«Walter sagte von Anfang an, er brauche keine Gage»
Einen Tag vor der offiziellen Premiere von «Himmelfahrtskommando» traf Bäckstage den jungen St. Galler Filmemacher Dennis Ledergerber im Berner Wartsaal. Er setzte seine Ray Ban ab und erzählte, wie er zum Film kam, wer seine Idole sind und welche Filme er gerne noch machen möchte. Darüber hinaus gab er Auskunft, wie er mit negativen Kritiken umgeht, wie er ohne Geld Schauspielgrössen wie Walter Andreas Müller, Beat Schlatter oder Andrea Zogg für sein Projekt gewinnen konnte und warum er neben der Regie auch am Drehbuch und am Schnitt arbeiten musste.
Ich habe gehört, Du bist in den Vereinigten Staaten zur Welt gekommen und …
… bin dann in der Schweiz zur Schule gegangen. Meine Mutter ist Amerikanerin, oder ausgewanderte Schweizerin, oder Amifan, was auch immer. Wir Kinder gingen in die englische Schule, damit wir die Sprache nicht verlernen. Sie hat mit uns auch immer Englisch geredet. Und es hiess jahrelang: «Wir ziehen jetzt dann grad wieder nach Amerika». Ich hab also konstant mit der Situation gelebt, dass wir jetzt gleich wieder umziehen.
Keine leichte Situation.
In der dritten Klasse, das weiss ich noch, hab ich für eine Klassenreise abgesagt mit den Worten «Nein, ich kann nicht mitkommen, weil wir ziehen dann wieder nach Amerika». Irgendwann war ich dann in der Sek und musste mir überlegen was ich mache möchte, denn es sah dann plötzlich so aus, als würden wir doch nicht nach Amerika ziehen (lacht). In der Sek war ich noch einer der besseren Schüler und so dachte ich: «Gut, dann gehe ich in die Kanti.» In der Sek habe ich schon meinen ersten Film gemacht. Wir mussten in Biologie eine Schlange beaufsichtigen und ich habe gefilmt, wie sie eine Maus frisst und sie das erste Mal verdaut. Ich habe dann Ninian Green kennengelernt, mit dem ich auch meinen ersten Film machte und der ein guter Freund von mir wurde. Wir waren in der Kanti zusammen in derselben Klasse.
Warst du ein guter Schüler?
Ich habe für jeden Vortrag, den ich machen musste, einen Film gedreht, um meine Note aufzubessern, weil ich in der Kanti zu den schlechteren Schülern gehörte. Ich habe halt immer Kurzfilme gedreht und nächtelang Filme geschnitten. Die Schule war mir egal. Und nach der Kanti haben Ninian und ich uns dann gedacht: «Jetzt machen wir mal endlich einen Spielfilm. Kurzfilme interessieren sowieso niemanden.» Wir planten ein Zwischenjahr zu machen und den Film dann in einem kleinen Kino oder so zu zeigen. Aus diesem einen Jahr sind zwei geworden. Aus diesem «den Film in einem Kino zeigen» ergaben sich zwei Nominationen für den Schweizer Filmpreis, also den Schweizer Oscar. Für zwei Laien. Und das war für uns schon sehr motivierend. Ninian war unterdessen auch schon so angefressen, dass er an die Filmschule in Zürich gegangen ist. Ich war dann für drei Monate in Amerika, habe die Filmschule dort aber nach drei Tagen wieder abgebrochen. Ich habe nichts gegen Schulen, aber ich habe zu lange schon zu viel selbst gemacht, so dass es für mich nicht mehr so interessant war. Ich musste nicht mehr in die Schule, um zu lernen, wie ein 35mm-Film funktioniert, diese Zeiten sind vorbei. Eine neue Generation von Filmemachern ist da. Heute haben wir die Möglichkeit eine relativ gute Kamera für wenig Geld zu erhalten, Nachbearbeitung und Schnitt sind mit einem ebenfalls problemlos erhältlichen Programm zu meistern. Hätte ich diese Möglichkeiten nicht, wäre ich vielleicht schon noch an eine Filmhochschule gegangen. Jedenfalls habe ich die Schule in L.A. abgebrochen und dann kam Millius auf mich zu und jetzt sind wir da und ich bereue absolut nichts (lacht).
