Biffy Clyro live und kreativ im Barrowland

Konzertkritik: Biffy Clyro im Stream
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Pressefoto: ©Ash Roberts

Ein Platte in Zeiten von Corona zu veröffentlichen ist aus Promogründen nicht so einfach. Gigs zur Platte sind aktuell in vielen Ländern schwierig, das kann hart sein. Gerade für eine Band wie Biffy Clyro, die für in pure Energie getränkte Konzerte bekannt ist. Also stellte sich im Vorfeld auf den einmaligen Livestream vom Samstagabend die Frage, welche Ideen sich das Trio einfallen lassen hat.

 

Den Anfang bildete ein rund 25-minütiger Soundcheck, der allerdings deutlich mehr war. Die Band zeigte sich klassisch beim Einspielen auf der Bühne, aber auch in der Garderobe mit leisen Songs, etwa dem reduzierten «Re-Arrange», der in Raumklang zu hören war. Dieses Spiel nutze Sänger Simon Neil geschickt aus indem er mit der Gitarre die Kamera bzw. das Mirko umkreiste, sodass der Eindruck entstand, er würde direkt hinter einem stehen und singen. Für den Soundcheck wählte die Band wahrscheinlich bewusst keine neuen Songs, um den Hauptgig auf das neue Album zu fokussieren.

 

Das reguläre Set trug den Namen «Biffy Clyro: A Celebration of Endings Unique Live Performance from Glasgow». So war klar, dass die Songs des eben veröffentlichten Albums «A Celebration of Endings» im Zentrum stehen würden. Das Cover der Platte ziert ein blauer Streifen, der sich den ganzen Abend über in den verschiedenen Sets zeigte. Den Opener spielte die Band klassisch auf einer Bühne. Mit dabei sind Mike Vennart an der Gitarre und Gambler an Keyboard bzw. Piano. Die beiden Musiker begleiten Biffy Clyro schon seit einigen Jahren bei Konzerten. «North Of No South» eröffnete den Gig und zeigte schnell, dass das Trio seine Liveintensität nicht verloren hat. Die Lautsprecher und die Bassdrum waren mit dem bereits erwähnten blauen Streifen verziert. Er bildete den roten bzw. blauen Faden des Abends.

 

Glühbirnen und Streichorchester

 

Im Raum vor der Bühne zeichneten sich schwache Umrisse von Glühbirnen ab. Schon beim zweiten Song, «The Champ», direkt vor der Bühne gespielt, flammten die Birnen hell auf und führten die Band ans zweite Set. Der eher ruhig interpretierte Song entfaltete durch seine geschickte Inszenierung viel Gefühl und bildete ein frühes Highlight im Set. Die Glühbirnen hellten die Dunkelheit und erlaubten einen Blick auf ein fünfköpfiges Streichorchester, das die Band begleitete. Natürlich mit coronaconformen Schutzmasken, inklusive blauem Strich als Referenz an das soeben veröffentlichte Album. Dazu ein zärtliches Piano sowie Simon Neil im Flackern der Glühbirnen und die restliche Band auf der Bühne als Unterstützung.

 

Für «Tiny Indoor Fireworks» betrat die schottische Band einen Spiegelraum, der von zwei Seiten einsehbar war, und zündete das titelgebende Indoor Firework. Es hätte durchaus ein Videodreh sein können, denn die Reflektion der Spiegel und das flackende Licht wirkten visuell beeindruckend.

 

Der offizielle Clip zu «Tiny Indoor Fireworks»

 

Das gesamte Set orientierte sich am Vinylalbum und war in zwei Teile geteilt, quasi Side A + B, in exakt der Reihenfolge wie die Songs auf dem Album zu hören sind. Zugabe gab es entsprechend keine. Eine andere Herangehensweise wäre irgendwie inkonsequent gewesen, da die Platte im Zentrum des Abends im Barrowland stand. Aber Biffy Clyro zeigten damit auch, wie viele Gedanken man sich im Vorfeld über die Umsetzung gemacht hatte. Offenbar war die Promo für das Album alleine nicht der Zweck des Abends. Die Chance, die völlig leere Location kreativ zu nutzen, war ebenfalls klar zu erkennen. Corona hin oder her, Biffy Clyro wollten den Menschen, die für den Livestream bezahlten, etwas Eindrückliches bieten. Das ist gelungen.

 

Visuelle Kniffs wie der Blick der Kamera durch eine Art Kaleidoskop bzw. die generelle Kameraarbeit rückten die Band ins beste Licht, das widerum mal als illuminierte Wand aus Scheinwerfern um die Band herum erstrahlte oder in anderen Momenten als Strobolicht flackerte. Dazu die stimmungsvollen Glühbirnen im Saal und das Streichorchester. Es wirkte als hätte man für jeden Song das passende Setting erstellt, was tadellos funktionierte. Wie als stumme Zuhörer waren ein oder zwei Dutzend Schaufensterpuppen im Raum drapiert. Vielleicht um das fehlende Publikum zu verkörpern. Denn trotz der energetischen Livekraft der Band – und diese hat sie zweifellos immer noch -, fehlt der Aspekt Mensch schon deutlich. Solche Livestreams sind in Coronazeiten eine interessante Möglichkeit, die finanziellen Schwierigkeiten etwas abzufangen und für Fans kleine Leckereien. Das funktioniert besonders gut, wenn so viel Ideenreichtum wie im Fall von Biffy Clyro im Spiel ist. Aber das Gefühl in einer Location zu stehen und das Geschehen auf der Bühne unmittelbar zu erleben, die Stimmung im Saal zu fühlen und kurzzeitig Teil eines gemeinsamen Erlebnisses zu sein, ersetzen Streams dann doch nicht. Selbst wenn sie exklusiv zu sehen sind und nur in einem kurzen Zeitfenster.

 

Das neue Album funktioniert live offenbar hervorragend, das hat der Livestream gezeigt, und dürfte sich bei zukünftigen Shows von Biffy Clyro gut in die Setlist integrieren. Die Erwartungen erfüllt das Album auf alle Fälle, weil die Schotten zwar ihren kernigen Rock rauslassen, aber immer wieder kleine Ruheoasen bringen, als Beispiel sei «The Champ» genannt. «A Celebration of Endings» ist bereits erschienen.

 

So darf ein Livestream aussehen. Biffy Clyro aus Glasgow spielen mit verschiedenen Sets und Intensionen. Trotz fehlendem Publikum, sehr stimmungsvoll.

 

Bäckstage Redaktion / Mo, 17. Aug 2020