«Udo Lindenberg sorgt für Lässigkeit»
Jan Bülow ist 23 Jahre alt, gefeierter Theaterdarsteller und neuerdings preisgekrönter Nachwuchsdarsteller für seine Rolle als Udo Lindenberg im gleichnamigen Biopic. Wie es sich anfühlt, eine lebende Legende zu verkörpern, was Udo Lindenberg als Menschen ausmacht und wie Jan mit seinem Ruhm umgeht, erzählte er im Interview.
«War die Tatsache, dass der Film «Lindenberg!» die Zeit vor Udos Durchbruch thematisiert, ein erschwerender oder befreiender Sachverhalt?»
Ich denke, alles hat immer Vor- und Nachteile. Natürlich hat man dadurch eine Narrenfreiheit. Das Schöne ist, es gab damals keine Smartphones, es gab nicht mal ein Video von Udos erstem Konzert, das wir am Ende zeigen. Ausser den Leuten, die dabei waren - und es ist eine Weile her – kann keiner zu uns kommen und sagen «Ne, das war nicht so». Ich glaube im Endeffekt schon, dass man eine grössere Freiheit hat, wenn niemand sagen kann: «Nein ich weiss, dass es so nicht war». In der Schauspielschule hat man uns immer gesagt, man muss Dinge behaupten. Ich musste im Film behaupten, dass ich seit Jahren Schlagzeug spiele. Ich spiele nicht seit Jahren Schlagzeug, ich habe erst für den Film damit angefangen. Ich hatte effektiv nur 1,5 Monate Zeit dafür. Aber man behauptet etwas. Und das Beste ist, wenn einem in der Behauptung niemand dazwischenreden kann.
«Wie bist du die Rolle des Udo Lindenberg angegangen? Wolltest du im Film deine eigene Udo-Version zeigen oder war es dir wichtig Udo so gut wie möglich zu imitieren?»
Es ist sehr schwer einen Künstler 1:1 zu kopieren, ich frage mich da, wo ist hier eigentlich der Mehrwert? Weil im Zweifel, wenn man etwas 1:1 kopiert, wenn man einen Menschen versucht 1:1 darzustellen, dann ist man im Zweifel immer nur fast so gut wie das Original, aber nie genauso gut und schon gar nicht besser. Ich habe mich manchmal dabei erwischt, dass ich mir so dachte, «Ja Mensch, das ist ja so schwierig eine Person darzustellen, die es so wirklich gibt, da kann man so viel falsch machen. Hätte meine erste Filmhauptrolle nicht eine komplett fiktive Rolle sein können?» Das sind wir wieder beim Wort behaupten, weil wir bei einer Figur, die man komplett erfindet, alles behaupten kann. Bei einem echten Role Model kann man das so nicht machen, man muss schon immer Respekt haben. Am Ende steh ich immer nur da und bin Jan Bülow, egal wie sehr ich mich in eine Rolle hineinversetze. Kein Schauspieler dieser Welt kann dem entfliehen, dass er sich selbst ist. Wir sehen immer Leonardo DiCaprio, wir sehen immer Brad Pitt. Und der Witz ist ja auch bei solchen Filmen, wie man meistens über Hollywoodfilme spricht, wen man jemandem berichtet? Man sagt: «Und dann kam Leonardo DiCaprio rein und sagt zu Brad Pitt jenes und dann kommt plötzlich Al Pacino». Das ist witzig, weil man selbst so redet, dass man die Rollenamen nicht nennt, selbst wenn es fiktive Figuren sind. Am Ende des Tages bin ich immer Jan Bülow mit einer Perücke, der behauptet Udo Lindenberg zu sein.
«Was hat dich daran gereizt, eine Biografie zu drehen? Mal angesehen davon, dass sie von Udo Lindenberg handelt?»