Wie kam es zu «Himmelfahrtskommando»? Wie bist du auf das Material gestossen?
Stefan Millius kam vor vier Jahren auf mich zu, nachdem er meinen ersten Kinofilm «ZuFallBringen» gesehen hatte. Er kam mit dem Entwurf einer Novelle und fragte, ob ich diese Geschichte vielleicht verfilmen möchte. Friedrich Dürrenmatt ist mein Lieblingsautor und Stefans Story hat mich stark an Dürrenmatt erinnert, von der Thematik wie auch vom Schreibstil her, deshalb war ich sofort dabei und sagte ihm zu.
Wie war die Zusammenarbeit am Drehbuch mit Stefan Millius? Schliesslich war die Geschichte ursprünglich sein «Baby» und der Film deins.
Das Buch war zu jenem Zeitpunkt noch eher ein Entwurf und Stefan sagte mir «Nimm das und mach damit, was Du willst». Ich habe dann an der Struktur der Handlung gerüttelt. Im Roman ist die Geschichte chronologisch erzählt und ich habe dieses Konzept über den Haufen geworfen und mich für fünf Figuren entschieden, aus deren Sicht ich die Story erzählen wollte. Irgendwann hatte ich dann diese neue Struktur, aber noch keinen Dialog. Nur Beschreibungen darüber, was geredet wird und wann die Stimmungswechsel passieren. So kleine Anweisungen, für Stefan, damit er dann die Dialoge schreiben konnte. Er hat meiner ganzen Form und Struktur Leben eingehaucht.
«Das Buch war erst eher ein Entwurf und ich habe dann an der Struktur der Handlung gerüttelt.»
Dieses Mal gab es also ausgeschriebene Dialoge, ganz im Gegensatz zu Deinem Erstling «ZuFallBringen».
Genau, damals bei «ZuFallBringen» war nämlich alles improvisiert. Wir hatten schon auch einige Dialoge, aber schlussendlich wurde dann frei improvisiert. Und beim «Himmelfahrtskommando“ hatten wir die Dialoge auf Hochdeutsch niedergeschrieben, so dass die einzelnen Schauspieler ihre Sätze selbst im Dialekt interpretieren konnten wie sie es wollten. Wir haben zudem vor Drehbeginn eine ganze Woche lang geprobt, die Szenen mit allen Beteiligten durchgespielt. Und haben dann recht schnell gemerkt, wo wir noch anpassen mussten und wo es so völlig okay war. Wir waren dadurch aber sehr gut auf den Dreh vorbereitet, was die Dialoge und Figuren betrifft. Sonst wäre es auch nicht möglich gewesen, die Dreharbeiten in nur drei Wochen durchzuziehen. Es hatte dann natürlich immer noch Platz für Improvisationen, aber es ist sehr hilfreich, wenn ein gewisses Fundament bereits erarbeitet worden ist.
Wo genau habt ihr da eigentlich gedreht? Gottlingen ist ja nur ein fiktives Dörfchen.
Mühlehorn am Walensee und Filzbach dienten als Gottlingen. Das sind zwei Dörfer, die nahe beieinander liegen und die wir für die Dreharbeiten nutzen konnten. Und – das klingt jetzt vielleicht gemein – die Gemeinden wurden zum Glück zusammengeschlossen. Mühlehorn ist keine eigene Gemeinde mehr, viele Bewohner sind weggezogen, wodurch wir ein sehr grosses Filmstudio für uns nutzen konnten. Viele Häuser standen nämlich leer und wir konnten sogar ein Gefängnis in eins der Häuser hineinbauen. Wir bekamen ausserdem grosse Unterstützung vom Ex-Gemeindepräsident Willy Kamm, der alles für uns in Bewegung setzte, damit wir das Dorf für drei Wochen belagern konnten.
