Musikalischer Roadtrip zum neuen Album von Lenny Bruce Jr.

CD-Kritik: Solo-EP von Lenny Bruce Jr.
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Pressebild / ©Niklas Niessner

Die Musikgeschichte ist voller musischer Menschen, die unterschiedliche Musik lieben und diese in verschiedenen Variationen ausleben. Lenny Bruce Jr. ist Klangkünstler aus Leidenschaft Metalsänger und hat offenbar ein grosses Herz für Musik, fast schon ein grosszügiges Schloss, als das man seine Musikerseele vermutlich imaginieren könnte. Darin ist ein weitläufiger, möglicherweise sanft von Renaissance geprägter Seitenarm für seine Solomusik, also für Blues und Classic Rock, reserviert. Dort macht es sich Lenny Bruce Jr. gerade gemütlich, lässt sich fallen und inspirieren. Jedenfalls ist die EP «Yesterdays» in den Startlöchern. Drei Songs daraus sind bereits vorab für alle hörbar.

 

Bei den ersten Klängen von «Magical Heart» ist das Ergebnis der Inspiration leicht zu erkennen. Die Gitarre kratzt ein schwereloses Riff in die Luft, verleiht dem Song Charisma und Schwung, gewinnt rasch die Aufmerksamkeit. Das Schlagzeug setzt stoisch ein und Lenny Bruce Jr. springt mit den Vocals auf den längst entspannt rockenden Zug auf, um scheinbar alle Elemente zu verbinden. Je älter der Song wird, desto mehr versteht man die Vision des Musikers. Musik scheint für Lenny Bruce Jr. eine Art Spielplatz zu sein. Jedenfalls wirkt es so, als ob er viel Spass hat, wenn er singt und spielt. Aber vielleicht greift das zu kurz, suggeriert gar, dass nicht der nötige Ernst im Spiel sei. Weit gefehlt. «Magical Heart» macht unmissverständlich klar, dass da ein Profi am Werk ist, der viel Verständnis für Musik im Herz besitzt, quasi die Magie dahinter verstanden hat und bei aller Freude den gebührenden Ernst einbringt. Ein Beispiel dafür ist, dass der Song nicht überladen ist, sondern geschickt strukturiert. Das bedeutet letztlich nur, dass Lenny Bruce Jr. offenbar lieber einen Song hat, der auf festem Fundament steht, als ein Stück Musik, bei dem radikal gepowert wird, und Wert legt auf das Spiel mit den Facetten und das Verständnis für Dynamik. Zwei Aspekte, die leider oft zu wenig beachtet werden. Hier funktioniert es wunderbar.

 

 

Zündschlüssel umdrehen, Sonnenbrille auf die Nase, den zweiten Track «Yesterday Song» starten und – fast schon ein Klischee – in den Sonnenuntergang fahren.

 

 

Der Song ist einer von drei Vorboten auf die kommende EP und macht rasch klar, dass hier Lenny Bruce Jr. einen deutlichen Kontrast zu seiner anderen Band, der Metal-Combo Dust Bolt, setzt. Wo er sonst veritable und druckvolle Metalhymnen aus den Boxen schiesst und nach Herzenslust growlt, geht es hier ruhiger zu, steht mehr der bluesigere Rock im Zentrum, jene Sounds, die in Gedanken zu einem Roadtrip laden. Zündschlüssel umdrehen, Sonnenbrille auf die Nase, den zweiten Track «Yesterday Song» starten und – fast schon ein Klischee – in den Sonnenuntergang fahren. «Yesterday Song» ist für eine Fahrt auf der Landstrasse perfekt. Lenny Bruce Jr. sieht das ähnlich: «Ich glaube mit Roadtrip hast du es ganz gut getroffen! Mein ganzes Leben fühlt sich an wie ein einziger Roadtrip. Mir ging es vor allem darum, Ideen und Geschichten zu erzählen, die in meinem bisherigen Ventil, dem Metal, so nicht erzählt werden konnten. Ich wollte den Scheinwerfer und die Perspektive einfach von wo ganz anders kommen lassen – obwohl es derselbe Typ ist. Das finde ich spannend.»

 

Diese Gedanken sind leicht zu erkennen. Zwar ist es der ruhigste der drei Vorboten, er fällt aber keineswegs ab. Vielmehr zeigt er nochmals eine andere Seite des Musikers, flirtet behutsam mit radiotauglichem Pop und unterstreicht dabei die Vielseitigkeit von Lenny Bruce Jr.. Stimmlich ist schon nach wenigen Sekunden klar, dass er sich in dieser Welt sehr wohl fühlt. Vielleicht als Ausgleich zum Metal, der gerade gesanglich mehr an die Stimmbänder gehen kann. «Die Performance ist natürlich deutlich anstrengender», erklärt Lenny. «Metal wird oft in seiner Intensivität und seiner erforderten Leistung unterschätzt.» Ihm als Musiker spielt es aber gar nicht so eine grosse Rolle, in welcher Musik er unterwegs ist: «Es sind schlichtweg andere Charaktere, die da singen. Ich springe in den einen, ich springe in den anderen. Der Rest ist dann wie von selbst. Der eine ist impulsiv und angreiferisch, der andere vielleicht eher nachdenklich, unsicher und teilweise etwas bräsig. Aber auch beide Charaktere entwickeln sich stetig. Sonst wäre es ja bald langweilig.»

