Schweizer Vielfalt im Amphitheater
Am Freitag, dem 11. Juli 2014, strömten hunderte Menschen an einen Ort, von dem die meisten von ihnen wahrscheinlich noch nie zuvor gehört hatten: Hüntwangen ZH. Hüntwangen entwickelt sich seit drei Jahren immer mehr zum Pilgerort für Liebhaber guter Musik und kleinen aber feinen Openairs – dank des Soundcircle Festivals. Zum vierten Mal boten die Organisatoren sowohl den Bands als auch dem Publikum ein einzigartiges Spiel- und Hörerlebnis im Amphitheater und holen nicht nur lokale Nachwuchsbands, sondern immer mehr auch grosse Namen ins Programm. So kamen viele Zuschauer an jenem Freitag eigens für Beauty of Gemina und The Young Gods angereist. Darauf mussten sie sich zu Beginn des Festivals um 19 Uhr jedoch noch gedulden.
Zur Eröffnung spielten Mephistosystem auf der Hauptbühne und setzten erste rockige Akzente. So schwierig es auch ist, als erste Band auf einem Openair zu spielen – die Bedingungen waren gut. Der Regen hatte aufgehört und die Besucher, die das Festivalgelände betraten, wurden von Mephistosystem gleich zur Hauptbühne gelockt. Die Alternative-Rocker produzieren sich seit der Gründung vor zehn Jahren komplett selbst. So haben sie auch gleich selber für nachhaltige Werbung gesorgt – die Mephistosystem-Aufkleber flogen und klebten den ganzen Abend überall herum.
Michael Sele von Beauty of Gemina. (Quelle: Soundcircle / © Sandra Albrecht)
Weiter ging es mit dem Zürcher Trio Living Shape, als erste Band auf der Zeltbühne. So mancher Besucher hatte das Zelt vielleicht noch aus dem letzten Jahr als Sauna in Erinnerung. Dieses Mal waren die Wetterbedingungen aber perfekt dafür. Living Shape legten trotzdem eine heisse Show hin, und überzeugten mit facettenreichem Rock mit tollen Soli.
Pünktlich um 20:45 Uhr versammelten sich die Fans von Beauty of Gemina vor der Hauptbühne, wo die Schweizer sogleich loslegten. Mit ihrem speziellen Mix aus Gothic-Rock, Country und Blues begeisterten sie das (zugegebenermassen sehr verteilte) Publikum und passten perfekt in die verträumte Umgebung. Sänger Michael Sele tat seine Liebe zur Location kund und gab zu, dass er das Soundcircle Festival zuvor noch nicht kannte. «In diesem Openair steckt sehr viel Herzblut, und das ist wichtig», lobte er die Organisatoren.
Nach der einzigartigen Show von Beauty of Gemina ging es im Zelt mit einer etwas anderen Richtung weiter. Schon rein äusserlich hob sich Dee Day Dub aus Bern und Zürich von den anderen Bands ab, denn zum ersten Mal an diesem Abend stand eine Frau auf der Bühne, und das auch noch an der Front. In ihrem sehr gewagten Kleid überstrahlte sie ihre männlichen Mitmusiker, und zog alle Blicke auf sich. Aber auch musikalisch hatte die Gruppe einiges zu bieten. Die Stimme von Brandy Butler – übrigens bekannt aus „The Voice of Switzerland“ – ist unglaublich voluminös und vor allem facettenreich. Mit Dubstep, Soul, Pop und Rock sorgte Dee Day Dub für den wahrscheinlich abwechslungsreichsten Auftritt des Abends.
Zeit für ein weiteres Festivalhighlight – The Young Gods. Sie sorgten für die grösste Menschenmasse vor der Hauptbühne, und das trotz Regen. Dieser schien dem Publikum so gar nichts auszumachen, unbeeindruckt jubelte es der bereits 1985 in Fribourg gegründeten Band zu. Kein Wunder, werden die Schweizer auch von bekannten internationalen Bands als prägender Einfluss bezeichnet. Ihr Industrial-Rock auf Französisch und Englisch riss die Leute förmlich mit, sie tanzten, sangen und trotzten dem Wetter – begleitet von Blitzen in künstlicher und natürlicher Form.
The Young Gods auf der Bühne. (Quelle: Soundcircle / © Natalie Grund)
Eine Aufwärmung wartete mit der letzten Band wiederum im Festzelt. Es war 00:30 Uhr und Zeit für die erste internationale und gleichzeitig letzte Band des Abends – MerQury Band aus Italien. Der Name ist kein Zufall, es handelt sich um eine Queen-Tribute-Band. Und tatsächlich betrat schliesslich ein scheinbar wiedergeborener und 30 Kilo schwererer Freddie Mercury die Bühne und rockte diese mit seinen Musikern in bester Queen-Manier durch deren grösste Hits. Das grösstenteils bereits angeheiterte Publikum freute es. Die Kleider wurden trockener, das Tanzbein lockerer, die Stimmung war super.
Wer anschliessend zu müde für die Aftershow-Party im Zelt war, machte sich auf in Richtung Zelt-, Park- oder Shuttlebus-Platz, zufrieden und sich freuend auf den nächsten Tag oder das nächste Jahr.
Fazit: Das Soundcircle Festival hat für jeden Geschmack etwas zu bieten, und kann durchaus überraschen mit der Vielfalt der Musik, die die Schweiz zu bieten hat. Die Abwechslung lag nicht nur im Programm, sondern auch im kulinarischen Angebot. Die Location ist so oder so fast nicht zu toppen. Einziger Negativpunkt: Im vollen Programm ist kein Platz für Überziehungen oder eine kurze Pause. Wer jede Band sehen wollte, rannte jeweils zwischen Hauptbühne und Zelt hin und her und musste sich teilweise zwischen dem Schluss der einen und dem Anfang der anderen entscheiden.