Du hast vorhin erwähnt, dass «Himmelfahrtskommando» nicht chronologisch erzählt wird, sondern in Episodenform - ähnlich wie Dein Erstling «ZuFallBringen». Warum wählst Du diese Erzählweise?
Ich wähle diese Erzählweise nicht bewusst als mein Markenzeichen (lacht). Alle reden zwar jetzt über diese Verschiebungen in der Erzählung und die daraus resultierenden Parallelen zu Tarantino. Aber so werden bereits sehr viele Filme erzählt, es handelt sich eigentlich fast schon um ein eigenes Genre, wie ich das sehe. Nun habe ich gerade zwei Filme nacheinander gedreht, bei denen das vorkommt. Bei «ZuFallBringen» gibt es vier Geschichten, die parallel erzählt werden und es wird immer hin und her gewechselt. «Himmelfahrtskommando» wird nun gar mit «Pulp Fiction» verglichen, was meiner Meinung nach sowieso völlig irre ist und eine enorm grosse Ehre für mich. Die Verschiebung ist dort bei «Pulp Fiction» aber genaugenommen eine andere. Ich habe sie hier beim «Himmelfahrtskommando“ sehr strikt gehalten und mir selber Regeln auferlegt. Regeln wie, ich erzähle die Geschichte bewusst aus der Perspektive der Nebenfiguren und nicht aus der Sicht der Hauptcharaktere, um die ganze Sache für mich selbst zu erschweren und mich dadurch herauszufordern bei der Erzählung der Geschichte. Aus meiner Sicht kann man «Himmelfahrtskommando» viel mehr mit «Sin City» vergleichen, von der Erzählweise. Dort wurde auch ein eigener Kosmos erschaffen, eine eigene Welt, was wir hier auch versucht haben. Niemand kann genau wissen wo und wann das Ganze genau spielt.
Beim «Himmelfahrtskommando» handelt es sich um eine Low-Budget-Produktion. Wie konntest Du das alles auf die Beine stellen und Grössen wie Walter Andreas Müller oder Beat Schlatter dazu gewinnen, mitzumachen?
Was die Leute betrifft, wir haben niemandem eine Gage gezahlt. Walter, der von Anfang an dabei war, sagte nämlich «Ok, ich mache mit und ich brauche keine Gage». Wir dachten, wenn wir ihm nichts zahlen, zahlen wir niemandem etwas. Frei nach dem Motto «Take it or leave it». Ich bin, so glaube ich, relativ gut darin Begeisterung auszustrahlen und die Leute zu motivieren. Und je mehr Leute dazugekommen sind, desto einfacher wurde es, wieder neue Personen für das Projekt zu gewinnen. Ähnlich wie bei einem Zug, der langsam abfährt und immer mehr Menschen drauf springen. Aber klar, wir brauchten auch Geld für die Unterkunft, das Benzin und so weiter, ganz ohne Geld geht natürlich gar nichts. Wir machten auch Flyer und boten den Menschen an, für 200.- CHF im Abspann genannt zu werden.
Also eine Form von Crowdfunding.Ja, genau richtig. Ich habe damals noch gar nicht gewusst, dass es dafür eigene Internetseiten gibt. Wir haben es damals über unsere eigenen Videos kommuniziert und so die Leute darauf aufmerksam gemacht, wodurch einige tausend Franken zusammenkamen. Dann hat auch die Stadt St. Gallen und der Kanton St. Gallen sowie der Kanton Glarus uns unterstützt, wie auch einige Firmen. Wir haben überall Geld zusammengesammelt, wo es möglich war.
«Ich habe zuvor nie mit Profis gearbeitet. Das Talent ist sichtbar und sie können dir verschiedene Facetten anbieten. Als Regisseur brauchst du dich dann nur noch zu bedienen.»
Denkst du, es war einfacher mit den Schauspielern zu drehen, weil sie aufgrund der eigenen Motivation an Bord waren und nicht wegen Gagen?
