Leaks zerstören die Motivation eines Musikers!
Die Berner Band Breakdown of Sanity darf weltweit auf eine grosse Fanbase zählen, trotzdem sind sie in der Schweiz eher unbekannt. Wir haben Christoph Gygax (rechts aussen auf dem Titelbild) nach einem für ihn normalen Arbeitstag als Architekt in einem Berner Café getroffen und mit ihm über das kürzlich erschienene neue Album «Perception», den Unterschied zwischen Leaks und illegalen Downloads und den Do-it-Yourself-Charakter der Band gesprochen.
Ihr habt als Schweizer Band mit nahezu 100‘000 Facebook-Fans, hinter Eluveitie, wohl am meisten Anhänger weltweit, trotzdem kennt man euch hier nicht extrem. Stell doch Breakdown of Sanity kurz vor.
Wir sind fünf Typen aus Bern. Ganz einfache, meist untätowierte und eher wenig szenehafte Typen, die die Musik als Hobby betreiben. Wir sind in der Schweiz wohl deshalb nicht allzu bekannt, da Metalbands in der Öffentlichkeit hierzulande allgemein eher weniger Aufmerksamkeit erhalten, obwohl im internationalen Bereich einiges abgeht in diesem Gerne. Wir sind zudem alle berufstätig und arbeiten mehr oder weniger in einem 100%-Pensum. Die Musik ist wirklich ein Hobby für uns, das Freude und Spass bereitet.
In der Schweiz gibt es zahlreiche Metalcore Bands. Was macht ihr besser als die anderen?
Es ist schwierig zu beantworten, was wir anders oder besser machen. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass wir zur rechten Zeit, mit dem richtigen Musikstil, am rechten Ort waren. Schlussendlich machen wir nichts anderes als die anderen. Auch diese spielen zu Beginn zahlreiche Konzerte, teilweise in eher schäbigen Schuppen, was wir auch gemacht haben. Schlussendlich kann ich mir selbst nicht wirklich erklären, wie wir diesen Schritt geschafft haben und da rausgekommen sind. Schlussendlich hatten wir wohl auch viel Glück.
Ihr stellt ziemlich alles selbst her, von Grafiken bis zur Produktion. Ist diese Unabhängigkeit bewusst und wollt ihr kein Label im Hintergrund?
Ja, das ist sicher bewusst. Wir haben auch alle Ressourcen in der Band. Sowohl einen Grafiker als auch einen Produzenten, der sich alles selbst beigebracht hat. Daher war es sehr praktisch, dass wir von Anfang an alles selbst machen konnten. Andere Bands müssen sich zum Beispiel bei einem Shirt erst nach jemandem umschauen, der es entwerfen kann und solche Probleme hatten wir nie. Do-it-yourself ist ein allgemeiner Begriff, der in der letzten Zeit ziemlich stark wurde und uns begann das zu gefallen. Auch als es beim neuen Album um die Frage ging, ob wir es bei einem Label rausbringen, begannen wir damit, uns umzuschauen und erhielten einige Angebote von Labels. Diese nahmen wir unter die Lupe und sprachen auch mit anderen Bands, mit denen wir unterwegs waren. Schlussendlich merkten wir, dass man ziemlich unten durch muss, wenn man bei einem Label unter Vertrag ist. Bei unserem Bekanntheitsgrad würde man vielleicht zwar mehr Platten verkaufen, schlussendlich aber wohl nicht unbedingt mehr verdienen. Uns ist der Verdienst jedoch nicht wichtig. In der heutigen Zeit kann man sehr viel selbst machen mit Internetpromo etc. Früher brauchte man unbedingt ein Label im Hintergrund. Der einzige Vorteil bei einem Label sind die Vertriebskanäle, jedoch haben wir es geschafft, die Vertriebskanäle anders aufzubauen und haben uns deshalb dafür entschieden, alles selbst in die Hand zu nehmen. Wir fanden auch einen Partner in den Staaten, der alles herstellt, presst und versendet – deshalb ist alles perfekt eingespielt. Zwar ohne Label, aber trotzdem wird das neue Album fast weltweit vertrieben. Weshalb bräuchten wir da noch ein Label?
Grundsätzlich gehören die Lyrics zum Gesamtbild. Wir sind aber nicht für die Lyrics bekannt und wollen es auch nicht unbedingt sein.
