Regnerisch-musikalische Magie unter freiem Himmel – Dihei im Sittertobel!
Wir haben es einmal mehr unter Beweis gestellt. Uns St. Gallerinnen und St. Galler macht ein bisschen Regen gar nichts aus. Müsste ich die letzten vier Festivaltage in einem Satz beschreiben, wäre es der folgende: musikalische Ekstase, trotz Regen, und mit Sonne!
Das Openair St. Gallen 2023 startete mit viel Sonnenschein und wenig Schlamm. Punkt 12.00 Uhr öffneten sich die Pforten und die ersten Instagram Stories mit einem Bild vom Gelände und der Überschrift «Dihei» und einem Herz-Emoji machten sich auf der Social-Media-Plattform breit. Gänsehautmoment – Endlich war es wieder so weit. Der Donnerstag sollte uns mit dem perfekten Festivalwetter begrüssen. Perfekt, um das Zelt und die Pavillons aufzustellen. Das Gelände füllte sich. Die Zeltstadt erschien in voller Blüte und das Leben kehrte zurück ins Tobel. Während die einen bereits das Tanzbein schwangen, richteten andere noch ihr zu Hause für die nächsten vier Tage ein und wieder andere freuten sich bereits auf die ersten musikalischen Darbietungen. «Meduza – diä mömmer imfall go luege», dieser Satz fiel an der einen oder anderen Ecke, an welcher man sich zufälligerweise, aber mit unglaublich viel Freude trifft.
Schlussendlich war es dann so weit und um 00.30 Uhr, nach den Auftritten Von Wegen Liesbeth und Wanda, betrat die dreiköpfige, italienische EDM-Gruppe die Sternenbühne. Dies passte perfekt, denn die überdachte Bühne schützte vor den ersten Regentropfen, welche sich das Konzert wohl ebenfalls nicht entgehen lassen wollten.
Die Sitterbühne in voller Pracht. (Foto: Openair St. Gallen, zVg / ©Julius Hatt)
Schnell verwandelten Meduza den Platz in einen brodelnden Tanzfloor. Die euphorische Stimmung war förmlich greifbar, als die Menschenmenge zu den mitreissenden Beats tanzte. Hits wie «Piece of Your Heart» und «Lose Control» brachten die Zuschauer zum Toben und Meduza bewiesen einmal mehr, warum sie zu den aufstrebenden Stars der elektronischen Musikszene gehören. Was für ein Start.
Der zweite Festivaltag begann mit einer angenehmen Überraschung: Der Regen hatte doch eine kurze Pause eingelegt und die Sonne kam zaghaft zum Vorschein. Mimi Webb betat die Bühne und brachte das Sittertobel mit ihrer kraftvollen Stimme und gefühlvollen Songs zum Mitsingen. Die junge Künstlerin überzeugte mit ihrer eindringlichen Performance und schaffte eine zauberhafte Atmosphäre, die das Publikum verzauberte und auf den kommenden Tag einstimmte.
Doch dann übernam der Regen erneut das Zepter, und die Zuschauer wurden mit dem Wetterumschwung konfrontiert. Trotzdem liessen sich die Festivalbesucher nicht entmutigen, denn sie wurden von Lo & Leduc mit einer energiegeladenen Show belohnt. Das schweizerische Duo liess sich von der regennassen Kulisse nicht einschüchtern und feuerte seine Hits mit voller Kraft ab. «Danke so fesch, es bedüüted üs so viel», Lo & Leduc bedankten sich mehrfach für den Support im mittlerweile nassen Halb-SchlammGallen. Auch ein Freestyle durfte nicht fehlen. Gummistiefel, Fischerhüetli und Pfluumebaum wurden professionell und spontan in einen Rap eingebaut und überall wurde getuschelt: «Die hend doch die Begriff scho kennt». Wir wissen es nicht, aber gut klang es.
«Someone you loved» für Lewis Capaldi
Bei Mimi Webb und Lo & Leduc sollte es jedoch nicht bleiben. Der deutsche Rapper RIN brachte mit seiner einzigartigen Mischung aus eingängigen Melodien und lyrischen Texten das Publikum zum Vibrieren. Trotz des anhaltenden Regens hielt die Menge durch und feiert jeden Song von RIN enthusiastisch mit.
Klingt alles magisch, toll. War es bis hierhin auch, aber was uns schon ein wenig das Herz brach, ist die Absage von Lewis Capaldi. An dieser Stelle – wir verstehen es natürlich und wünschen ihm weiter gute Besserung – haben wir ihn vermisst. Wir haben ihn sogar so fest vermisst, dass wir uns dazu entschieden haben für ihn, statt mit ihm zu singen. «Someone you loved» – das Sittertobel für Lewis Capaldi. Ein unvergesslicher Moment.
Der Höhepunkt des Abends war dann aber doch Peter Fox. Als der ehemalige Frontmann von Seeed die Bühne betrat, kannte der Abend kein Halten mehr. Die Fans stürmten nicht nur vor die Bühne, sondern auch auf sie. Es entstanden spontane Dance-Battles mit viel jubelnder Unterstützung aus dem Publikum. Was für ein zweiter Festivaltag.
