The Dark Side of the Chip

Kunst: Raphael Perret
Bildquelle: 
Bäckstage.ch / © Thomas Hügli

Text von Thomas Hügli

 

R. Roggenmoser von Migros Kulturprozent zitiert eine einfache traurige Formel für die Recyclingindustrie in Indien. «In Indien haben wir das beste Recyclingsystem der Welt - es heisst Armut.»

 

«Die Begierden der Menschen führen dazu, dass ein Markt, der nur ausgerichtet auf die Bedarfsabdeckung, schnell gesättigt ist. Die Sättigung wird aber nie erreicht, wenn das Bestehende in seinem Stil schnell verändert - und somit überflüssig wird.» Paul Manzur, American Prosperity 1928

 

Es war kein Zufall, dass sich Raphael Perret dem Kunstprojekt «the dark side of the chip», welches den, für Mensch und Umwelt schädlichen, Verwertungsprozess von Elektroschrott in Indien thematisiert, widmete. Die Swico-Recycling, der Schweizerische Wirtschaftsverband der Anbieter von Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik, suchte ein Kunstobjekt anlässlich ihres 15-jährigen Jubiläums. Raphael Perret‘s Vorschlag war ein «Elektroschrott Mandala», das gelegt, zusammengewischt und dem Abfallstrom übergeben wird. Es wurde abgelehnt, da etwas mehr Beständigkeit der Kunst gefragt war.

 

Yantra als Kontrastpunkt 

 

Die Idee wurde jedoch weiterverfolgt. Bei einem Rechercheaufenthalt in Indien, beeindruckte vor allem das informelle, hoch organisierte Recyclingnetzwerk, welches einen Auflösungsprozess von PC‘s vollzieht und dem Zusammenbau in China diametral gegenüber steht. Im Verlauf einer weiteren Reise entstanden Videoaufnahmen dieser Industrie und ihrer Menschen. Es formte sich die Idee für eine raumgreifende Schrottinstallation und ein Buch, «machines of desire».

 

Weitere Recherchen brachten Schlüsselerlebnisse, dazu gehört die Erkenntnis, dass vor ca. 100 Jahren die amerikanische Wirtschaft, mit Hilfe von, auf die menschliche Psychologie, abgestimmten Verkaufsmethoden, einen Wechsel von der bedarfsgerechten Konsummentalität, zum ständigen Begehren neuer Dinge herbeiführte. Als Kontrapunkt erwies sich dagegen die Entdeckung des tanritschen Smara-hara Yantra, dem Instrument zur Befreiung von Begehren. Ein indisches Symbol für die komplett gegensätzliche Funktion zu Werbung. 

 

Raphael Perret hat sein Projekt realisiert und Kunst geschaffen, mit der er zeigt, welches Erbe wir diesen Ländern mit unserem Müll hinterlassen. Das regt zum Nachdenken an und kann zur Verzweiflung führen. Wir können nicht aufhören hinzuschauen, auch wenn es weh tut. Raphael Perret macht Platz für differenzierte Einsichten und nennt ein Fazit: «Der individuelle Einfluss auf die Lebenswelt beschränkt sich nicht nur auf Dinge, welche wir tun, sondern beinhaltet auch alles, was wir nicht tun.»

 

  • Raphael Perret, Arbeiten über das Elektroschrottrecycling in Dehli, Indien
  • Kunsthof 5, Zwinglistrasse 5, 8004 Zürich
  • Finissage, Sa. 31.01.2015, 13 - 17H
Bäckstage Redaktion / Do, 29. Jan 2015