Man erzählt immer eine Spanne von mehreren Dekaden in zwei Stunden. Man muss Dinge zusammenraffen, man kann nie ganz getreu bleiben. Aber das interessiert uns als Publikum gar nicht, wir wollen einen ungefähren Verlauf von Udos jungen Jahren sehen. Wir wollen wissen, woher er kommt, warum er wohin wollte. Viele unserer Anekdoten im Film sind so, oder zumindest ähnlich wie dargestellt, passiert. Gerade bei den weiblichen Figuren, diese Parts sind aus mehreren Anekdoten Udos zusammengesetzt. Die waren manchmal gar nicht in Hamburg, sondern in einer anderen Stadt. Aber wir bringen alles auf einen gemeinsamen Nenner.
«Du hast dich mit Udo Lindenberg nun stark auseinandergesetzt, was zeichnet Udo deiner Meinung nach als Menschen aus?»
Dass er so nahbar ist. Weil er einerseits der grosse Star ist und gerne auch extrovertiert, aber diesen Ruhm auch gerne mit seinen Fans teilt. Deshalb finde ich so faszinierend, wie Udos Fans an der Tour gesagt haben, «Ich kenne den Udo, ich habe den kennengelernt». Jeder sagt von sich, «Ich kenne Udo». Ich denke, dies hat mit seiner Persönlichkeit zu tun. Er gibt einem sehr rasch das Gefühl, dass man ihn schon lange kennt. Und dass er dein Kumpel ist. Ich würde sagen, wir beide, Udo und ich, sind vom Kumpel-Dasein zu Freunden geworden. Ich habe neulich Udo wieder im Hotel besucht. So haben wir uns auch das erste Mal getroffen. Beim ersten Mal sass ich sehr angespannt da, aber beim zweiten Mal habe ich es mir sehr gemütlich gemacht und mich lässig nach hinten gelehnt. Udo sorgt für Lässigkeit.
«Und was macht Udo zu einem grossen Künstler?»
Ich fand es toll zu entdecken, dass seine ganze verspielte Art mit der Deutschen Sprache, diese verrückte und manchmal eigenartige Art, die charmant ist, nicht künstlich ist. Ich glaube, dass diese eigenwillige Sprache für Udo eine Notwendigkeit ist. Weil Udo nicht wüsste, wie er sich sonst verhalten soll. Er suchte nach einer eigenen Daseinsberechtigung, nach einer eigenen Form, warum er die Welt mit seinen Augen so sieht, wie er sie sieht. Und das ist nicht künstlich. Das ist, weil er aus der Nachkriegsgeneration kommt und man Deutsch lange als Nazisprache betrachtete. Er geht mit dieser Sprache spielerisch um, ironisiert sie, um sie «des Sinnes zu entleeren». Das ist bei ihm einfach notwendig. Das ist nicht eine Art Marketingstrategie, die er durchzieht. Das ist seine Art sich in seiner Welt zurechtzufinden.
Während Udo einen steinigen Weg zum Erfolg hatte, scheint bei dir alles mühelos zu gelingen. Du bist sowohl im Theater, wie auch im Kino erfolgreich.
Ich finde es schon sehr faszinierend, was mir grad passiert. Es ist schon sehr besonders. Wenn man dann so die Aufmerksamkeit schlechthin hat, dann reflektiert man viel darüber. Meine Freundin meinte neulich zu mir, dass sei so faszinierend, weil dieser ganze Hype nur von Menschen gemacht ist. Es gibt ja beispielsweise in den USA diesen Trend, dass man sich über Agenturen das Star-Sein kaufen kann. Man wird mit einer Limo vorgefahren, kann Autogramme geben und sich wie ein Star fühlen. Ich habe mich auch schon gefragt, warum mache ich eigentlich diesen Beruf? Ich habe gemerkt, dass es mir eher darum geht, beschäftigt zu sein und mich mit vielen verschiedenen Rollen auseinanderzusetzen und ich weniger interessiert bin, über den roten Teppich zu schreiten. Es freut mich, weil ich selbst diese Erkenntnis gemacht habe und ich mich wirklich für diesen Beruf interessiere und nicht nur dafür irgendwer Bekanntes zu sein. Zeitweise war ich mir da aber gar nicht so sicher, ob ich mich nicht doch vielleicht einfach nur für irgendwelchen Ruhm interessiere, jedenfalls glaube ich mir das irgendwie selbst, wenn ich das sage.