Eine Heidi, wie sie nicht in Johanna Spyris Buche steht

Filmkritik: Mad Heidi
Bildquelle: 
Swissploitation Films

Heidi (Alice Lucy) und Peter (Kel Matsena) sind erwachsen geworden. Statt auf weiten Wiesen, spielen die beiden nun viel lieber gemeinsam im Stall. Dies sehr zum Missgefallen von Heidis Opa Alpöhi (David Schofield), der Heidi so fern wie möglich von Peter und dessen illegalen Geschäftstätigkeiten halten möchte. Doch die verliebte Heidi folgt Peter wie ein braves Geisslein überall hin, bis sie schliesslich versehentlich als seine Komplizin identifiziert und ins Gefängnis gesteckt wird. Von schweren Misshandlungen gezeichnet, kickt bei Heidi schliesslich der Überlebensinstinkt ein.

 

Altbekannte Schweizer Traditionen treffen in «Mad Heidi» auf Exploitation-, Martial-Arts-, Western-, Gore- und Adventure-Kino! Das neue Genre «Swissploitation» ist geboren und mit «Mad Heidi» bekommt die Schweiz endlich ihren Kultfilm, der weltweit für Aufsehen sorgt. So gewann der Film am Brüssel International Fantastic Film Festival den Publikumspreis, denn «Mad Heidi» irritiert. Er ist schnell - sehr schnell -, besitzt eine grosse Portion derben & schwarzen Humor und passt so gar nicht zum Bild der biederen Schweiz. Doch genau dies macht «Mad Heidi» aus. Der Film ist eine Wucht an Einfallsreichtum, insbesondere wenn es darum geht klassische Schweizer Trademarks, wie bspw. die Obsession mit Pünktlichkeit, gekonnt auf die Schippe zu nehmen. Die Film-Figuren sind herrlich übertrieben gezeichnet. So sieht man den Darstellern förmlich an, dass sie grossen Spass am Dreh hatten, allen voran Casper Van Dien als narzisstischer, imperatorischer Präsident Meili. Aber auch Rebecca Dyson-Smith als sadistische Gefängnisaufseherin Lutz bietet eine unvergessliche Darbietung mit Kultcharakter, die Pam Griers Darstellung in «Women in Cages» in nichts nachsteht.

 

Heidi-Darstellerin Alice Lucy übte alle ihre Stunt- und Kampfszenen selbst aus und brillierte dabei pausenlos. Ob Samuraischwert, Hellebarde oder Knochenstück, Alice setzt alles gekonnt ein. Und wie es zu einem Splatterfilm gehört, fliesst einiges an Blut. Die Hommagen an Quentin Tarantino und Robert Rodriquez kommen dabei sehr gut zur Geltung. Genauso wie die Inspiration durch John Carpenter und George Miller, wenn es darum geht eine dystopische Schweiz mitsamt unterwürfiger, leichtgläubiger Bevölkerung zu zeigen. Die Gefängnissaufseherinnen tragen alles Namen berühmter Regisseure, welche die Filmemacher Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein inspiriert haben. Die Kostüme und das originelle Set Design sind detailliert und aufwendig umgesetzt worden. Jeder noch so kurze Moment, der uns einen Blick darauf erhaschen lässt, löst grosse Freude aus und zeigt wie viel Herzblut von allen Beteiligten in die ganze Filmproduktion geflossen ist. Besonders erwähnenswert ist auch Mario Batkovics eigens für «Mad Heidi» komponierte Filmmusik, die auch in Brüssel grossen Anklang beim Publikum fand. Oder die herrlichen Landschaftsaufnahmen, die bei einer Kulisse wie der Schweiz nicht fehlen dürfen.

 

«Mad Heidi» ist wie eine wilde Achterbahnfahrt, ist man drin, gibt es keinen Halt. Ausruhen kann man sich nach dem Film, der mit einer Spiellänge von unter 90 Minuten sehr kurz daherkommt. Deshalb sollte man den Film im Kino unter keinen Umständen verpassen. Denn auch wenn «Mad Heidi» als Streaming-Service auf www.madheidi.com konzipiert wurde, ist es ein Film-Spektakel, das gemeinsam gefeiert werden muss.

 

Ein Kultfilm wie er im Buche steht. «Mad Heidi» ist ein Fest der Originalität, der Absurdität und des guten Humors! 

 

  • Mad Heidi (2022)
  • Regie & Drehbuch: Johannes Hartmann, Sandro Klopfstein
  • Besetzung: Alice Lucy, Casper Van Dien, Max Rüdlinger, David Schofield, Rebecca Dyson-Smith, Almar G. Sato, Katja Kölm
  • Laufzeit: 92 Minuten
  • Zurich Film Festival Aufführungen: 30.09.2022 und 01.10.2022
  • Kinostart am 24. November 2022
  • Streaming Start auf www.madheidi.com am 8. Dezember 2022

     

    Tanja Lipak / So, 11. Sep 2022