Ein Konzert wie zuhause im Wohnzimmer

Konzertkritik: Dianne Reeves in St. Gallen
Dianne Reeves
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Dianne Reeves betritt nach einem atemberaubenden Intro ihrer Band die Bühne in der St. Galler Tonhalle: «Stellt euch vor, wir sind in einem Wohnzimmer und machen Musik», ermuntert sie das Publikum. Es scheint als freuten sich die Musiker riesig darauf, den Menschen zu zeigen, wie schön es ist, entspannt zu musizieren.

 

Fünf Virtuosen in ihrem Element

 

Fröhlich beginnen die fünf Künstler mit Tönen zu spielen. Dianne Reeves wandert mit ihrer Stimme eine Tonabfolge rauf und runter, während Romero Lubambo mit offenem Mund und Blick zur Decke den roten Faden sucht, um mit seiner akustischen Gitarre in Reeves Gesang einzutauchen. Er findet den Einstieg und die passende Wahl seiner Klänge wird mit einem Lächeln der Sängerin und einem Kopfnicken Reginald Veals am Bass bestätigt. Im Hintergrund sind neue Töne zu hören. Der Pianist Peter Martin beginnt mit seinen Fingern auf der Tastatur zu tanzen. Dabei wickelt er sein Spiel in den Gesang und in den Sound der anderen Instrumente ein. Es passt plötzlich alles zusammen. Aus fünf wird eins und schlussendlich treffen sich die Musiker im selben Song – in «Stormy Weather». Die pure Freude ist zu spüren, Dankbarkeit liegt in dieser Musik.

 

Reeves Stimme ist ein besonderes Instrument

 

So wie die Musiker den ersten Song angesteuert haben, so gehen sie auch «The Twelfth Of Never» und Bob Marleys «Waiting in Vain» an. Es ist als ob sich fünf Schatztruhen, gefüllt mit Tönen, nacheinander öffnen und sich Klänge aus jeder einzelnen Kiste frei und quirlig bewegen, bis sie zueinander finden und harmonieren – Balsam für die Ohren.

 

Nun jongliert Dianne Reeves nur noch mit Lauten, rhythmisch und kraftvoll. Sie streift Töne nach vorne, atmet sie ein, nimmt sie hinter die Nase, zieht sie in den Bauch und lässt sie wieder hoch kommen. Jeder einzelne Ton sitzt – von ganz unten bis ganz oben. Sie erzählt eine Geschichte ohne Worte. Es geht um Liebe und um Leidenschaft und so rollen ihre Begleiter mit Tango- und Salsa-Elementen nach bis die Bühne bebt.

 

Reeves in herzlicher Plauder-Laune

 

Wie es bei Jam-Sessions in Wohnzimmern üblich ist, wird auch geplaudert. Ein besonderes Erlebnis für Dianne Reeves waren die Dreharbeiten zu George Clooneys «Good Night, and Good Luck». Zur allgemeinen Belustigung beschreibt sie die aufregenden zweieinhalb Tage an der Seite des Beaus. Und genau so herzlich wie die Jazz-Lady singend ihre Band vorstellt, so herzlich nutzt sie die Gelegenheit, um den verstorbenen Gründer des Montreux Jazz Festival, Claude Nobs, zu würdigen.

 

Nach neunzig Minuten musikalischer Meisterleistungen, und Standing Ovations des Publikums, verlässt Dianne Reeves mit ihren Freunden die Bühne. Ein beeindruckendes und herzliches Konzert im wohl akustisch besten Wohnzimmer St. Gallens – grandios.

 

Damaris Trüb / Fr, 29. Mär 2013