Kulturwerkstatt: Techno: «Wir hörten erst sehr viele Neins»
Während 12 Monaten haben sich Boran Ece und Shqipe Sylejmani intensiv mit Techno beschäftigt. Beide hatten schon vorher eine Faible für die elektronische Musik, die «Kulturwerkstatt: Techno» sollte das Genre jedoch generationsübergreifend in die Kultur integrieren. Von Rome & Julia über Ballett bis zum Chor. Am 24. August hat mit einer Abendveranstaltung in Pratteln die erste «Kulturwerkstatt: Techno» ein Ende gefunden. Wir haben Boran und Shqipe zu Eindrücken, Vorturteilen sowie Schwierigkeiten befragt.
Am 24. August hat die erste «Kulturwerkstatt: Techno» mit verschiedenen Interpretationen bzw. Aufführungen geendet. Wie war der Abend für euch?
Ganz ehrlich: wir waren total angespannt. Einen solchen Event hatte es so noch nie gegeben und wir waren uns nicht sicher, wie unsere Kunst ankommen würde. Diese Anspannung ist aber bereits nach der ersten Minute abgeklungen, als die ersten Künstler bereits auf der Bühne gefeiert wurden.
Wie war das Feedback der beteiligen Künstlerinnen und Künstler?
Für die Künstler waren die letzten Monate besonders schwer, denn unsere Vision war nicht einfach umzusetzen. Nach den Auftritten hörten wir von allen Seiten, wie befreiend diese Neuinterpretierung der Kunst war.
Wie war das Echo beim Publikum im Saal?
Viel Applaus und erstaunte Gesichter! Am meisten freute uns, als bei einigen bekannteren Liedern die Hände in die Luft gingen und die Leute «abgingen»! Es war schön zu sehen, wie offen unsere Gäste diese Kunst feierten.
Wo waren für euch die grössten Hürden innerhalb der gesamten Laufzeit des Projektes?
Den Gesang in eine elektronische Melodie einzufügen ist sehr einfach – umgekehrt war es jedoch eine rechte Herausforderung. Wir hatten aber tolle Akteure, die sich nicht scheuten, diese Grenze zu sprengen und «out of the box» zu agieren. Das war auch für uns sehr erfrischend.
Welche Punkte oder Situationen hätte ihr im Vorfeld nicht erwartet?
Wir wussten, dass die Idee von Kultur und Techno sehr visionär ist und beide Lager Mühe mit der Vorstellung einer Kollaboration hätten. Hier mussten wir viel Vorarbeit leisten.
Wie seid ihr mit der Idee an die Vereine und Institutionen, die teilgenommen haben, herangetreten? Wie waren die ersten Reaktionen?
Wir hörten zuerst sehr viele «Neins» oder «das wird nicht klappen». Doch wir waren von Anfang an absolut überzeugt von der Idee und haben für alle Kunstarten Möglichkeiten zur Umsetzung erstellt. Diese Ideen überzeugten schlussendlich. Glücklicherweise trafen wir auch auf sehr viele Menschen, wie die Initiantin Andrea Sulzer, die uns bei diesem etwas «verrückten» Vorhaben vollumfänglich unterstützten.
Wie stark wart ihr an der Entwicklung der Beiträge beteiligt?
Boran Ece hat für alle Beiträge die Musik zum Teil selbst komponiert, zum Teil zusammengestellt. Er war auch bei allen Teilprojekten aktiv involviert. Shqipe Sylejmani kümmerte sich um die kreative Art der Umsetzung. Von ihr stammt die Idee zu Romeo und Julia als Theaterstück in der Moderne, gleichzeitig träumte die Regisseurin Caroline Pfäffli von genau dieser Interpretation. So waren wir in allen Projekten aktiv mit dabei.
Habt ihr für die Inszenierungen schon bestehende Techno-Songs verwendet oder selbst Songs geschrieben?
Die gespielte Musik ist teilweise von Boran Ece, der selbst ja auch Techno DJ ist, komponiert worden. Bei einigen Beiträgen hat er bekannte Titel zusammengemixt. Jeder Ton in der ganzen Aufführung wurde von ihm selbst abgesegnet.
Wie schnell war die Richtung der «Werkstatt: Techno» klar?