Ich habe zuvor fast nie mit Profis gearbeitet. Bei meinem ersten Film drehte ich mit meinen Freunden und die waren keine richtigen Schauspieler. Es brauchte deshalb einfach mehr Anweisungen, bis ich sie dazu bringen konnte, die Rollen richtig zu interpretieren. Und bei den Profis ist von Anfang an das Talent sichtbar. Sie können dir dann auch verschiedene Versionen anbieten und unterschiedliche Facetten je nach Stimmung präsentieren. Als Regisseur kannst du dich dann einfach bedienen. Ein wenig von dem und ein wenig von diesem da und dann fügst du es zusammen. Es war für mich ein Traum, so arbeiten zu dürfen. Ich habe wirklich gemerkt, dass die Leute freiwillig da waren und es herrschte deshalb auch ein riesiger Zusammenhalt zwischen der Crew und den Schauspielern. Das sagt man zwar immer bei Filmen, aber hier hab ich das wirklich gespürt. Und es wieder gemerkt an der Premiere. Da waren Leute, die ich zwei Jahre nicht gesehen hatte, und es war sehr schön sie wieder zu sehen.
Und wie Du es auch bereits vorhin erwähnt hast, besitzt «Himmelfahrtskommando» einige Parallelen zu Tarantinos Werken, sei es die Musik, der Splatter-Spass gegen Schluss, aber auch die «Cheeseburger» Dialoge…
Was meinst Du mit dem? Das ist ein geiles Wort, «Cheeseburger-Dialog».
Das hab ich gerade für die Kritik zu «Himmelfahrtskommando» erfunden. Wenn John Travolta und Samuel L. Jackson dort in «Pulp Fiction» im Auto sitzen und über den Cheeseburger Royal philosophieren, dann ist das der „Cheeseburger Dialog“.
Ah, von Pulp Fiction, ja klar. Das ist vielfach einfach Stefan Millius’ Werk. Ich denke, die Dialoge passen schon ziemlich gut hinein. Dafür werden wir nun aber auch sehr kritisiert, von wegen «billige Scheissdialoge», aber ich habe halt einfach eine grosse Freude an denen. Es gibt viele coole Sprüche und Taglines.
Ja, sobald klar ist, dass der Film irgendwie von Tarantino inspiriert wurde, ist es auch klar, wie die Sprüche und Dialoge zu verstehen sind.
Freut mich, dass du das sagst. Viele junge Leute kennen Schauspieler wie eben Walter Andreas Müller und Beat Schlatter nicht mehr oder denken: «Ah ja, das ist doch der von der Media-Markt-Werbung» oben beim Schlatter: «Das ist doch der von der Ricardo-Werbung.» Und die Leute, die die Schauspieler noch von früher kennen, die finden diese Szenen vielleicht noch lässig, à la «Schau mal, wie der Müller und Schlatter zusammen reden». Der Film tarnt sich als Komödie und je absurder, perverser und komischer er wird, desto auflösender ist er. Und ich hoffe, dass durch die Erzählweise die Leute, die hässig sind und den Film nicht toll finden, dazu gezwungen sind, sich auch die Fick-Szene im Golf oder das grosse Finale anzusehen, also bis zum Schluss im Kino zu bleiben, um zu erfahren, was passiert ist. Ich habe auch erwartet, dass einige vielleicht «Himmelfahrtskommando» nicht gut finden. Eine Person sagte mir nach einer Premiere, «erste Hälfte so (hält Daumen nach oben) und zweite Hälfte so (hält Daumen nach unten) - fuck off». Ich dachte, der schlägt mich noch. (Lacht).
Aber um nochmals auf die Frage zu kommen, Du hast Dich schon auch offensichtlich von Tarantino beeinflussen lassen. Könnte man ihn als Dein Idol bezeichnen?
Einige der Gründe, warum ich Filme mache, sind Guy Ritchie, Quentin Tarantino, die Coen-Brüder. Ich habe den Darstellern unter anderem «Burn after Reading» gezeigt, um zu zeigen, wie die Figuren gespielt werden sollen. Hast Du den gesehen?
Ja, habe ich gesehen.
