Wir sind schwer über das Ziel hinausgeschossen!

Interview mit Turntablerocker
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Die Turntablerocker gastierten im Januar für ein DJ-Set im Berner Club Rondel. Turntablerocker bestehen aus den beiden DJs Michi Beck, der hauptsächlich für sein Engagement bei den Fantastischen Vier bekannt ist, und Thomas Burchia, der als DJ Thomilla die Clubs rockt. Sie trafen sich vor ihrem Auftritt mit uns für ein Interview in der Bar des Schweizerhofs und erzählten ausgiebig über die Vergangenheit der Turntablerocker und gaben auch die Zukunftspläne der Fantastischen Vier preis, die in diesem Jahr das 25. Jubiläum feiern. 

 

Habt ihr das Zimmer 303 im Schweizerhof bekommen?

 

Michi Beck: Nein, da die Organisatoren versehentlich das Zimmer von morgen auf übermorgen gebucht haben, hatten wir Glück, dass wir überhaupt noch zwei Zimmer gekriegt haben – diese sind zwar wunderbar, aber leider nicht die 303.  

DJ Thomilla: Und wenn wir die 303 bekommen hätten, hätte es Streit darum gegeben, wer von uns in das Zimmer darf. 

Michi Beck: Deshalb vermeiden wir immer die 303, da wir auf keinen Fall ein Zimmer teilen wollen. Vielleicht mieten wir dieses Zimmer in Zukunft zusätzlich als After-Hour-Suite.  

Thomilla: Oder wir mieten es und keiner geht rein.  

Ihr seid ja viel unterwegs und oft in Hotels, ist es euch schon mal passiert, dass jemand seine Sachen auf euer Zimmer hat aufschreiben lassen? Oder wie seid ihr auf diesen Inhalt des Songs gekommen?

 

MB: Das hat sich durch die Doppeldeutigkeit dieser Zahl ergeben, die sich einfach nach Hotelzimmer anhört, aber auch die klassische Elektro-Effektmaschine ist. Und irgendwie kam das dann mit der 303. Aber tatsächlich ist es eher ein Wirrwarr und Gedankenmischmasch von verschiedensten Erlebnissen aus unserer Karriere. Wir haben jetzt nicht unbedingt einen Hang, dieses Zimmer zu nehmen und es war auch nie das Zimmer, bei dem die After-Hour gefeiert wurde. Es ist halt einfach das Wortspiel mit der klassischen Acid-Maschine, dem Roland TB-303, und Hotelzimmernummern, die wir bei verschiedensten Erlebnissen hatten.

 

 

Das Hallenstadion Zürich ist auf jeden Fall für die Jubiläumstour der Fantastischen Vier geplant.

 

 

Ihr seid sehr oft in der Schweiz und hier auch immer gern gesehen. Wie unterscheiden sich die Clubgänger in der Schweiz von denen in Deutschland?

 

MB: Sie unterscheiden sich nicht wirklich. Aber wir sind tatsächlich relativ oft hier, sowohl mit den Fantastischen Vier als auch als Turntablerocker, wenn man schaut, dass es eher ein kleineres Land ist. Ich habe letztens die Schweiz schon mal als zweites Wohnzimmer bezeichnet und es verbindet uns auch sehr viel. Vor allem mit Zürich hatte ich schon lange einen ganz besonderen Bezug, da ich dort viele Leute kenne und auch eine Freundin von dort hatte. Zürich ist auch nicht allzu weit von unserer Heimatstadt Stuttgart entfernt. Zürich kann man als unsere Einstiegsdroge zur Schweiz bezeichnen, aber mittlerweile werden wir für oft Festivals und Auftritte überall in der Schweiz gebucht und wir sind auch sehr gerne hier, da die Schweiz ein schönes Gastgeberland ist.

