Räucherstäbchen, Blumen, Totenköpfe

Rückblick: Winterthurer Musikfestwochen
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Musikfestwochen / © Andrin Fetz

Als Auftakt beweihräucherten Lord Kesseli and the Drums am Mittwoch das Albani: Zwischen Räucherstäbchenschwaden und schwitzenden Menschen breiteten der Lord und seine Helfer einen sphärisch-psychedelischen Klangteppich aus, der sich hören lassen konnte. Dass die St. Galler mit ihren selbsternannten «synthetic science fiction sound worlds» demnächst durch Grossbritannien touren, überrascht keinen, der dieses Klangerlebnis einmal gehört hat. 

 

Einen Tag später gaben sich die Kanadier auf dem Kirchplatz die Ehre: Ben Caplan and the Casual Smokers überzeugten mit einer Wahnsinnsstimme, wallendem Vollbart und viel folkiger Spielfreude, was sich auch im eifrig mitsingenden Publikum widerspiegelte. 

 

Und auch das nächste Klangjuwel fand sich auf dem Kirchplatz. Puts Marie verzauber-ten am Samstag mit gewohnt komplexem, anspruchsvollem Sound. Eins ist klar: Nach wie vor lassen sich die Bieler nicht so leicht in eine Genre-Schublade stecken, sondern überraschen immer wieder aufs Neue. Das zahlt sich aus, so wurde ihr neustes Album «Masoch I & II» unlängst zum IndieSuisse Album of the Year gewählt. Mehr davon, s’il vous plait! 

 

 

… als würde eine fröhliche Lana del Rey in einem alten Jeep durch die Wüste düsen.

 

Am Sonntag verzauberte die israelische Band Lola Marsh auf einer blumengeschmück-ten Steinbergbühne. Mit Tel Aviv’schem Savoir vivre feierte die Band um Sängerin Yael Shoshana Cohen den sonnigen Tag und klang dabei ein bisschen so, als würde eine fröhliche Lana del Rey in einem alten Jeep durch die Wüste düsen. Mit derselben Leichtigkeit und entspanntem Summerfeeling zeigten sich einen Tag später auch die Local Natives aus den USA. Mit Synthies à discrétion und charmanten Melodien gelang dem kalifornischen Quintett die perfekte Einstimmung auf den Feierabend. Wer es lieber etwas wilder mag, ging danach weiter ins Albani, um sich zum bluesigen Surfrock von Duck Duck Grey Duck auszutanzen. Mit jaulender Stimme und französischem Akzent umsurften die drei Genfer gekonnt den Röstigraben und spielten, bis keine Achselhöhle mehr trocken war. 

 

Am letzten Tag des Gratisprogrammes kam der Deutschpunk in die Steinberggasse: Die drei Jungs von Die Nerven scheinen direkt einem deutschen Teeniefilm der 80er-Jahre entsprungen zu sein. Man wünscht sich diese Band in eine verrauchte Kneipe, in der das Bier zwei Euro kostet und die Leiber übereinander purzeln. Doch auch im Open Air-Modus gaben die Stuttgarter alles und erklärten den Punk mit Entschiedenheit für nicht tot. Genauso rockig und mit isländischer Coolness schlossen Agent Fresco den Festivalabend ab. Ein sphärisches Rockerlebnis aus Reykjavik, gemischt mit schwergewichtigen Gitarreneinlagen und wildem Kreischen von Sänger Arnor Dan Arnorson. Dieser nahm zum Abschied ein Bad in der Menge und holte sich beim zur Bar umfunktionierten Brunnen ein Bier – ein rundum gelungener Auftritt, was auch die begeisterten «Hu!»-Rufe des Publikums bestätigten. 

 

Das Sahnehäubchen auf der Musikfestwochentorte schliesslich war die Band of Skulls, die am Sonntag den allerletzten Festivaltag eröffnete. Trotz gleissender Hitze und nachmittäglicher Spielzeit legten die Briten eine unbändige Spielfreude an den Tag, was nicht zuletzt auch dem überaus enthusiastischen Publikum zu verdanken war. Neben Klassikern wie «Death by diamonds and pearls» und «The devil takes care of his own» spielten die Engländer auch Songs ihres im Mai erschienenen Albums «By Default» - rockig, eingängig und mit der unverkennbaren Handschrift der Band of Skulls. 

 

Ein würdiger Abschluss für eines der facettenreichsten Musikerlebnisse der Schweiz, der schon die Vorfreude auf das nächste Jahr weckt!

 

Tamara Schuler / Di, 30. Aug 2016