Der Regen verlockte dann aber doch einige Besucher den Heimweg anzutreten. Ein etwas früheres Ende schadet nicht, dachten sich viele. Schliesslich standen noch zwei Tage vor uns. Andere liessen sich vom Wetter nicht beirren und suchten den Weg zu den Bars.
Kraftklub heitzten mächtig ein. (Foto: Openair St. Gallen, zVg / ©Julius Hatt)
Angenehmes Wetter und musikalische Hochkaräter. Mit diesen Worten könnte man den dritten und zweitletzten Festivaltag gut beschreiben. Das Wetter zeigte sich vor allem zu Beginn des Tages von seiner gnädigen Seite. Endlich konnte man die dachfreien Attraktionen, wie die neue Casa Bacardi oder den Au Revoir DayDance besuchen. Die Fersen taten zwar schon lange weh, aber mit dem einen oder anderen Drink, der guten Laune und der guten Musik, verabschiedete sich schleichend jedes Bebe vom langen Stehen. Den Auftakt, unter den wohl bekannteren Acts, machten SDP und brachten die Menge von Anfang an zum Mitsingen. Mit ihrer einzigartigen Mischung aus Rap, Pop, Emotionen und elektronischen Elementen schafften es Vincent und Dag, die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Hits wie «Leiche» und «So schön kaputt» wurden von der euphorischen Menge lautstark mitgesungen.
Als nächstes begeisterten The Lumineers und versprühten ihren charmanten Indie-Folk-Sound. Mit Kraftklub betrat später dann eine der bekanntesten deutschen Indie-Rock-Bands die Bühne. Die Jungs aus Chemnitz heizten die Stimmung mit ihrer energiegeladenen Performance weiter an.
Die Stimmung war ausgelassen und einfach so schön. Aber es sollte noch besser werden. Macklemore, der Headliner – der kam jetzt! Grossartig, ich sag’s euch. Viele waren sich zu Beginn des Konzerts gar nicht sicher, wie viele Lieder sie kennen würden. Und ja, man wurde überrascht. Ein Hit nach dem andern sangen wir zusammen mit Macklemore. Zehn Jahre ist es her, seit der amerikanische Superstar auf der Sitterbühne gespielt hat. Schon damals wurde bemängelt, dass er etwas viel zu sagen hat und zu wenig singt. Auch dieses Jahr meldete er sich genügend oft zu Wort. Seine Performance war jedoch so gut, dass man ihm rasch verziehen hat. «Wow – was für ä Konzert», so das Fazit, als der Sänger nach der Zugabe «The Sealing Can’t Hold Us» endgültig von der Bühne verschwand.
So und jetzt noch einmal richtig Party!
Die Festivalbesucher machten sich einmal mehr auf den Weg zu den wirklich sehr ausgiebigen und verschieden Essensständen, um sich einen Boden für die noch lange Nacht anzuessen. Bis in die Morgenstunden wurde ausgelassen gefeiert, denn schon bald ist es wieder vorbei.
Mit viel Sonne durch den Sonntag. Das war das Motto des letzten Festivaltages. Nationale und internationale Musiker wie Zian, LEA und Marcus Mumford spielten die letzten Sets auf der Sternenbühne, während Sam Fender, Casper und Hecht, als letzte Künstler die grosse Bühne betreten haben. Die Crew von Sam Fender hatte aber nicht nur Spass auf der Bühne, sondern auch dahinter. Soviel, bis der Satz «I think I broke my nose» fiel. Der Künstler aus England und seine Band liessen es sich nämlich nicht nehmen, im Backstagebereich in die St. Galler Bierkultur einzutauchen. Sam Fenders Gitarrist, Joseph Atkinson, taucht durch eine Pyramide aus Schüga-Bierdosen und stürzt. Etwas mehr geglückt war die Performance. Die Fans freuten sich auf den Künstler, der in den vergangenen Jahren aus gesundheitlichen Gründen absagen musste.
Casper schuf eine besondere Atmosphäre. (Foto: Openair St. Gallen, zVg / ©Michael Dornbierer)
Mit einer eindrucksvollen Bühnendekoration schuf Casper anschliessend eine besondere Atmosphäre und zog das Publikum in seinen Bann. Obwohl der Bass durchaus etwas leiser hätte gedreht werden können, sorgte er dennoch für energiegeladene Momente.
Und schon war er da – der Moment, der immer viel zu schnell kommt. Der letzte Act, dieses Jahr die einheimische Band Hecht, betrat die Bühne. Während sie die Bühne im Tobel rockten und die einen lachten, begleiteten einige Festivalbesucher den Auftritt mit Tränen in den Augen, da das Ende des Festivals unausweichlich näher rückte. Ja, es tut weh.
Jetzt ab nach Hause und danke liebes Openair St. Gallen – das ging dieses Jahr, im Vergleich zum vergangenen, viel besser. Eigentlich fast problemlos.
Ach, und übrigens auch dieses Jahr ein Dankeschön für die vielen zusätzlichen WCs. Wir lieben es kaum anzustehen.
Wir freuen uns auf 2024!