Zeiten von harten Jungs mit butterweichen Balladen

Kritik: Running On Rye-Strange Conversations
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Das Intro lädt erstmal in filmische Welten ein und weckt – Absicht oder nicht – Erwartungen. Eine Tür knarrt markerschütternd. Schritte sind zu hören, akustisch ist nicht einschätzbar, ob sie von weiblichen oder männlichen Schuhen stammen, aber so stimmungsvoll präsentieren sich unter anderem grosse Werke im Genre Thriller oder Film Noir. Hier sind aber Running On Rye aus dem Zürcher Oberland am Zug. Sie legen ihr Debütalbum vor, spielen dabei mit Antizipationen und brechen schon mit dem ersten Song, «Waiting», komplett die Atmosphäre. Ein Gitarrenriff zerreisst genüsslich die Stimmung und sofort ist klar, hier sind Menschen aktiv, die stark von der Rockmusik der 70er beeinflusst sind. Oder von Bands, die ihrerseits jene Musik aufgesogen haben. Der Name Wolfmother drängt sich mehr als einmal in den Vordergrund. Aber einfach Gitarrenwände auftürmen tut das Quartett dann schon nicht. «Waiting» zeigt im Gegenteil eher, dass die vier Jungs geschickt mit den Elementen arbeiten und mit einem rhythmischen, aber sanften Riff die Bretter kontrastieren und für ruhige Passagen sorgen. 

 

Danach verliert sich die Platte für einen kurzen Moment etwas im Einheitsbrei ähnlicher Bands. Aber nur für knapp vier Minuten, denn schon «The Man Your Mama Warned You About» ist ein rotziger Bluesrocksong, der wunderbar vorführt, dass Running On Rye sehr viel Wert auf Instrumentalparts legen und ein Song sich ruhig auch mal so richtig schön ausgiebig in einem dreckigen Instrumentalsumpf suhlen darf. Schon nach wenigen Stücken kristallisiert sich, dass die Band sich gerne auf Gitarren bettet. Da kreischt eine Gitarre, während dort ein Bass locker dazu kleckert. In Zeiten von Indiebands, die sich kaum an ein Solo wagen, sind Running On Rye definitiv auf dem richtigen Weg. Zwar ist noch nicht alles Gold was glänzt, denn auch wenn die Band ihren Stil gefunden zu haben scheint, so klingt die Rock-Attitüde auf die ganze Länge gesehen schon sehr ähnlich. Gerade im Fahrwasser von The Strokes und wie sie alle heissen, sind viele Bands entstanden, die einen 70ties-Rock-Sound haben. Aber gerade, wenn einem solche Gedanken durch den Kopf gehen, werfen Running On Rye – als wollten sie widersprechen – eine Ballade wie «The Puppeteer» vor. Jetzt singen die Gitarren gefühlvoll, das Schlagzeug hält sich wohldosiert zurück und erst nach dem willkommenen Intro nimmt der Song etwas Fahrt. So viel zum Spiel mit den Erwartungen. 

 

Alles in allem gelingt der Band um Sänger Enrico Kampmann mit «Strange Conversations» ein starkes Debütalbum und irgendwie spürt man die Erfahrungen, die sie bereits sammeln konnten. So standen Running On Rye nämlich während zweieinhalb Jahren auf kleinen und grossen Bühnen und schliffen ihren Stil. Jetzt ist das Debüt auf dem Markt und die elf Songs funktionieren als Visitenkarte für eine Band, die ziemlich genau weiss, was sie macht und ihrem Stil treu bleibt. Bäckstage hatte schon einmal mit Running On Rye zu tun, damals bei einem Auftritt im leider geschlossenen Abart, aber seither hat sich die Band stark entwickelt und wir sind überzeugt, dass der Weg noch lange nicht am Ende ist. Nur schon, weil herrlich dreckige Songs wie der «Devil’s Blues» einfach viel Freude machen und der Rauswerfer, «Cheap Apologies», an die Zeiten von harten Jungs mit butterweichen Balladen erinnert.

 

Running On Rye - «The Man Your Mama Warned You About»

 

  • Die Platte ist ab sofort im Handel erhältlich. 
  • Mehr über die Jungs, Livetermine sowie über die Entwicklung der Band steht auf der Website von Running On Rye
Patrick Holenstein / So, 19. Jan 2014