Glaubenstest mit Hugh Grant
Die jungen Mormonen-Missionarinnen Schwester Barnes (Sophie Thatcher) und Schwester Paxton (Chloe East) verbringen ihre Freizeit im Dienst ihrer Kirche. Dazu gehören auch Hausbesuche bei interessierten Haushalten, die mehr über die Kirche Jesu Christi der Heilligen der Letzten Tage erfahren möchten. So auch Mr. Reed (Hugh Grant), einem neuen Anwohner, der etwas ausserhalb des Stadtzentrums sein Haus bezogen hat. Trotz schlechtem Wetter machen sich die beiden Frauen auf dem Weg zu ihm.
«Heretic» bedeutet auf Deutsch «Häretiker» und steht für einen Ketzer. Und genau so einen Ungläubigen spielt Hugh Grant. Der britische Darsteller, der in den 90er Jahren dank seiner Hauptrollen in romantischen Komödien Bekanntheit erlangte, geniesst sichtlich den Trip auf der dunklen Seite. Sein Set an Mimik bleibt hingegen unverändert. Das verlegene Grinsen, die hochgezogenen Augenbrauen und die bei Skepsis starke zusammengezogenen Augenpartien, sie alle gehören unverkennbar zu seinem schauspielerischen Repertoire. All diese Trade-Marks wie auch sein nervöses Gefuchtel mit den Händen, sie alle haben in «Heretic» ihr Monument. Mr. Reed ist freundlich, nett und wirkt - durch obige Gesten - ungefährlich. So ungefährlich, dass Barnes und Thatcher ihm in sein Haus folgen und sich auf eine unvergessliche Diskussion über Religion einlassen.
Barnes und Paxton vor Reeds Haus. (© Pathé Films AG)
«Heretic» unterhält auf voller Linie. Dies liegt unter anderem an seiner Verspieltheit und seinem Intellekt. Der Film erhebt nicht den Finger und macht sich a priori über Gläubige und Religion lustig, sondern über Menschen, ihren Drang nach Vorhersehung, nach Macht und Unterwerfung. Aber auch die Film- und Musikindustrie müssen dran glauben, insbesondere Radiohead. Die beiden Filmemacher Scott Beck und Bryan Woods spielen dabei gekonnt mit den Erwartungen des Publikums. Zwar zweifelt man ab der ersten Minute an Reeds Ehrlichkeit, seine Absichten und Ansichten werden trotzdem lange verdeckt gehalten. Den Walzer zwischen Vorsicht, Wachsamkeit und Wahnsinn tanzen Thatcher und East makellos. Die Hauptdarstellerinnen bieten einen würdigen Gegenpart zu Grants schelmischen Reed. Beide Damen wuchsen privat in Mormonen-Familien auf. Die damit einhergehenden Erfahrungen waren eine wichtige Anforderung für die Rollenbesetzung, wie die die Regisseure letztens bekannt gaben.
Kann gut mit Feuer umgehen: Schwester Barnes. (© Pathé Films AG)
Vielleicht waren auch all die RomComs eine wichtige Voraussetzung für Hugh Grants Wahl. So durfte sich Grant für seine Leistung als Mr. Reed jüngst einer Golden Globe Nominierung als bester Darsteller in einer Komödie erfreuen. Die Anerkennung zeigt: ernst nehmen muss man «Heretic» nicht, Schmunzeln darf man über den Film allemal. Insbesondere in der zweiten Hälfte, wenn der Fokus von Dialog zu Grusel wechselt.
Heretic ist eine dialogstarke Thriller-Horror-Satire mit einem teuflischen Hugh Grant und gleich zwei fabelhaften (Final)-Girls.
- Heretic (USA 2024)
- Regie & Drehbuch: Scott Beck, Bryan Woods
- Besetzung: Hugh Grant, Sophie Thatcher, Chloe East
- Spielzeit: 120 Minuten
- Kinostart: Jetzt im Kino