Soeben ist das neue Album «Perception» erschienen. Auf dem Cover ist ein Bergmassiv zu sehen. Sind das Eiger, Mönch und Jungfrau?
Diese Frage habe ich kommen sehen. Nein, es sind fiktive Berge. Natürlich spielt das Klischee von einer Schweizer Band, die heimatverbunden ist, mit Bergen usw., mit. Jedoch hat das damit nichts zu tun. Wir hatten zahlreiche Entwürfe für das Cover und meist waren die Reaktionen eher etwas verhalten. Dann brachte Oly das schlussendliche Cover und es gefiel allen auf Anhieb. Von der Grundstimmung her passt es sehr gut zu unserem Album und es ist auch nicht so ein 0815-Cover, wie es die meisten Metal Bands haben. Also keine verkratzten Schriften, Tote, leichtbekleidete Frauen und was sonst noch so im Trend ist momentan.
Wie wichtig ist die Heimatverbundenheit?
Es ist schön, dass wir aus der Schweiz sind, jedoch wollen wir nicht auf Swissness setzen.
Wie bei «Mirrors» hat es auch ruhige Zwischenstücke. Wollt ihr den Hörer beim deftigen Metalcore eine Verschnaufpause geben?
Ja, das ist ein Grund. Vor allem die Platzierung ist so gewählt, dass man herunterkommen und sich auch erholen kann. Vor allem jene Hörer, die nicht immer solche Musik hören. Aber mit diesen Interludes wollen wir auch eine Grundstimmung vermitteln und einen roten Faden durchs Album ziehen. Der Titeltrack «Perception» wurde so gewählt, dass man für sich reflektiert und sich Gedanken macht.
Die Lyrics sind ziemlich schwer zu verstehen - auch wenn man dem Englischen gut mächtig ist. Wie wichtig sind Lyrics überhaubt für euch?
Dies ist innerhalb der Band von Typ zu Typ unterschiedlich. Grundsätzlich würde ich sagen, dass sie nicht an erster Stelle stehen. Die Musik ist uns am meisten wert. Die Lyrics bedeuten wohl denjenigen am meisten, die sie geschrieben haben, was ich selbst nicht mehr mache. Auch allgemein höre ich meist erst an letzter Stelle auf die Songtexte. Primär ist für mich die Musik wichtig, jedoch Oly, Carlo und Tom, die Texte schreiben, wollen damit natürlich schon etwas sagen. Manche Sachen sind persönlich, manche sollen auf Missstände aufmerksam machen und aufrütteln, oder, um bei deinem Beispiel zu bleiben, bei «Mirrors» geht es darum mal den Spiegel vors Gesicht zu halten und zu sagen, dass etwas falsch läuft. Grundsätzlich gehören die Lyrics zum Gesamtbild. Wir sind aber nicht für die Lyrics bekannt und wollen es auch nicht unbedingt sein.
Das Album ist bereits zwei Tage vor der Veröffentlichung auf einschlägigen Websites auf der Startseite aufgeführt und zum Download angeboten. Wie ich das via deiner Facebook-Seite mitbekommen habe, sogar noch bevor es bei dir angekommen ist. Siehst du solche Sachen eher als Gefahr oder als Chance für Eigenwerbung?
Man muss das etwas trennen. Als wir schliesslich den Stream herausgegeben haben, posteten wir auch noch einen relativ giftigen Beitrag auf Facebook und haben denjenigen, die das Leak unterstützt haben, den Mittelfinger gezeigt. Insofern muss man unterscheiden, dass es illegale Downloads gibt und Leaks, die bereits vor der Veröffentlichung des Albums erscheinen. Downloads sehe ich durchaus als Chance. Bei uns lief es genau so, dass wir die erste Platte rund ein Jahr nach Veröffentlichung selbst auf all diese einschlägigen Websites geladen haben und dadurch begann sich unsere Musik zu verbreiten. Beim zweiten Album Mirrors warteten schon ein paar wenige auf das Album und das hat sich dann von selbst verbreitet. Wenn die Alben raus sind und danach im Internet herumgeistern, so ist mir dies egal. Klar schadet es der Musikindustrie, aber es ist super Werbung, wenn dies gratis herumgesendet wird und manche kaufen es danach trotzdem noch.