 

T: Der Durchschnitt der Parties ist auch immer überdurchschnittlich gut! Das hängt sicherlich mit der Grösse zusammen. In Deutschland spielen wir in viel mehr Städten im Gegensatz zur Schweiz. Hier beschränkt es sich auf Zürich, Basel und Bern – und da war bisher jede Party gut. Wenn man dann Deutschland anschaut, wo wir den Rest des Jahres spielen, so sind Schweizer Parties im Durchschnitt besser. 

Habt ihr besondere Erinnerungen an Auftritte in der Schweiz?

 

MB: Keine bemerkenswerte After-Hour Party in einem Zimmer 303, zumindest nicht, dass ich mich erinnern könnte. Ich könnte jetzt also keine kuriose Wahnsinnsgeschichte erzählen. Aber das Ding ist, dass im Schnitt die Qualität der Parties, des Drumherums, die Gastgeber und Veranstalter dazu führen, dass wir uns wohl hier fühlen und immer wieder gerne kommen. 

T: Auftritte in der Schweiz kann man auch öfters mit Ski fahren kombinieren, da die Berge so nah sind, das Essen ist gut, die Frauen sind schön und wir haben heute auch einen Schweizer Wein getrunken, der sehr gut schmeckte. Wir sind hier also rundum zufrieden.  

Als ihr die Turntablerocker gegründet habt, wolltet ihr tanzbaren Hip Hop sowie Soul und RnB in die Clublandschaft einführen. Seid ihr am Ziel angekommen?

 

T: Schwer darüber hinausgeschossen!

 

MB: Wir haben das ja nicht wirklich geplant. Wir waren relativ früh dran mit so einem Mix aus 90ies, RnB und vor allem Eastcoast Hip-Hop. Anfang der Neunziger sind wir erstmals zusammen als DJ-Team aufgetreten und damals waren Hip-Hop-Parties noch sehr jungslastig und sehr verkrampft. Szenig und möglichst cool sein war das Wichtigste. Party stand nicht wirklich im Zentrum. Das war damals so in einem Hip-Hop-Jam-Stadium und wir wollten von jeher die Clubs rocken und auch Girls in den Clubs haben und nicht nur «kapuzentragende heimlich-Whisky-Cola-vor-dem-Club-Trinker», um eine fette Clubnacht zu feiern. Wir waren relativ früh dran mit diesem Sound und darin zwar gute Musik aufzulegen, jedoch nicht engstirnig Hip-Hop. Das hat sehr gut funktioniert und dazu standen wir auch sehr lange, bis wir zehn Jahre später gemerkt haben, dass sich in diesen Hip-Hop-Clubnächten sehr wenig verändert hat und man die Leute immer noch mit den gleichen Hits kriegt wie zehn Jahre zuvor. Selbst wenn man heute noch an Hip-Hop-Nächte geht, sind wohl immer noch über 50% der Tracks jene, die wir auch vor 20 Jahren aufgelegt haben. Deswegen sind wir irgendwann vom Hip-Hop weggekommen.

 

MB: Meine erste Solo-Platte «Hausmarke – Weltweit“ haben wir 1998 auch zusammen produziert und waren damit auf Tour. Ich als MC und Mille (DJ Thomilla) als DJ. Dabei habe ich jedoch gemerkt, dass es nicht so geil ist, als MC und Entertainer auf der Bühne zu stehen. Ich liebe es, mit den anderen drei zusammen auf der Bühne zu stehen und sich die Jokes zuzuspielen. Aber alleine habe ich mich nie richtig wohl gefühlt. Ursprünglich kam ich ja auch als DJ zu den Fantas und habe schnell gemerkt, dass ich etwas ausserhalb der Fantas nur etwas machen möchte, wenn es in Richtung DJ geht. Nach der Tour zu «Hausmarke – Weltweit“ haben wir dann auch beschlossen, wieder als DJ-Team in die Clubs zu gehen und auch so zu produzieren. Die ersten Sachen, die wir für Turntablerocker machten, haben sich wie Hip-Hop-Instrumentals angehört und das wollten wir eigentlich auch nicht. Dann sind wir immer schneller geworden und in einem langen Prozess über zehn Jahre hinweg haben wir uns in Richtung House entwickelt. Nicht zuletzt deswegen, weil wir gemerkt haben, dass man im elektronischen Bereich anders Stimmung erzeugen kann, als durch simples aneinanderreihen von Hits. 

