«Die Schweiz ist das Paradies für Bands»

Interview mit Gisbert zu Knyphausen
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Wenige Minuten bevor Gisbert zu Knyphausen Bäckstage in den Katakomben des Exil zum Interview empfängt, sind er und seine Band aus Thun angekommen. Der noch etwas müde, aber bestens aufgelegte Songwriter erzählte bei Nüssli und allerlei sonstigem Gebäck wieso er deutsch ist, welchen Stellenwert für ihn Bright Eyes haben und was ihm am Musikmachen so gut gefällt. 

 

Du spielst ab und zu in der Schweiz. Wie unterscheidet sich das Schweizer Publikum vom deutschen? 

Nein, eigentlich nicht so direkt. Ausser natürlich, dass es ein bisschen weniger Leute sind hier in der Schweiz. Aber so Unterschiede im Verhalten bei den Konzerten merke ich nicht. 

 

Hast du einen persönlichen Bezug zur Schweiz?

Nein, nur, dass ich als Kind mal zum Skifahren in der Schweiz war. Aber ich bin sehr gerne in der Schweiz auf Tour und freue mich immer, wenn wir hier sind. Man wird hier immer so nett empfangen – das ist nicht überall in Deutschland so. Gut, mittlerweile schon, aber am Anfang, als kleine Band, ist es schon das Paradies, wenn man in der Schweiz spielt. Man kriegt immer gutes Essen und wird erstmal respektvoll empfangen.

 

Das hören wir natürlich gerne. 

Ja, das solltet ihr euch unbedingt bewahren. 

 

Wie kam die Entscheidung, in Deutsch zu singen? 

Ich habe eine Zeit lang versucht in Englisch zu schreiben, als ich angefangen habe, Songs zu schreiben und selbst zu singen. Aber die sind irgendwie nicht so gut geworden und es hat mir nicht so viel Spass gemacht. Dann habe ich überlegt, es einfach mal mit Deutsch zu probieren und dachte: Das klingt cool. Es liegt mir logischerweise viel mehr, weil es meine Muttersprache ist. Es klingt viel mehr nach mir, wenn ich auf Deutsch texte. Wenn ich in Englisch texte, merke ich, dass man sehr schnell Klischees von den Musikern übernimmt, die man hört.

 

Wenn du textest, brauchst du eine besondere Stimmung oder schaffst du dir ein Umfeld, in dem du schreibst?

Ich brauche auf jeden Fall Zeit zuhause, um Sachen fertig zu schreiben. Die Ideen entstehen immer und überall, aber um einen Song auszuarbeiten, da brauche ich auf jeden Fall eine Ruhephase. Entweder bei mir in der Wohnung oder in einem Arbeitsraum, den ich im Moment aber nicht habe. Ich bin aber auf der Suche, weil man sich zuhause doch schnell ablenkt mit seinem normalen Leben. Ich finde es gut, so eine Art Musikbüro zu haben.

 

Wie entstehen deine Songs? Schreibst du die Musik gemeinsam mit der Band?

Die Texte schreibe ich auf jeden Fall alleine. Musikalisch wird das Material so weit ausgearbeitet und Sachen verändert, bis es wirklich passt. Die Grundzüge sind aber meist bei mir zuhause mit der Akustikgitarre entstanden, was daran liegt, dass wir nicht so oft proben können, da wir verstreut in verschiedenen Städten wohnen, sonst würden noch viel mehr Songs in Jams entstehen. Wenn wir nämlich mal Zeit haben, dann passiert das schon auch.

 

Die Methode scheint zu funktionieren. Die Medien übertreffen sich gegenseitig mit blumigen Ausdrücken, wenn sie über dich schreiben. Wie siehst denn du selbst deine Musik?  

In erster Linie ist die Musik für mich ein super Ventil, um alles Mögliche auszukotzen. Aber das steht gar nicht an vorderster Stelle, sondern der Spass am Musikmachen und am Songs schreiben. Vor allem auch mit der Band. Es macht mir viel Spass, mit anderen Menschen Musik zu machen und irgendwo ist ja das Wesen der Musik, gemeinsam etwas entstehen zu lassen. Natürlich sind Solokonzerte auch super, damit habe ich ja angefangen und darum trägt das Ganze meinen Namen. Aber am meisten Spass macht mir tatsächlich das Spielen mit einer ganzen Band. 

Natürlich hat man bestimmt Ziele und will als Musiker immer besser werden, aber die Kritiken, die geschrieben werden, die sind natürlich schmeichelhaft oder ärgerlich, aber man sollte diese gar nicht weiter in sich aufnehmen. Zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr wieder raus quasi. 

