Der Bär in dir

Blu-Ray-Kritik: «Bärenbrüder»
Bildquelle: 
www.disney.ch

Disney hatte bei den abendfüllenden Zeichentrickfilmen thematisch schon immer eine Schwäche für grosse Sagen, in denen es menschelt. Robin Hood war eine grosse Legende, die sich bestens als Zeichentrickfilm eignete oder auch der von Shakespeare gestreifte «König der Löwen» entwickelte sich zum grossen Drama. «Hercules» beschäftigte sich gar mit der mystischen Götterwelt der Griechen und «Tarzan» folgte der Legende von Greystoke, also dem Herrn der Affen. Aber auch historische Volksstämme und -legenden haben es den Machern hinter Disney angetan. So waren bei «Pocahontas» die Ureinwohner Amerikas für die Geschichte prägend und «Mulan» basiert auf einer chinesischen Legende. Beim Film, der aktuell auf Blu-Ray erscheint, spielt natürlich wie immer bei Disney die Tierwelt eine Rolle, aber die moralische Essenz zieht der Film aus verschiedenen Legenden. Auch wenn die Geschichte des Films konstruiert wurde, so basiert das Fundament doch auf Weisen der Inuit. 

 

Kenai ist der jüngste von drei Inuit-Brüdern und soll laut den Stammesregeln sein Totem bekommen. Doch mit seinem Totem, jenem der Liebe, das die Form eines Bären hat, ist er gar nicht zufrieden. Jedoch soll laut den Überlieferungen jeder das Totem bekommen, das zu ihm gehört. Und ein Bär ist es dann auch, der das Schicksal von Kenai in die entscheidenden Bahnen lenkt. Auf der Jagd wird der junge Inuit in die Enge getrieben und sein Bruder Sitka kann in letzter Sekunde verhindern, dass ein Bär Kenai zerfetzt. Dabei opfert Sitka allerdings sein Leben. Kenai ist schockiert und schwört dem Bären tief verbittert Rache. Auf einem Berg stellt er ihn schliesslich und tötet das Tier. Im gleichen Moment verfärbt sich der Himmel und Sitka erscheint. Ohne zu sprechen belegt er Kenai mit seinem Schicksal und verwandelt ihn in einen Bären. Plötzlich sieht sich Kenai aus der Perspektive eines Bären mit der Natur und ebenfalls mit den Jägern konfrontiert. Er findet in Koda, einem verwaisten Bärenjungen, einen Freund und erfährt, dass er seine tierische Gestalt nur an einem ganz bestimmten Ort rückgängig machen kann. Die Reise beginnt. Die Frage ist nur, ob die Reise zu einem Ziel führt. 

 

«Bärenbrüder» ist ein kräftiges Plädoyer für Rücksicht auf die Natur. Einerseits wird das durch die Geschichte deutlich, die sich klar auf die Seite der Tiere und Pflanzen stellt. Eindrücklich wird geschildert, wie die Inuit symbiotisch in Einklang mit der Natur leben und ihre Umgebung als gleichberechtigt ansehen. Man ernährt sich zwar von der Natur und tötet dazu Tiere, aber der Kreislauf der Natur wird nicht unnötig gestört, sondern gilt als gleichberechtigt. Andererseits wird die Botschaft aber auch technisch unterstrichen. Während die Menschenwelt in erdigen Tönen gehalten ist und auch auf der Klangebene eher trist auftritt, wirkt die Welt des Bären Kenai farbig und verlockend. So wird der Anfang des Film, also alle Szenen aus der Sicht der Menschen, im 1,85:1-Format inszeniert, während sich der Bär Kenai im schönsten Cinemascope über die Mattscheibe und die animierten Wiesen tummeln darf. Das Konzept gleicht der Kontrastierung, die schon beim «Zauberer von Oz“ funktioniert hat. 

 

Der Film ist der letzte, der komplett in den Disney-MGM-Studios in Disneyworld Orlando produziert wurde. Wenig später wurde das Studio nämlich geschlossen. Vielleicht wirkt der Film deshalb so aufwändig. Für die Hintergründe besuchten die Animatoren nämlich verschiedene Nationalparks in den USA, zum Beipsiel den Yellowstone National Park. Für die Hintergründe stand zudem der Künstler Albert Bierstadt Pate, der berühmt für Landschaftsbilder war. Grund dafür ist, dass Michael Eisner, der damalige CEO von Disney ein Sammler von Werken Bierstadts war und dem Team einige seiner Sammelstücke als Inspirationsquelle lieh. So tummeln sich der Bär Kenai und seine Gefährten durch eine Welt, die sich aus Kunst und natürlicher Inspiration zusammensetzt und als Kulisse für eine herzergreifende Geschichte dient, die nie die Grenze zum Kitsch überschreitet. Nicht einmal, wenn Phil Collins – er singt die deutschen Texte auch selbst – etwas stark auf der Klaviatur der Emotionen herumhakt. Der Film ist erstmals auf Blu-Ray erhältlich und das Format lässt den Film förmlich strahlen.

 

  • Bärenbrüder (USA 2003)
  • Regie: Aaron Blaise, Robert Walker
  • Musik: Phil Collins
  • Blu-Ray-Verkaufsstart: ab sofort im Handel erhältlich
Patrick Holenstein / Fr, 15. Mär 2013