Bei einem Leak ist dies jedoch anders. Heutzutage ist das herausbringen am Releasetag der Teil am Ganzen, der noch wirklich Freude macht. Als Beispiel: Ein Geburtstagsgeschenk geht man ja auch nicht zwei Tage vor dem Geburtstag stehlen. Deshalb finde ich Leaks wirklich scheisse, da es bedeutet, dass diejenigen Leute, denen man vertraut hat – seien es Leute, die das Album vorab hören konnten oder Leute im Presswerk – uns betrogen haben. Es ist im Nachhinein fast unmöglich herauszufinden, von wem die Musik herausgegeben wurde. Daher finde ich Leaks unterste Schublade, sie nehmen dem Musiker die Freude, die Platte gezielt herauszubringen. Wenn die Platte raus ist und jemand sie kauft und danach ins Netz stellt, dann ist mir dies total egal, jedoch wenn sie vor der Veröffentlichung im Netz steht, ist das ein riesiger Dämpfer! Glücklicherweise war das bei uns nur zwei Tage vor dem Releasetag. Bei anderen Bands geschieht dies teilweise mehrere Wochen zuvor, was natürlich die Vorverkäufe extrem beeinflusst. Den Leuten bringt es ja schlussendlich auch nichts, wenn sie zweieinhalb Jahre auf ein Album warten und dies dann zwei Tage vorher herunterladen. Es zerstört nur die Motivation eines Musikers.
Gut möglich, dass wir in den USA mittlerweile sogar grösser sind als in Deutschland. Realistisch ist daher eine US-Tour also auf jeden Fall.
Wie sehen die weiteren Pläne aus? Was sind eure Ziele?
Dies ist momentan ein heiss diskutiertes Thema bei uns. Vorläufig werden wir so weitermachen, wie wir das bisher gemacht haben. Wir sind seit kurzem neu aufgestellt, haben eine Booking Agentur und ein Management. In diesem Jahr geht nicht mehr allzu viel nebst der Plattentaufe, jedoch im nächsten Jahr wird es losgehen mit einer Tour, Festivals und wenigen Club-Shows, da wird sich auch einiges verbessern. Die grosse Frage, ob wir irgendwann von der Musik leben wollen, stellt sich momentan nicht wirklich für uns. Wir nehmen es, wie es kommt und versuchen alles unter einen Hut zu bringen. Vielleicht wird sich diese Frage zu einem späteren Zeitpunkt stellen, aber es muss sich jeder selbst noch etwas damit auseinandersetzen, was er bereit ist für die Band aufzugeben. Es gibt grosse Bands, die nach wie vor 100% arbeiten. Deshalb machen wir mal so weiter wie bisher und erleben noch viele coole Sachen.
Eine US-Tour wird laut eurer Facebook-Seite in den Kommentaren von vielen Fans gefordert. Kommt da bald was?
Das wird sicher irgendwann mal kommen. Meines Wissens ist das Management bereits am Schauen. Das Problem ist jedoch, dass wir nur eine beschränkte Zeit an Ferien zur Verfügung haben und der eine oder andere möchte auch privat in die Ferien gehen. Somit bleibt von den vier bis fünf verfügbaren Ferienwochen nicht mehr viel übrig und bloss eine Woche in die USA zu gehen lohnt sich nicht. Wir sind jedoch dabei, eine Lösung zu finden, und früher oder später wird eine US-Tour sicher kommen. Aber wohl in einem Paket mit anderen Bands und nicht auf eigene Faust. In den USA haben wir meines Wissens hinter Deutschland die zweitgrösste Fanbase. Gut möglich, dass wir in den USA mittlerweile sogar grösser sind als in Deutschland. Realistisch ist es also auf jeden Fall.
Am 9. November wird euer jüngstes Baby getauft. Was kann man erwarten von der Plattentaufe im Dachstock?
Ich war bisher noch nicht an vielen Plattentaufen und weiss nicht genau, was die Leute für Erwartungen haben. Auf jeden Fall werden wir die neuen Songs zum ersten Mal live spielen, was sicher zur Nervosität beiträgt. Es ist immer speziell, neue Lieder zu spielen. Es wird auf jeden Fall ein gutes Fest, mit vielen Leuten, die wir kennen!
Breakdown of Sanity - «Infest»
Plattentaufe des neuen Albums «Perception» am 9. November im Dachstock, Bern