Bastian Baker rockt den Komplex 457
Mit ihrer herben Stimme, einer Mischung aus Blues und Country, und ihrem romantischen Sommerkleidchen bringt Lina Button mit einem Gitarristen an ihrer Seite den Sommer zurück. Als sie sich selbst ans Klavier setzt und eine ruhige Melodie spielt, sind die ganzen Strapazen vom Anstehen bei eisigen Temperaturen vergessen und die gefrorenen Füsse wieder aufgetaut. Angekündet wird sie von Bastian Baker persönlich. Bereits dann bricht das Publikum in lautes Kreischen aus und während Lina Buttons kurzem Auftritt, der gerade mal 15 Minuten dauert, übertönt ein ständiger Lärmpegel ihre Musik. Das Publikum ist unruhig und die vielen Teenager-Mädchen können es kaum erwarten bis ihr Liebling endlich seinen Auftritt hat.
45 Minuten lässt Bastian Baker auf sich warten, bis er dann um 20.45 Uhr mit «Colorful Hospital», einer gewaltigen Lasershow und Nebeleffekten, die Menschenmenge zum Kreischen bringt. Es folgt der Song «You are the one» aus seinem neusten Album. Leider überzeugt der Song nicht so wie seine älteren Hits und der Songtext ist sehr eintönig und besteht grösstenteils aus dem Refrain. Dafür trifft er mit «Tomorrow may not be better» ins Schwarze. Er beginnt den Hit in einer akustischen Version, bei welcher er nur von leisen Klavier-Tönen begleitet wird. Später leiten ein paar rockige Gitarrenriffs die ruhige Melodie geschickt in die Standard-Version über, die nur zu gut aus dem Radio bekannt ist. Das ganze Publikum singt mit und Baker ist mehrere Male während seinem Konzert überrascht sowie auch überwältigt, dass die Fans enthusiastisch seine ganzen Texte mitsingen. Sehr schade ist, dass die Lautstärke der Instrumente nicht aufeinander abgestimmt ist. Der Bass sowie das Schlagzeug sind viel zu laut, wogegen die E-Gitarre viel zu leise eingestellt ist und in den grellen Schreien des hauptsächlich weiblichen Publikums versinkt.
Bastian will wohl weg vom Kuschel-Rock-Image
Baker und seine Band strotzen dennoch vor Energie. Bastian hüpft zwischendurch rum und schüttelt wild sein Haar, wobei er eher einem amerikanischen Rockstar denn einem jungen Newcomer aus der Romandie ähnelt. Jedoch scheint es so, als hätte sich Baker und seine Band noch nicht mit einem einheitlichen Musikstil anfreunden können. Alle, die ruhige Kuschelsongs erwartet haben, wurden im Komplex bitter enttäuscht. Stattdessen probiert die Band alles aus, von Rock über Pop bis zu Rap. Dies scheint einerseits sehr vielseitig und spontan, andererseits scheitert die Band oft an dieser Vielfältigkeit und die Qualität und Authentizität der Songs ist schlecht. Vielleicht will Bastian Baker damit von seinem Kuschel-Song-Image loskommen und beweisen, dass er auch die Bühne rocken kann – Schlagzeug-Soli inklusive.
Was man ihm durchaus lassen muss, ist seine lockere und charmante Reaktion, als ihm kurz nach Beginn seine Gitarre zerbricht. Die vier Bandmitglieder überbrücken den Gitarrenwechsel humorvoll und mit viel Improvisation. Auch unterhält der junge Singer-Songwriter zwischendurch mit lustigen Anekdoten aus seiner Karriere und bezeichnet das Zürcher Publikum seit seinem Karriere-Start als bestes und die Location, den Komplex 457, als grösste. Bastian Baker versucht mit Milow’s Cover «Ayo Technology» aufzutrumpfen, was ihm leider nicht ganz gelingt. Der Song wird nach dem Motto «möglichst laut und emotionslos» ins Mikrofon geschrien – was soll’s, den Teenies gefiel dies bestens.
Der absolute Höhepunkt des Konzerts ist der Auftritt von Rapper Stress, als Bastian Baker ein Lied des gemeinsamen Albums «Noël’s Room» (Platz 1 in den Charts) ankündigt. Die beiden Musiker umarmen sich freundschaftlich und das Publikum tobt und kann es nicht fassen, dass Stress auf der Bühne steht. Nach ihrem gemeinsamen Song «Back in my life» ist Baker wieder der Mittelpunkt auf der Bühne. Um 22.15 Uhr verabschieden sich Bastian Baker und seine Band vom Publikum – jedoch nicht für lange Zeit. Nach lauten Zugaberufen und -pfiffen kommen die fünf Musiker unterstützt durch lauten Applaus wieder auf die Bühne zurück und spielen das Leonard-Cohen-Cover «Hallelujah». Die Zugabe dauert eine halbe Stunde, was den verzögerten Beginn wieder gutmacht. Bastian Baker überzeugt an diesem Winterabend im Komplex 457 mit seinen Songs wie «Smile» oder «I’d sing for you» mehr als mit den restlichen Songs aus dem Genre Rock. Dieses hätte er besser nicht aus den ersten Bandproben übernommen, als er als 15-jähriger Teenager noch AC/DC coverte.