Sympathy for the Devil

Filmkritik: The Apprentice
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© APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC._PROFILE PROD

 

Jeder gute Schurke hat sie. Seine eigene, individuelle Origin Story. Sie erklärt, welche Umstände, Personen und Konstellationen einen gewöhnlichen Menschen zum ultimativen Antagonisten gemacht haben. Im Falle von Donald Trump fehlt es einem gewiss nicht leicht, sich einzugestehen, dass es diesen berüchtigten Mann mal ohne Selbstbräuner, Betonhaare und Monster-Ego gegeben hat. Doch genau hier setzt Ali Abbasis Film «The Apprentice» an. New York befindet sich in den 70er Jahren in seiner Disco-Ära. In exklusiven Clubs verabreden sich die mächtigsten Spielemacher der Stadt, um ihre nächsten Schachzüge abzustimmen und einzuplanen. Darunter auch der junge Donald Trump, der zunächst lieber schweigend beobachtet. Zu gross ist seine Ehrfurcht und zu klein sein Selbstvertrauen, um den Platzhirsch zu spielen. Noch. Denn schon bald wird Trump vom ehrgeizigen Roy Cohn angesprochen, einem Rechtsanwalt mit zwielichtiger Klientel. Diesen bettelt der junge Trump alsbald um Hilfe an, um das Familienunternehmen zu retten. Das Justizministerium hat die Immobilienfirma von Donalds Vater jüngst wegen Diskriminierung angeklagt. Einzig Cohn und seine unorthodoxen Methoden können Abhilfe schaffen, da ist sich der junge Trump sicher. Dafür geht er gerne mit Cohn eine Geschäftsbeziehung ein, auch wenn sein Umfeld Böses ahnt. 

 

Roy Cohn (Jeremy Irons) beobachtet seinen Lehrling Donald Trump (Sebastian Stan).

Roy Cohn (Jeremy Strong) beobachtet Lehrling Donald Trump (Sebastian Stan).

© APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC._PROFILE PRODUCTIONS 2 APS_TAILORED FILMS LTD. 2023

 

Wer sich «The Apprentice» anschaut, vergisst ab einem gewissen Punkt, dass es sich nicht um den realen Trump handelt, sondern einer Darstellung von Sebastian Stan. Der Mime imitiert, karikiert, und interpretiert Trump nicht, er verschmilzt förmlich zu Trump. Insbesondere die leise, schleichende Verwandlung vom dorky-Donald zum narzisstischen Trump ist von einer unheimlicher Stärke. Denn sie zeigt, dass unter bestimmten Umständen, gewissem (Leistungs-)Druck, gewissen Vorbildern und Werten, diese Verwandlung vielleicht unumgänglich ist. Und so ist diese Gesellschaftskritik, abgeleitet aus einer bekannten Biografie, die grösste Stärke des Films. Klar kritisiert Abbasis Werk Donald Trump, aber vielmehr bedient es sich an Trump, um eine viel gewichtigere Kritik am Kapitalismus, am American Dream, an der US-Aussenpolitik anzubringen. Zu den wohl einprägendsten Szenen gehört jene, in der Cohn dem jungen Trump seine 3 Regeln predigt: 1. Attackiere, attackiere, attackiere. 2. Mache keine Zugeständnisse, leugne immer alles ab 3. Gestehe niemals eine Niederlage ein. Diese anfangs amüsante - wenn auch bittere - Szene findet einen sehr üblen Nachgeschmack, als ein Ghostwriter Jahrzehnt später Trump entgegnet, diese Regeln würden ihn an die US-Aussenpolitik der 60er Jahre erinnern. 

 

Ivana Trump (exzellent: Maria Bakalova) und Donald Trump (Sebastian Stan) bei der Eröffnung des Trump Towers. (© APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC._PROFILE PRODUCTIONS 2 APS_TAILORED FILMS LTD. 2023)

 

Momente wie diese zementieren die Absicht des Filmemachers, hier mehr kritische Gedanken säen zu wollen, statt eine reine Trump-Psychoanalyse auf dem Silbertablett zu präsentieren. Selbst wenn diese qualitativ hochstehend ist. Das zeigt sich daran, dass dem Filmemacher eine gewisse Ambivalenz vorgeworfen wurde, Trump (anfangs) zu sympathisch darzustellen. Aber ist es wirklich eine vermeintliche Schwäche des Filmes und nicht gar seine Genialität? Weil sie in uns Mitgefühl für den Teufel auslöst? Besser gesagt: für die Teufel. Plural. Ohne zu viel spoilern zu wollen: Jeremy Strong ist als Roy Cohn ebenso brillant wie Sebastian Stan als Donald Trump. In manchen Szenen, schafft Strong als Cohn es gar Stan als Trump die Show zu stellen. In den kaltblütigen, nur durch Humor auszuhaltenden Momenten zu Beginn des Filmes, aber auch jene gegen Ende, wenn Altmeister Cohn schliesslich von seinem eigenen Lehrling überholt, ausgetrickst und entsorgt wird. Ein guter Filmemacher lässt uns in diesem Moment Schadenfreude spüren, ein hervorragender Filmemacher hingegen schafft das Unmöglich: Pity for the Devil.

 

Bravouröse Schauspielleistungen, grotesker Humor, kalkulierte Psychoanalyse und ganz, ganz viel Kapitalismus- und Gesellschaftskritik zeichnen dieses besondere Filmjuwel aus.

 

 

  • The Apprentice, (CAN, IRL, DNK 2024)
  • Regie: Ali Abbasi
  • Drehbuch: Gabriel Sherman
  • Besetzung: Sebastian Stan, Jeremy Strong, Maria Bakalova
  • Laufzeit: 123 Minuten
  • Kinostart: ab 17.Okotber 2024 

 

Credits Titelbild: © APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC._PROFILE PRODUCTIONS 2 APS_TAILORED FILMS LTD. 2023

 

 

Tanja Lipak / Mi, 16. Okt 2024