 

Lenny Bruce Jr. - «Yesterday Song»

 

An den Fähigkeiten von Lenny Bruce Jr. gibt es kaum Zweifel. Eigentlich macht er schon immer Musik. In Wien geboren und aufgewachsen, drehte sich schon als Kind sein ganzer Tag um Musik. Mit 13 Jahren war die erste Band, Dust Bolt, gegründet, mit 17 die erste Europa-Tour geplant und gespielt. Nach dem Abitur folgte der erste Plattenvertrag und in der Folge weitere Tourneen, später bis in die USA. Aber Lenny hat sich daneben weitergebildet, etwa an einer Jazz-/Rock-/ und Popsschule in München. Weiter hat er an diversen Orten innerhalb der Szene gearbeitet und so Einblicke in Bereiche wie Produktion und Booking bekommen. Der Musiker hat also umfangreiche Erfahrungen gesammelt und musikalisch viel zu sagen.

 

Das Vorabtrio schliesst der Song «Catch The Rain», der leicht in die Phase von College-Rockbands anfangs der 2000er einordbar wäre. Der Melodiebogen ist ideal, um gemütlich mit Freunden am Strand eine gute Zeit zu verbringen. Hört man genauer hin, fällt das feine Gitarrenspiel im Refrain auf und dass manchmal im Hintergrund geschickt soliert wird. Jetzt ist man plötzlich im flirrenden Süden der USA, nahe der Sümpfe und dem Meer, spürt gar die Energie der Luft auf der Haut. Eigentlich ist das untypisch gemischt, wollen doch die Gitarren oft in den Vordergrund gestellt werden. Hier aber bildet sich so eine dichte Umgebung, die den Song stärkt und in eine angenehm fiebrige Stimmung taucht. Das passt dann ideal zur Art, wie Lenny Bruce Jr. an Songs herangeht: «Es ist ein permanenter Prozess, der da ständig irgendwo brodelt und passiert.» Das Brodeln ist in «Catch The Rain» deutlich zu erkennen.

 

Vielseitigkeit ist kein Fremdwort für Lenny Bruce Jr. 

 

Die Songs, die bald das Album bilden werden, eigentlich schon eine ganze Weile da. Nur war es neben dem intensiven Touren mit Dust Bolt nicht möglich, sie gebührend zu entwickeln. Dazu brauchte Lenny etwas Zeit, um Leute zu finden, die mit ihm gemeinsam das Album produzieren. «Das war gar nicht so einfach während der Pandemie», betont er. Die Zeit hat er genutzt, um sich Recording, Produzieren und Mixing in den 2 Jahren selbst beizubringen. «Ich wollte die Zeit gut nutzen. Am Ende ist es mir wichtig, umsetzen zu können, was sich als Vision in meinem Kopf festgebissen hat. Das klappt mal mehr, mal weniger – es ist immer ein Abenteuer. Das liebe ich daran», erklärt Lenny Bruce Jr. seine Arbeitsweise.

 

Die drei Songs, die das kommende Album bewerben bzw. ankündigen, scheinen gut gewählt. Allerdings kennen wir das ganze Album noch nicht. Neugierig auf die restlichen Songs machen alle drei Songs nur schon, weil sie eine ähnliche Basis haben, sich aber durchaus im Aufbau unterscheiden und so zeigen, dass für Lenny Bruce Jr. Vielseitigkeit kein Fremdword ist. Er selbst erklärt die Wahl so: «Ich habe einen unglaublichen Stapel an unveröffentlichten und doch fertig produzierten Songs. Ich musste nur überlegen, wo ich beginne, die Geschichte zu erzählen. Der «Yesterdays Song», «Catch the Rain» und «Magical Heart» schienen mir da am passendsten. Es sind vielleicht auch mit die ältesten Songs in meiner Schublade.»

 

Lenny Bruce Jr. macht mit den drei bereits veröffentlichten Songs aus dem kommenden Album neugierig und zeigt gleichzeitig, dass er das facettenreiche Spiel mit den Genres bestens versteht. Man darf als gespannt auf das ganze Album sein.

 

 

Bäckstage Redaktion / So, 20. Okt 2024