T: Das war jetzt quasi die Biografie der Turntablerocker in einer Antwort!

 

Eure Videos sind immer liebevoll gestaltet. Wie entstehen sie? Sind das von A bis Z eure Ideen?

 

T: Wenn man sich unsere Videos anschaut, so beantwortet sich diese Frage ja schon fast von selbst. Wenn wir da nicht mitreden könnten, so wären die nicht so wie sie sind. Wie Michi bereits ausführlich erzählt hat, war es bei uns immer ein Miteinander. Bei den Videos nahmen wir noch jemanden dazu, der das Handwerk beherrscht, den Zoran Bihac, der alle unsere bisherigen Videos gemacht hat. Zoran kommt mit einer geilen Idee oder einem Thema an und dann wird das zusammen ausgestrickt. Das ist wie einen neuen Song machen oder gemeinsam auflegen. Ein Video funktioniert wie ein Abend im Club – da kommt eine Idee und dann wird zusammen ausgetüftelt und verfeinert. Der Hauptteil ist jedoch bereits auf Zoran Bihacs Mist gewachsen.

 

MB: Der Zoran ist auch auf eine Art zum dritten, visuellen Turntablerocker geworden. Ich denke, das ist auch wichtig, dass man eine geschmackliche Einheit bildet. Es wäre sicher nicht gleich geworden, wenn wir zu jedem Video einen anderen Regisseur genommen hätten. Uns war es immer wichtig, ein Team-Ding zu machen und Zoran hat uns bis zum 303-Video immer begleitet und versteht unseren musikalischen Wahnsinn genau richtig und kann ihn auf visueller Ebene rüberbringen. Wir kennen Zoran auch schon Ewigkeiten und er ging bereits mit mir zur der Schule. Ohne ihn wären die Turntablerocker wohl auch nie zu dem geworden, was sie sind. Und bei den ersten beiden Alben «Classic» und «Smile» war die visuelle Komponente sicher genauso wichtig wie die Musik für den Bekanntheitsgrad.  

«Love Supreme» scheint visuell zwischen spanischem Surrealismus und Jane-Fonda-Arobic-Video zu verschmelzen und gleichzeitig wirkt der Clip wie eine Ode an die Liebe. Wie seht ihr das?

 

MB: Das Stück heisst ja «Love Supreme» und ist somit bereits eine Ode an die Liebe. Der Rest ist dann serbischer Zoran-Wahnsinn, den wir gerne mittragen, wie wir als Babies aus dem Ei schlüpfen und auch die surrealistische Sexszene und so. Da hat es nicht viel Überzeugungsarbeit gebraucht. Das war Zorans Idee und wir haben dann das zusammen durchgestanden. 

 

DJ Thomilla: Wir spielen seit fünf Jahren amateurmässig Golf, aber auf einem sehr niedrigen Level.

 

 

Ihr seid beide neben Turntablerocker sehr aktiv. Wie bringt ihr das alles unter einen Hut?

 

MB: Wir arbeiten eigentlich täglich zusammen und haben in Berlin, wo wir beide leben, auch zusammen ein Studio, in das wir eigentlich jeden Tag gehen und uns treffen. Wir machen momentan sehr viel für die neue Fanta4-Platte, die im Oktober dieses Jahres erscheinen wird. Fast alle Vocal-Aufnahmen werden in diesem Studio aufgenommen und Mille und ich produzieren viel Sound dafür. Das ist momentan auch unser Hauptaugenmerk. Als wir das letzte Turntablerocker-Album gemacht haben, waren wir damit zu 90% ausgelastet und jetzt kümmern wir uns zu 90% um Fanta4. Wir fokussieren uns schon meist auf eine Aufgabe. Es kommt jedoch hinzu, dass wir beschlossen haben weniger aufzulegen. Das kommt wahrscheinlich eher durch mich, da ich auch Familie habe und bei Fanta4 so viel zu tun ist, dass ich nicht die Energie hätte, jedes Wochenende aufzulegen, Turntablerocker-Tracks zu produzieren und ein neues Fanta4-Album aufzunehmen. Da wäre ich auch zu wenig in einem Ding drin. Mit den Turntablerockern spielen wir nun auch nur noch sehr ausgewählte Gigs und arbeiten hauptsächlich für die Fanta4. Wenn das vorbei ist, werden wir schauen, was das nächste Projekt ist.

