Alice In Chains mit «Rainier Fog» zurück

CD-Kritik: Alice In Chains - «Rainier Fog»
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© BMG

Nach fünf Jahren bringt die Kult-Band Alice In Chains ein neues Studioalbum. «Rainier Fog» heisst es und die Jungs aus Seattle, die gemeinsam mit Bands wie Soundgarden oder Pearl Jam in den 90ern gross wurden, lassen von Anfang an keinen Zweifel: das Album ist Alice In Chains wie sie klingen wollen. Schon der Opener «The One You Know» holt mit einem beissenden Riff ab, entwickelt sich dann schnell zum zwar wuchtigen, aber trotzdem geschickt aufgebauten Rock-Brett und bekommt erst durch den einsetzenden Gesang von Jerry Cantrell ein kontrastierendes Element. Ab jetzt überfliegt die eigentlich poppige Melodie die eiskalt scharfen Rhythmen. So muss der Einstieg in ein Rockalbum sein. 

 

Jetzt ist es ja nicht so, dass sich Alice In Chains irgendeinem Zwang oder Trend unterwerfen würden, sie schreiben klar hörbar die Songs, die ihren kreativen Seelen entspringen und sind nicht darauf aus, sich zu verbiegen. Trotzdem - oder genau darum - haben sie ihre treue Hörerschaft. Wer sich ohne Vorkenntnisse auf «Rainier Fog» einlässt, erkennt aber auch schnell, wieso das so ist. Da sind die glasklaren Gitarren-Soli, etwa beim grossartigen Song «Fly», aber auch das pointierte Gespür dafür, wie ein Song atmen soll. Nichts ist überladen, kein Ton, kein Akkord zu viel, im Gegenteil, man nimmt sich auch mal zurück und pinselt imaginäre Gemälde in die Luft. Etwa beim über 7 Minuten langen Abschluss «All I Am». Damit beenden Alice In Chains ein durchwegs hochwertiges Album ohne nennenswerte Hänger. 

 

Alice In Chains - «The One You Know» 

  

Die Band funktioniert so gut, weil sie es schafft, ohne sich in ein Genre zu zwängen, Musik zu machen, die von Rock bis Heavy und von Grunge bis zu psychedlic Rock reist und schlicht alles erlaubt. Beim Hören von «Rainier Fog» erwischt man sich schon beim Gedanken, dass es schade gewesen wäre, wenn die Band sich nach einer Pause in der ersten Hälfte der 2000er nicht wieder gefunden hätte. Seither hat die Band erst drei Studioalben auf den Markt gebracht und das stützt dann wieder den Eindruck, dass Alice In Chains keine Schnellschüsse produzieren, sondern Wert auf gute, alte, handgemachte Rockmusik legen und dabei ihre musikalischen Tenktakel in alle Genres und Richtungen ausfahren. Zudem ist es für Menschen, die schon etwas länger auf dem Planeten leben, wunderbar, wenn sich leicht nostalgische Gefühle entwickeln, weil die Band zwar nie kopiert, aber halt schon selbsterlebte Erfahrungen aus den 90ern aufleben lässt. Alice In Chains ist mit «Rainier Fog» ein Album wie aus einem Guss gelungen, das wuchtig anfängt, dann aber auch tiefer geht und offenbart, wie vielschichtig Band und Album sind. 

 

Alice In Chains haben auch nach fünf Jahren ohne neues Studioalbum nichts verlernt und verbinden mühelos harte Riffs mit eleganten Melodien. Grosse Kunst, hervorragende Platte.

  • Band: Alice In Chains
  • Album: Rainier Fog
  • Genre: Rock, Grunge
  • Im Handel: ab 24. August 2018

 

Patrick Holenstein / So, 26. Aug 2018