Wir alle sind im Stande, enorme Fehler zu begehen.

Interview mt AWOLNATION
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Promobild

AWOLNATION war einer der Headliner am m4music-Festival. Bis zum Erscheinen des Debüts «Megalithic Symphony» hat sich Aaron Bruno mit diversen Bands über Wasser gehalten. Mit dem Soloprojekt AwOLNATION ist ihm der Durchbruch geglückt. Wir haben Aaron Bruno vor seinem Auftritt in Zürich getroffen und mit ihm über sein soeben erschienenes Album gesprochen und er hat uns verraten, wo einige seiner Songs entstanden sind.

 

Das erste Mal habe ich Musik von dir gehört, weil mir auf Youtube ein Video vorgeschlagen wurde. Ich mochte zwar das Video nicht, dafür die Musik im Video. Es war ein Cover-Video von «Sail» und dieses Video erschien wohl fast bei allen Benutzern als Vorschlag. Kannst du dir erklären, wie das passiert ist?

 

Der Song kam raus und war eigentlich nicht unbedingt eine Single. Ein paar Mädchen machten dann dieses Video, bevor wir selbst ein Video hatten. Es war also das erste, was die Leute zu sehen bekamen und es sah auch so aus wie ein offizielles Video. Ich denke, dass dieses Video deshalb so ein Erfolg war. Ich habe ehrlich gesagt dieses Video noch gar nie angeschaut. Zwar habe ich mal auf Play gedrückt, jedoch nur eine Sekunde geschaut und dann gleich wieder gestoppt. Somit weiss ich auch gar nicht, was im Video passiert.  

Lass uns von deinem neuen Album «RUN» sprechen, das vor zwei Wochen erschienen ist. Waren die Aufnahmen dazu ein grosser Druck für dich nach dem Erfolg des Erstlings?

 

Ja, aber es war einfach der Druck, den ich mir selbst auferlegt habe. Ich wollte das Album besser machen und eine extrem anspruchsvoll klingende Platte aufnehmen. Eine Platte, die einem auf eine musikalische Reise nimmt und über viele Jahre in Erinnerung bleiben wird. Die Platte war das Beste, was ich tun konnte.  

Bereits im Titeltrack singst du «I am a human being, capable of doing terrible things». Was hast du denn in letzter Zeit so schreckliches gemacht?

 

(überlegt lange) Ich habe in meinem Leben so viele schreckliche Dinge gemacht und wüsste gar nicht, wo ich beginnen sollte. Lieber, als etwas Spezifisches zu erzählen, das ich gemacht habe, gebe ich zu, dass ich im Stande bin – wir alle sind im Stande – enorme Fehler zu begehen. Nur indem wir das zugeben, können wir aus diesen Fehlern lernen.

 

Bei «Megalithic Symphony» sagtest du, die Texte seien ehrlich und persönlich, weil du dachtest, dass das Album nie jemand anhören wird. Diesmal wusstest du, dass es angehört wird. Hat dies den Ansatz beim Songschreiben verändert?

 

Ja, denn ich hatte einen etwas anderen Druck, den ich zuvor nie hatte, weil ich dieses Mal wusste, dass Leute sich die Musik auch anhören würden. Ich wusste auch, dass es Leute geben wird, die mich mit einer Lupe ganz genau anschauen und entweder zerreissen oder loben werden. Deshalb war es eine komische Erfahrung, weil ich vorher eigentlich nie Aufmerksamkeit bekam. Auf der einen Seite war das ganz aufregend, weil sich die Leute meine Musik anhören, egal was ich mache. Aber es war auch furchteinflössend. Als das erste Album rauskam, kannte uns niemand und Awolnation wurde langsam grösser und grösser. Dies war eine tolle Erfahrung für mich. 

Der Schreibprozess soll sehr speziell gewesen sein. Kannst du da etwas mehr davon erzählen?

 

Es gab viele Auf und Abs. Es gab Zeiten, in denen ich dachte, dass es ein grossartiges Album wird und dann gab es auch Zeiten, in welchen ich dachte, dass ich das Album noch nicht wirklich habe. Zu einem Zeitpunkt klang es komischer als jetzt. Es war vielmehr eine Kunstplatte und hatte keine kommerziellen Songs dabei. Die Songstrukturen waren schräg und es hatte keine hymnischen Songs dabei. Ich habe dann etwas frische Luft geschnappt, mich neu fokussiert und plötzlich sind Songs wie «I Am», «Jailbreak», «Woman Woman», «Run» und «Dreamers» sehr schnell entstanden. Ich denke, ich musste immer nach links gehen und diesen Teil meines Gehirns trainieren, dabei im Kreis gehen und wieder in die Mitte kommen, um Melodien und Texte rauszubringen, mit der sich die ganze Welt identifizieren kann. Ich fühle mich glücklich, dass ich so weit in eine Richtung gehen konnte, bis ich an eine Wand gelaufen bin und dann wieder in die Realität zurückgekommen bin. Ich meine damit, dass ich Musik geschrieben habe, zu der alle eine Beziehung haben können und die nicht bloss selbstgefällige Kunst ist. 

Du hast die Songs auch in einer Scheune geschrieben?

 

Ja, einige davon habe ich in einer Scheune geschrieben. Zum Beispiel «Like People, Like Plastic» und «Drinking Lightning». 

 

AWOLNATION - «Hollow Moon (Bad Wolf)»

 

 

Hansjürg Stämpfli / Di, 31. Mär 2015