Nach dem inneren Gärtnern folgt bei WE ARE AVA das Aufblühen

Plattentaufe mit WE ARE AVA
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©Til Jentzsch / Instagram: @blickwechsel

Fast drei Jahre ist es her, seit WE ARE AVA ihr Debütalbum «Inner Gardening» veröffentlicht hat. Am 16. August 2024 erschien ihr zweites Album «Radix», das am 20. September 2024 ehrenwürdig in der Grabenhalle in St.Gallen getauft wurde. Wir fanden heraus, was hinter dem Albumtitel steckt.

 

Mit Cossmo stand ein herzlicher Singer-Songwriter als Support Act auf der Bühne und eröffnete den Abend mit Schnappschüssen aus seinem Leben. In seinen Popsongs erzählt er von Liebe, Beziehungen, die schönen Dinge daran und erwähnt auch das Schmerzhafte in den Lyrics. Er bewegte das Publikum zum Mitwippen, Mitsingen und brachte eine positive Stimmung in die Grabenhalle, womit er eine wunderbare Grundlage für einen schönen Abend voll mit guter Musik legte.

 

Nach dem Gärtnern keine Blüten

 

Man könnte meinen, dass auf das Debütalbum von WE ARE AVA, «Inner Gardening», nun das Blühen dieser getanen Arbeit folgt, aber dem ist nicht so, wie Kim erklärt. Beim «Aufblühen» seien sie noch nicht angelangt und hätten während dem Songwriting-Prozess und als die Lieder fertig geschrieben waren, bemerkt, dass das gemeinsame Thema der Songs eher der Wunsch nach Verwurzelung ist. Die Songs auf «Radix» verbindet die fehlende Erdung, die Stabilität und all dem, was aus der inneren Zufriedenheit hervorgeht.

 

Wo andere einige Lieder an Aufwärmen benötigen, waren Andy (Drums), Nicola (Keys / Sax) und Sängerin Kim von der ersten Sekunde präsent im Raum, auf der Bühne und in den Augen des Publikums. Mit dem Stück «Usually» vom ersten Album eröffneten sie das Set und Kim versprühte ihre positive Energie durch die ganze Grabenhalle. Nach einer kurzen Bandvorstellung folgte auch schon das erste Stück vom neuen Album «Don’t Keep Me Guessing», in dem es darum geht, dass man in der Kennenlernphase die Spielchen überspringen kann und gleich zum guten Teil vom Dating übergehen soll. Kein Hinterfragen der Handlungen, sondern klare Kommunikation und die Gewissheit, dass beide dieselben Absichten haben. Wahrscheinlich konnte sich so manch einer mit der Thematik identifizieren und sich in den Text hineinfühlen.

 

WE ARE AVA geniessen ihre Plattentaufe sichtlich. (Fotos: ©Til Jentzsch / Instagram: @blickwechsel)

 

Nach einem weiteren Stück stellte sich Kim zu Nicola auf den Riser und nahm ihre Stimme auf, die bei der Performance von «You» im Hintergrund abgespielt wurde und sie während des Stücks begleitete. «You» erzählt eher vom Loslassen als von einer neuen Beziehung und wie schwierig es ist, über jemanden hinweg zu kommen. Die Zeilen «I hit play on that memo you sent me two months ago, it took me seven seconds till I smiled, wait another four that’s where I cried» bringt das Wechselbad der Gefühle auf den Punkt.

 

Ein Wechsel gab es auch auf der Bühne: Nicola verliess seinen üblichen Platz und kam mit seinem Saxophon für ein beeindruckendes Solo näher an den Bühnenrand. Er erntete dafür wohlverdienten Beifall der gut 170 Besucherinnen und Besucher.