Diese Filme von Guy Ritchie, den Coens, Rodriguez oder eben Tarantino sind meine Lieblingsfilme. Ich möchte die Filme machen, die ich selber auch im Kino sehen möchte. Ich hatte jetzt auch Angst als «Django Unchained» herausgekommen ist, da im Vorspann der Titel mit Westernmusik und roter Schrift eingeblendet wird. Ich dachte: «Scheisse». Den Entwurf hatten wir schon letzten Sommer, dadurch habe ich bewiesen, dass es nicht kopiert ist. Aber es ist natürlich auch wunderschön, wenn man dann so verglichen wird, ohne dass gesagt wird, man hätte davon geklaut oder es kopiert. Auch wenn wir noch weit davon entfernt sind und nicht im Geringsten an dieses Niveau herankommen. Und eben, Tarantino hatte seine Einflüsse und ich bin wiederum von Tarantino beeinflusst. Ich denke das geht immer so weiter, dass der eine Künstler die jüngeren nach vorne bringt, dass man etwas von dem nimmt, was einem gefällt und etwas Neues daraus macht, es neu interpretiert.
Als Inspirationsquelle. Ich habe es, ehrlich gesagt, eher so als Hommage an Tarantino empfunden.
Dankeschön, danke vielmals. Eine Hommage an Rodriguez, die bei «Himmelfahrtskommando» vorkommt, ist, wo sie die Gitarre kaputtschlagen und dann drei Waffen darin enhalten sind. «Box Office» hat zu «Himmelfahrtskommando» gemeint, dass der Film in seinen schwächsten Momenten an eine Trash-Perle erinnert. Und das ist für mich …
… immer noch gut.
Ja, immer noch gut (lacht). Immer noch ein Kompliment, weil ich habe das so auch bewusst gefördert, dort wo es wirklich fast schon billig wird im Film. Die Kamerafahrt wird dann auf einmal wackelig. Das erste Mal wackelt die Kamera, als der Russe gegen Ende aufwacht und herumtorkelt, dort bricht es und dort bricht auch bewusst der Stil.
Und wie ging das alles eigentlich mit den Explosionen? Habt ihr da auf Special Effects gesetzt oder wie habt ihr das gemacht?
Nein, die erste ist 100% echt.
Die erste ist echt? Im Ernst?
Ich schwöre, ich schwöre (lacht).
Ok (lacht).
Die ist wirklich echt. Da wurde nichts gebastelt.
Die Sekte, die singt und weisse Gewänder anhat - sie hat mich stark an die «Slow down and take it easy»-Kampagne erinnert. War das Absicht?
Nein, schon nicht. Im Buch ist es eine finnische Sekte mit schwarzen Gewändern. Sie glauben an einen Raben und wirken sehr, sehr böse.
Also ein wenig satanistisch.
Genau. Und was ich auf keinen Fall wollte, war, die Religion/Sekte zu thematisieren.
Sie durften also nicht zu böse sein, da sie schlussendlich nur als Katalysator dienen.
Genau. Sie hätten auch eine Basketballmanschaft sein können. Und je sympathischer sie sind, desto besser. Ich habe auch relativ lange gebraucht, um die Gruppe zusammenzusetzen. Ich wusste, dass derjenige, der die Lieder singt, ihr Anführer sein würde. Das ist ein guter Kollege von mir, er hat eine Band und wir haben auch zusammen die Lieder geschrieben. Und dann fing ich an, ausgehend von ihm, die anderen Sektenmitglieder auszuwählen, respektive zu casten. Kein Mitglied durfte zu fest herausstechen, sie mussten sich irgendwodurch auch gleichen, weil sie schon so als Gruppe, als Team, die Sekte quasi als ein grosses Individuum, darstellen sollten. Dass sie nun denjenigen von «Slow Down» gleichen ist Zufall, ich habe nie daran gedacht, oder falls doch, dann nur unterbewusst.
Wie war das jetzt noch mit dem Schreiben der Lieder? Habt ihr das zusammen getan oder wie lief da die Zusammenarbeit?