 

T: Dann wird die Freizeit wieder mehr zusammen verbracht.

 

Ihr verbringt also auch die Freizeit viel zusammen?

 

T: Wir spielen seit fünf Jahren amateurmässig Golf, aber auf einem sehr niedrigen Level. 

MB: Als wir mit dem Golfen angefangen haben, haben wir überallhin die Golfschläger mitgenommen. Da haben wir jedoch schnell gemerkt, dass wir mehr Musiker sind als Golfer, da wir nicht die Geduld und Zeit dazu haben. Das Studio hat uns immer getrieben und dann hatten wir nicht die Ruhe, weshalb wir in den letzten zwei Jahren fast gar nicht gespielt haben. Aber wir sehen uns fast jeden Tag zum Arbeiten.

 

Michi, du bist in diesem Jahr mit den Fanta4 auf Jubiläumstour. In der Schweiz wurde jedoch kein Termin angekündigt.

 

MB: Das hat mich auch gewundert! Das Hallenstadion Zürich ist auf jeden Fall geplant. Ich weiss jedoch das genaue Datum nicht auswendig und kann auch die Gründe nicht nennen, weshalb das bisher nicht angekündigt wurde. Da sind immer irgendwelche politischen und geschäftlichen Argumente dahinter, die ich nicht kenne. Vielleicht irgendwelche Gebietsschutzsachen, dass man später erst ankündigen darf. Ich muss Gott sei Dank nicht selber buchen und mich mit solchen Sachen herumschlagen, aber wir sind auf Tour und werden auch in der Schweiz sein. 

Was sind denn so die Pläne im Fanta4-Jubiläumsjahr?

 

MB: In diesem Sommer spielen wir nur ganz wenig – eigentlich nur exklusiv Rock am Ring und Rock im Park im Juni. Dann haben wir unser 25-jähriges Jubiläum am 7. Juli, das wir leider auch nicht öffentlich feiern können, da an diesem Tag das WM-Halbfinale oder so ist. Ende Februar / Anfang März wird eine erste Single – eine Jubiläumssingle – als Free-Download erscheinen. Das ist quasi ein Geburtstagsgeschenk von uns an die Leute. Dann werden wir eine kuriose Show an der Echo-Verleihung Ende März spielen. Im September wird die zweite Single erscheinen, im Oktober das Album und dann im Winter die Tour. Jetzt muss nur noch das Album fertig werden, denn das ist momentan etwa zu 50% geschrieben. Jetzt müssen wir Gas geben!

 

Wenn die Fantas Jubiläum haben, gehörst du, Thomilla, ja auch dazu. Du produzierst teilweise die Fanta4. «Troy» gibt es als Turntablerocker-Remix. Kann man dich als inoffizielles Mitglied ansehen?

 

T: Als Mitglied nicht, aber als Familienmitglied vielleicht.

 

MB: Das würde ich auch sagen, denn so viel wie wir für die Alben produzieren, nicht nur das kommende, sondern auch bereits die beiden letzten, führt dazu, dass er ein Familienmitglied ist. Fanta4 ist ja vom Namen her bereits auf die Bandmitglieder beschränkt und da kann man niemanden mehr reinnehmen, sonst müsste ja jemand rausfliegen. Aber Familienmitglied ist er auf jeden Fall!

 

T: Mit mir wären es Fanta4 Deluxe!

 

Turntablerocker - «Alles auf die 303»

Hansjürg Stämpfli / Do, 30. Jan 2014