 

Neues Album, neue Choreo, neues Bühnenbild

 

Das Publikum durfte nicht nur Klatschen an diesem Abend, sondern wurde mehrmals aktiv ins Album-Release-Programm involviert. Kim erklärte: «Wir haben das, was jetzt kommt, noch nie ausprobiert und ihr seid ausschlaggebend dafür, ob wir das weiterhin machen werden oder ob es bei diesem einen Mal heute Abend bleibt». Sie lachte und stellte sich mit den beiden Jungs an den Bühnenrand. Die Ava’s haben sich für «Not Another Valentine» eine Choreo ausgedacht, die sie voller Stolz dem Publikum beibrachten. Es wurde brav mitgemacht und die bereits vorhandene lockere Stimmung im Saal wurde noch mehr aufgelockert. Es ging zwei Schritte nach links, zwei nach rechts, runter, wieder nach oben, ein Klatschen hier, ein Klatschen da, und dann das ganze wieder von vorne. Nach drei Probedurchgängen sass die Choreo bei allen und sorgte für einige Lacher von den ersten bis zu den letzten Reihen. Die Begeisterung stand auch der dreiköpfen Band deutlich ins Gesicht geschrieben. Irgendwie schaffen sie es, jedem das Gefühl zu geben, an ihrem Konzert wie zu Hause zu sein. Ein bisschen ankommen ist es ja schon, wenn man sich an einem Konzert so wohl fühlt, dass man plötzlich mit 169 anderen Menschen im Raum denselben Tanz tanzt.

 

Nebst der neuen Choreo und dem neuen Album, haben sie ebenfalls ein neues Bühnenbild erschaffen. Die LED-Panels auf der Bühne wurden den ganzen Abend rege bespielt. Sei es mit Textpassagen, den original Videoclip-Ausschnitten oder anderen passenden Animationen zu den Stücken.

 

Für das nächste Stück «Conquer Me» holte Kim Cossmo zurück auf die Bühne und performte mit ihm das Stück im Duett. Das Lied ist teil des ersten Albums, ergänzte das Set aber in dieser Duett-Version perfekt.

 

Abladen, auftanken, ankommen

 

Daraufhin stimmte Kim nach einer kurzen Erklärung «Ocean» an. Ein sehr ruhiger Song, zu dem das Publikum ein Meerrauschen summte, das vorhin kurz geprobt wurde. Kim erklärte, dass sie am Meer am besten auftanken kann, wenn sie sich leer und ausgebrannt fühlt. Wie viel Halt ihr ein Besuch am Meer gibt, hört man deutlich heraus und man wurde eingeladen, kurz in sich zu kehren und die friedlichen Klänge auf sich wirken zu lassen.

 

Nach dieser Portion Vitamin Sea kam der grosse Moment des Abends: Die Taufe von «Radix». Nicola übernahm das Mikrofon und nannte unzählige Leute, die am Album mitgearbeitet haben und die Band während dem Prozess begleitet haben. Kim tänzelte bereits mit dem Prosecco in der Hand auf der Bühne umher, während Andy die zweite Runde der Danksagung startete und die drei – und wahrscheinlich auch das Publikum – sehr emotional stimmte.

 

Der Korken knallte, das Album wurde ehrenwürdig begossen und das Publikum freute sich lautstark mit der Band.

 

Die drei Strahlemenschen auf der Bühne zogen nochmals alle Karten, bevor der Abend zu Ende ging: Nach einem weiteren Song vom ersten Album, griff Kim zur Ukulele und begab sich in die Mitte des Publikums. Sie stimmte leise «Sorta Kinda Really Into You» vom ersten Album an und kurz darauf bahnten sich Andy und Nicola fingerschnipsend einen Weg zu ihr. Sie alberten ein bisschen rum, lachten, schnipsten weiter und begleiteten ihre Frontfrau auch gesanglich. Die unplugged-Version kam sehr gut an und dass die Band auch off stage harmoniert, war nach dieser Einlage für jede und jeden klar.

 

Ihr Geheimrezept? Verraten sie wahrscheinlich nicht, aber da steckt bestimmt viel Leidenschaft, viel Ehrgeiz und eine grosse Portion Liebe mit drin.

 

Dass die Band beim inneren Gärtnern vorbei ist, war mit dieser Liveshow zum Album «Radix» klar erkennbar. Selbstsicherer, präsenter, stärker und gefestigter wirkte die Band bereits in der ersten von etwa 100 Showminuten. Vielleicht sind sie noch nicht beim Blühen und den Blüten angelangt, aber die besten Voraussetzungen dafür haben sie sich mit dem zweiten Album definitiv gelegt.

 

 

Rahel Inauen / Mi, 25. Sep 2024