Tom Grennan: «Den Text vergesse ich sowieso»
Vergessene Textpassagen, eine kaum hörbare Stimme und keine Sicht auf den Frontmann. Klingt nach einem miserablen Konzert, oder? Nach knapp 60 Minuten Konzert und einer halbpatzigen Verabschiedung blieb Tom Grennan auf der kleinen Bühne im Papiersaal stehen. Sein zögernder Blick verriet, dass er das Schweizer Publikum doch noch nicht zurück lassen wollte. «Okay, vorhin hast du «Patience» gewünscht», sagt er zu einem Mädchen in der ersten Reihe. «Dann spielen wir den Song doch einfach noch. Wisst ihr was – unplugged!», entschloss er kurzerhand und sprang von der Bühne. Die Menschenmenge schärte sich um den jungen Engländer und etliche Mobiltelefone wurden aus der Hosentasche gezückt. «Yo, ihr müsst mir aber beim Text helfen, ich vergesse ihn sowieso.» Ein Jubeln ging durch den Saal. Wer zuvor direkt am seitlichen Bühnenrand stand, erlaubte sich, die Bühne zu betreten und Tom Grennan für die letzten Minuten von oben herab zu beobachten. Da stand er also im Publikum, hüpfte während des Singens aufgeregt auf und ab, vergass Textpassagen und klatschte mit seinen Fans mit. So natürlich und so locker.
Der Traum vom Nummer 1-Album.
So locker, wie das Konzert zu Ende ging, begann es kurz nach 21.00 Uhr. Ohne grosse Show betraten Tom Grennan und die vierköpfige Band die Bühne. Tom in weissen Socken, schwarzen Faltenhosen, bordeaux-rotem Poloshirt und Goldkette. Die fünf Musiker feuerten gleich eines der bekanntesten Lieder ins Publikum «Found What I’ve Been Looking For.» Tom Grennan’s kräftige Stimme erfüllte den ganzen Papiersaal. Der Raum war aber nicht nur von seiner Stimme gefüllt. Dicht aneinander gedrängt standen die Leute in den Reihen und sangen mit dem 22-Jährigen mit. Anders als bei kleineren Konzerten, gab es dieses Mal keine durch Vorhänge getrennten Teile und in den hinteren Bereichen waren Bühnenpodeste aufgebaut, dass auch jeder im Saal die Möglichkeit auf gute Sicht hatte.
«Mein Album «Lighting Matches» erscheint nächstes Jahr und es wird ein «fucking number one»-Album in der Schweiz werden, oder?», rief er nach den ersten Songs energiegeladen ins Publikum, gefolgt von tosendem Applaus. «Hier zu sein und heute Abend meine Europa-Tournee beenden zu können, ist der Wahnsinn. Ich war noch nie in der Schweiz, das ist einfach genial! Wir geben heute alles, seid ihr dabei?», fragte er begeistert und stimmte den nächsten Song «Giving It All» an. Der Titel hätte passender nicht sein können und das Publikum war hörbar mit dabei. Darauf folgte «Prayin» von der neusten EP «Release The Breaks».
Alte und neue Songs
Eine bekanntere Nummer von Tom Grennan dürfte wohl «When All Goes Wrong» sein, die er im laufenden Jahr mit dem Electronica-Duo «Chase & Status» aufgenommen hatte. Auch bei langsameren Liedpassagen dominiert die Kraft in seiner Stimme. Das leicht Kratzige darin verleiht dem Ganzen «das gewisse Etwas» und schafft grossen Wiedererkennungswert. Immer wieder kommen in den Liedern zudem langanhaltende Töne vor, bei denen der Junge aus Bedford seine Ausdauer unter Beweis stellt. Nach Mitsingen, überwiegend beim Refrain, wurde es auf der Bühne dunkler, Tom schraubte seine Energie runter und die Band verliess kaum merkbar im Hintergrund die Bühne. Es war Zeit für Tom und seine Gitarre und niemanden sonst. Aufmerksam lauschte das Publikum und er performte «Old Songs». Die Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wurde, gab Tom den Besucherinnen und Besuchern ohne Wenn und Aber zurück. Gezielt fokussierte er während dem ganzen Konzert einzelne Personen in der Menge, suchte den Augenkontakt und es gelang ihm mit Links, seiner Show eine persönliche Note zu verleihen.
Obwohl man dem jungen Mann noch länger hätte zuhören können und er bestimmt noch einige gute Stücke auf Lager gehabt hätte, war es nach knappen 60 Minuten Zeit für die halbpatzige Verabschiedung und die Unplugged Performance inklusive vergessenen Textpassagen, die das Publikum zum Tanzen, Klatschen und Schmelzen brachte.
Wer während Konzerten nicht nur gerne mittanzt oder mitsingt, sondern auch mal gerne lacht, ist bei Tom Grennan an der richtigen Adresse. Die Interaktion mit den Besucherinnen und Besuchern ist dem jungen Engländer hoch anzurechnen. Das Publikum ist dem Sänger etwa so wichtig, wie die Musik selbst.