Fabio Chindamo war für die Musik verantwortlich und hat alles gemacht, ausser die Lieder, bei denen sie extra doof, extra übertrieben wirken müssten, diese hat er dann zusammen mit mir abgesprochen. Danach haben sie zu zweit, also Fabio und mein Kollege, der den Sektenanführer mimte, die Lieder entstehen lassen. Es war sehr schön zu sehen, wie diese zwei Künstler so zusammengekommen sind und Lieder komponierten. Ich habe dabei nicht viel gemacht - ich bin sehr unmusikalisch, spiele kein Instrument oder so. Aber wir mussten dann die Lieder noch alle zusammen super einsingen und aufnehmen, damit sie für den Dreh parat waren, weil dort haben wir dann alles mit Playback gedreht. Wie bei einem Musikvideo. Aber ja, die Lieder haben wir speziell für den Film gemacht.
«Sobald ich weiss, dass jemand etwas besser kann als ich, muss er oder sie das machen. Man darf sich selbst als Filmemacher nie über den Film stellen.»
Du warst beim «Himmelfahrtskommando» sowohl bei der Regie als auch am Drehbuch und beim Schnitt dabei. Wie wichtig ist es Dir als Filmemacher überall mitzumischen? Oder war es eine Low-Budget-Notwenigkeit, so viele Funktionen wie möglich selbst zu übernehmen?
Sobald ich weiss, dass jemand etwas besser kann als ich, muss er oder sie das machen. Man darf sich selbst als Filmemacher nie über den Film stellen. Wichtig ist, was das Beste für den Film, für das Projekt, ist. Dieses Mal war es auch das erste Mal, dass ich die Kamera nicht selbst übernommen habe. Mittlerweile bin ich darüber sehr froh, aber am Anfang war es ein wenig komisch, im Sinn von: «Nein, ich will auch die Kamera halten» und so weiter. Aber als Regisseur merkst du dann, dass es deine Aufgabe ist, all die Talente, die du hast, zusammenzufügen und zu einem zu machen, das ist mein wichtigster Job, abgesehen davon die Schauspieler zu führen. Was an und für sich einfacher ist als die Leute zusammenzuführen, damit alle zufrieden sind. Aber eben, ich fühle mich im Schreiben sehr wohl, ich habe das Gefühl, dass ich das kann, im Regie führen fühle ich mich ebenfalls sehr wohl und im Schnitt hab ich irgendwie das Gefühl, ich würde meinen Film betrügen, wenn ich nicht selbst schneiden würde. Ich kann niemandem den Job überlassen, den richtigen Take auszuwählen. Man kann nämlich alles komplett verändern.
Wie meinst du das?
Es ist ähnlich wie beim Schreiben. Ich kann die Figuren kreieren, wenn ich sie schreibe, spiele quasi Gott beim Schreiben und das bin ich beim Schnitt dann noch mal. Du kannst genau eine Sekunde länger warten und es ist nicht mehr lustig, du kannst den Schauspieler so oder so zeigen, es ist abartig wie viel dort noch möglich ist. Aber ja, ich würde den Job ach so gerne abgeben, weil es mich schlaflose Nächte kostet und die Gesundheit mit dem Rauchen und den Red Bulls, aber ich kann den Schnitt noch nicht abgeben. Das sind halt jetzt meine drei Bereiche und den Rest kann ich gut abgeben. Mit der Kostümbildnerin war es lustig. Mit ihr war ich in Amerika in der Spielgruppe und jetzt ist sie nach über 20 Jahren zurück in die Schweiz gekommen und wir arbeiten wieder zusammen, also jetzt arbeiten wir eigentlich erst richtig zusammen. Dann Vanessa Werder, die an der ETH Architektur studiert und Richtung Produktion Design, also Setdesign, gehen will und zu der ich auch absolutes Vertrauen habe. Und der Kameramann, der super gewesen ist, der mich auch ein wenig heruntergeholt hat von der Wackelkamera, so hatten wir eine ruhige cineastische Kameraführung. Und ich, mit meinem nervösen Schnitt, das findet sich dann doch gut zusammen. Es gibt halt so Bereiche, bei denen ich dazugehöre, die ich brauche, und den Rest gebe ich gerne ab.
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