft zu Inseln, denn sie haben ihr jeweils ein Buch gewidmet. Mona Vetsch hat die Drei ins Kaufleuten eingeladen, um gemeinsam mit ihnen über die Faszination von Inseln, aber auch über ihre Bücher zu sprechen.
(von links: Rolf Lappert, Annette Pehnt, Volkmar Billig und Mona Vetsch)
Seit 26 Jahren ist der 1. Montag im Monat für das Züri Littéraire reserviert. Mit der ersten Literaturrunde 2012 präsentierte Mona Vetsch jedoch auch eine neue Bühnengestaltung. Schwarze, schwere Ledersessel, ein Rednerpult für die vorlesenden Autoren, einen Tisch, dezentes Licht von einer Tischlampe und ein Schattenspiel von der Künstlerin Cornelia Heusser; mehr braucht es nicht, um über Literatur zu sprechen. Und kaum ein Stuhl blieb an diesem Abend leer im Festsaal des Kaufleuten.
Inseln im Meer und im Bücherregal
«Rund 130 000 Inseln gibt es. Und das sind nur die, die draussen im Meer liegen. Von den Inseln, welche Zuhause im Büchergestell stehen, gibt es auch noch zahlreiche», stimmte Mona Vetsch die Literaturfreunde aufs Thema ein.
Rolf Lappert lebte sogar 11 Jahre auf einer Insel, in Irlands Westen. Gerade in der Schreibphase zieht er sich vollkommen zurück, nimmt seine sozialen Kontakte erst nach Beendigung eines Buches wieder auf. Eine selbst gewählte Isolation, die er benötigt um kreativ zu sein. Doch er kann seine Inseln auch hier finden, Rückzugsmöglichkeiten gibt es überall.
Annette Pehnt hat ihre Urlaube immer auf Inseln verbracht. Sie sehnt sich nach dieser Überschaubarkeit: «Ich weiss rasch, wo ich was finde und das beruhigt mich.» Schon die Reise sei etwas Besonderes. Man entdecke die Insel und diese komme langsam immer näher, dasselbe erfahre man beim Abschied. «Enttäuschend finde ich Inseln, die durch Brücken mit dem Festland verbunden sind», gestand sie. Volkmar Billig ging noch weiter: «Inseln bei denen im Minutentakt die Flugzeuge über den Strand in Sinkflug gehen, das ist wie eine unsichtbare Brücke. Den Menschen wird vorgegaukelt, dass sie sich auf einer Insel befinden, dabei ist sie es schon lange nicht mehr.»
Rolf Lappert und Volkmar Billig erinnern sich beide an wunderschöne Inseln, welche sie vor 20 Jahren besucht hatten. Dieses Erlebnis wollten sie vor wenigen Jahren wiederholen und wurden bitter enttäuscht. Nichts erinnerte mehr an eine idyllische Insel, alles war verbaut, vermüllt, von Touristen überschwemmt.
Recherchefaulheit und Freude an der Einsamkeit
Doch die Motivation über Inseln zu schreiben war bei allen drei Schreibenden eine andere. Annette Pehnt gibt zu, dass sie recherchefaul ist. Sie will ihre Vorstellungen im Kopf zu Papier bringen, ohne durch Informationen eingeschränkt zu sein. In ihrem Buch «Insel 34» gelang ihr dieser Grenzgang zwischen Fantasie und Wirklichkeit so gut wie sie es laut einer eigener Aussage nie mehr wieder hinbekommen habe. Deshalb sei dies auch ihr Lieblingsbuch.
Auch ihre anderen Bücher handeln von einer Art Insel, sie spielen zum Beispiel in einem Zug oder im Altersheim und sind in ihrer Handlungsebene dadurch beschränkt.
Rolf Lappert stimmte ein, etwas recherchefaul zu sein, wenn er nicht vor Ort reisen kann. Doch er ist ein Vielreiser und hat schon viele Inseln besucht, weiss durchaus wovon er erzählt. Er spielt gerne mit Orten, bei denen sich die Leser fragen, ob es sie wirklich gibt. «Er wird sich sagen, dass es unwahrscheinlich ist, dass es sich so abgespielt hat. Doch er kann mir auch nicht das Gegenteil beweisen», lachte er.
Mona Vetsch wies darauf hin, dass sein Buch «Auf den Inseln des letzten Lichts» mit 540 Seiten ein dickes Buch sei, in das viel reingepackt wurde. Ob er sich denn nicht für eine Handlung hätte entscheiden können, fragte sie. Es gäbe eine Insel des Bösen und eine Insel des Guten. In den Rezensionen über das Buch seien jedoch Dinge als Handlungen angesprochen worden, die nur nebenbei erwähnt worden seien.
Volkmar Billig ist als Kulturwissenschaftler zur Recherche verpflichtet wie er erklärte. Eine Insel stehe auch für einen einsamen Menschen, der alleine klarkommen müsse. Für einen Europäer sehe eine Insel auch anders aus als beispielsweise für einen Asiaten. Doch er hat sich in seinem Roman «Inseln» noch mit der modernen Form von Inseln auseinandergesetzt.
Im letzten Kapitel spricht er Cyberinseln an. Die Verschmelzung der realen und der virtuellen Welt. Die Idee dazu erklärte er so: «Ich finde es bedenklich, dass man sich im Internet für tausende von Dollar virtuelle Inseln für Computergames kaufen kann.» Im Kontrast dazu gab Mona Vetsch abschliessend einen Buchtipp, für die Reisen im Kopf. «Atlas der abgelegenen Inseln» von Judith Schalansky.
Bücher der teilnehmenden Autoren:
- Rolf Lappert, Auf den Inseln des letzten Lichts
- Erschienen im Hanser Verlag, 540 Seiten
- Annette Pehnt, Insel 34
- Erschienen im Piper Verlag, 192 Seiten
- Volkmar Billig, Inseln Geschichte einer Faszination
- Erschienen bei Matthes & Seitz Berlin, 304 Seiten
Das nächste Züri Littéraire mit dem Thema Alkohol findet am 06.02.2012 um 18.30 Uhr im Kaufleuten statt.