Wir hatten zuerst nur die Vorgabe, Technomusik mit einem Chor zusammenzubringen. Beim Gespräch kamen uns immer mehr Kunstarten und Interpretationen in den Sinn. An einem Abend sind so plötzlich aus einem Projekt sechs oder sieben geworden. Von denen haben wir schlussendlich fünf umgesetzt. Der Begriff «Werkstatt» war genau an diesem Abend geboren, da wir uns als kreative Handwerker sahen.
Gab es Ideen, egal ob von euch oder von teilnehmenden Leuten, die nicht umgesetzt werden konnten?
Wir hatten die Idee, Basler Fasnachts-Gesänge, so genannte «Schnitzelbängg», vom berühmten Schweizer Autor Markus Ramseier zu Technobeats vortragen zu lassen. Leider konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht am Projekt teilnehmen.
Für das Theaterstück hatten wir eine Szene im Technoclub und brauchten noch Statisten, die in der Szene mittanzen würden. Wir waren gerührt, als sich die Teilnehmer des Chors, wo der Altersdurchschnitt bei über 50 Jahren liegt, freiwillig meldeten.
Wie regelmässig habt ihr über die 12 Monate hinweg mit den verschiedenen Gruppen gearbeitet?
Sehr regelmässig! Es war uns sehr wichtig, die einzelnen Projekte nahe zu begleiten und ihnen Inputs geben zu können. Die Entwicklung von der Idee an mitzuverfolgen war fast das Besondere am Projekt. Von den Teilprojekten entwickelten sich sogar neue Kollaborationen, wie mit dem Orchester, das bereits im April 2019 einen Auftritt mit Boran am DJ Pult hatte.
Habt ihr dabei Veränderungen bei den Teilnehmern bemerkt?
Unsere Grundidee für das Projekt war, den Leuten etwas Fremdes näher zu bringen und zu zeigen, dass so etwas Inspirierendes entstehen kann. Und für unsere Teilnehmer war Technomusik etwas völlig Fremdes! Auch, da die Teilnehmer zwischen 6 und 74 Jahren waren – also alles querbeet. Für das Theaterstück hatten wir eine Szene im Technoclub und brauchten noch Statisten, die in der Szene mittanzen würden. Wir waren gerührt, als sich die Teilnehmer des Chors, wo der Altersdurchschnitt bei über 50 Jahren liegt, freiwillig meldeten.
Techno kämpft immer noch etwas mit Vorurteilen. Wie stark waren diese Vorurteile euch im Weg? Stichwort: Sponsorensuche.
Wir haben versucht, den kulturellen Aspekt der Technomusik und dessen geschichtlichen Hintergrund hervorzuheben. Viele wussten nicht, dass Technomusik für die Freiheitsbewegung stand, oder dass während der Zeit der Berliner Mauer, Technoliebhaber Tunnel gruben, um in der Nacht raven zu gehen. Diese Aspekte führten zu sehr tollen Feedbacks und Sponsorings.
Wie fällt euer Fazit zur gesamten «Kulturwerkstatt: Techno» aus?
Für uns war es eine einzigartige Erfahrung und wir hätten niemals mit einem so grandiosen Ergebnis gerechnet. Wir sind sehr stolz auf unsere Künstler, die offen waren, einen noch nie zuvor gegangenen Weg einzuschlagen. Unser Fazit: wir würden es wieder tun! (lachen)
Was zieht ihr für euch persönlich aus dem gesamten Projekt?
Es war eine sehr bereichernde Erfahrung, die uns zeigte, das Thema ist sehr aktuell und Diversität war noch nie so wichtig wie heute. Daher möchten wir die Kulturwerkstatt auf jeden Fall weiterführen.
Was würdet ihr für eine zweite «Kulturwerkstatt: Techno» anders machen?
Es sind viele Kleinigkeiten, die wir nun aus der Erfahrung heraus anders machen können. Was wir sicherlich beibehalten ist unser Team: wir wurden von den Besten Freunden und Kollegen auf, hinter und vor der Bühne unterstützt!
Und zum Schluss, gibt es schon Pläne für eine zweite «Kulturwerkstatt»?
Der eigentliche Gedanke war, diesen Event einmalig durchzuführen. Doch nach den Ergebnissen des Projekts, können wir uns eine weitere «Kulturwerkstatt» sehr gut vorstellen, eventuell auch in einer anderen Stadt. Oder Gegenfrage: Ist Zürich denn bereit für eine «Kulturwerkstatt: Techno»?
* Wer mehr über das Projekt «Kulturwerkstatt: Techno» erfahren möchte, findet Infos auf der Projekt-Website.
Das Interview wurde schriftlich geführt.