 

Du siehst dich als Künstler näher bei den amerikanischen Songwritern als bei den deutschen Liedermachern. Wieso ist das so?

Das hat den einfachen Grund, dass ich früher nie deutschsprachige Liedermacher gehört habe. Darum habe ich das gesagt. Ich hatte nie einen Bezug zu Leuten wie Konstantin Wecker oder Reinhard Mey. Ich habe eher englischsprachige Bands und Songwriter gehört. Das deutschsprachige, was ich in meiner Jugend gehört habe, waren natürlich Die Toten Hosen oder Element of Crime und eine Platte von Ton Steine Scherben hatte ich auch und fand sie geil, als ich 16 oder so war. Das war aber schon alles, was ich damals an deutschsprachiger Musik gehört habe. Ich habe mich erst viel später damit beschäftigt, was es eigentlich an deutschsprachigen Musikern und Bands gibt und so hat mich eher die jünger Generation beeinflusst als die ältere. Auch Bands wir Tocotronic oder Blumfeld sind am Anfang total an mit vorbeigegangen. Im Nachhinein versuche ich mich schon reinzuhören, aber es funktioniert oft nicht so. 

 

Du selbst sagst auf einer Liveaufnahme, dass du den Refrain von „Gute Nachrichten“ von der Band Modest Mouse geklaut hättest. Woher beziehst du deine musikalische Inspiration? 

Wahrscheinlich hat sämtliche Musik, die ich höre, einen Einfluss auf das, was ich mache, auch wenn es nicht zu hören, zu sehen oder zu benennen ist. Meine allerliebste Band ist Bright Eyes. Das lässt sich sicherlich nachvollziehen, dass die in meiner Musik zu finden sind. Ansonsten höre ich Sachen wir Radiohead oder aktuell Sophie Hunger aus der Schweiz. Die finde ich supergeil, vor allem live. Weil sie auch eine wahnsinnig beeindruckende Band hat. Ich habe jetzt sicher 5, 6 Konzerte gesehen und muss sagen: «Nicht schlecht.»  Aktuell finde ich die neue CD von A.A. Bondy phantastisch. Das ist auch ein amerikanischer Songwriter. 

 

Auf deiner Website bittest du, deine Musik beim kleinen Händler um die Ecke zu kaufen und nicht bei iTunes zu laden. Liegen dir die Kleinen am Herzen oder wieso dieser Aufruf? 

Die Kleinen liegen mir sowieso immer am Herzen, egal ob es Plattenläden sind oder andere Sachen. Ich schätze schöne, kleine Plattenläden, in denen man rumstöbern und Musik für sich entdecken kann. Natürlich ist das mittlerweile etwas altbacken geworden, aber ich finde es schön, wenn Leute diese Möglichkeit noch nutzen und wenn es in ihrer Stadt noch einen guten CD-Laden gibt, dass sie den auch unterstützen. Oft gibt es das gar nicht mehr, sondern nur die grossen Ketten. Und dort bekommt man auch nicht alles. Bei Media Markt gibt es meine CDs zum Beispiel manchmal gar nicht zu kaufen. Da muss man es ja bei Amazon und iTunes bestellen. Ich verteufle das nicht und bestelle selbst auch manchmal Bücher oder so über diese Kanäle. Ich finde halt, wo man kann, sollte man die kleinen Geschäfte schon unterstützen. Es ist wie in der Stadt, wo du zu den grossen Ketten wie Coop gehen kannst oder zum Gemüsehändler um die Ecke. Ich finde schon wichtig, dass man diese Vielfalt ein bisschen unterstützt, bevor alles nur noch mit den grossen Ketten zugepflastert ist. Das ist dann mit der Musik natürlich auch so.

 

Zum Schluss: Hast du künstlerisch gesehen einen Wunsch, den du dir gerne irgendwann erfüllen möchtest? Vielleicht ein Duett?

Das entspringt jetzt nur meinem Fantum Bright Eyes gegenüber, aber ich hätte sehr viel Lust, mal eine Platte mit Mike Mogis aufzunehmen. Er ist der Typ, der von Anfang an alles von Bright Eyes aufgenommen hat. Einfach nur, weil immer gut klingt, was sie machen und Mogis scheint ein sehr netter Typ zu sein. Das wäre sicher ein angenehmes Arbeiten.

 

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. 

 

Bäckstage war auch am Konzert von Gisbert zu Knyphausen im Exil. Hier ist die Kritik. 

Patrick Holenstein / So, 18. Mär 2012