Kygo steals the Show
Mehrheitlich weibliche Personen waren Teil der Schlange, welche sich anfangs Woche auf dem Maag Areal bildete. Einzelne Personen, welche noch auf der Jagd nach Tickets waren, stürmten aufgeregt hin und her und die Hardcore-Fans mit Fan-Shirts und Fan-Caps aller Art schnatterten aufgeregt durcheinander. Am Eingang zur Maag Halle wurden weisse Gummiarmbänder verteilt, welche bei jeder Bewegung blau aufleuchteten und man ahnte schon, wie diese später im Saal zur Geltung kommen würden.
Hätte man an diesem Abend den Künstler Kyrre Gørvell-Dahll angesagt, wäre wohl kein einziger Ruf der Begeisterung durch den Saal gehallt, sondern eher ein verwundertes Raunen der Menge. Wahrscheinlich hätte man sogar beinahe die Fragezeichen auf den Köpfen des Publikums gesehen. Anders, wenn es einfach gestaltet ist, der Star des Abends höchstpersönlich am Piano sitzt und die zwei Buchstaben seines Vor- und Nachnamens als Bühnenbild erscheinen: Kygo. Mit Snapback und lässiger Kleidung sass er da, klimperte als Eröffnungslied das Seinabo-Sey-Cover «Younger» auf den Tasten und lächelte vor sich hin. Hinter ihm stand sein DJ-Turm, den er für die weiteren Songs erklomm, um die Show abzuliefern, auf die das Zürcher Publikum sich seit Monaten freute.
Kein Karibik-Strand
Kygo’s Musik ist dem Genre Tropical House zuzuordnen. Der Sound wurde über die vergangene Zeit immer häufiger mit Popmusik gemischt, zum Beispiel ist Justin Bieber’s «Sorry» schon etliche Male geremixt worden oder auch Felix Jaehn’s Remix von Omis «Cheerleader» ist schon längst ein weltweiter Hit. Auch Kygo ist unter anderem mit «Stole the Show», mit dem er bereits etliche Konzertbühnen und Festivals bespielte, ein bedeutendes und bekanntes Gesicht in der Szene geworden.
Der Stil des 24-Jährigen gäbe ein gutes Drinkrezept ab: man nehme einen Sommerhit aus den vergangenen Jahren, wirft ihn zusammen mit einem Ibiza-Deep-House Beat in den Mixer und stellt das Programm auf «leicht mischen». Sein Sound ist oft mit künstlich erzeugten Klängen von Steel Drums sowie denen einer Panflöte versehen. Die Instrumente verleihen den Stücken auch live einen Touch von Ferienstimmung als befände man sich an einem karibischen Strand in der Springbreak-Hochsaison. Leider fand die Show nur in der ausverkauften Konzerthalle statt, in der die eigentlich erhoffte Stimmung bis zum Konzertende nicht so aufkam, wie es beim NRJ Air im vergangenen Herbst noch der Fall war. Ob dies nun an der Location, an den Konzertbesuchern oder an Kygo selbst lag, war schwer herauszufinden. Man hätte ihm durchaus zugetraut, dass er ab und zu einige Worte ans Publikum richtet, doch dies war an diesem Abend leider eher Seltenheit. Ab und an hat er die Sprache dann doch wieder gefunden, kurz «Hello Zurich» gerufen und seine Stücke angesagt.
Der Lichttechniker hat’s drauf
Seine minimale Sprachgewandtheit verzieh man dem sympathischen Norweger jedoch leicht. Was soll er auch gross mit dem Publikum sprechen, wenn man doch gemeinsam feiern kann? Sein Live-Set war nicht sehr anders, als die CD-Versionen der Songs, aber das schien niemanden zu stören. Die Setlist beinhaltete etwa 2/3 eigene, ältere und bekanntere, aber auch neuere Stücke, darunter «Raging» von seinem Debüt-Album «Cloud Nine». Der übrige Drittel war ein gesunder Anteil an Covers, zum Beispiel «I see Fire» von Ed Sheeran und «Sexual Healing» von Marvin Gaye. Als er dann auch noch den 90er-Hit «No Diggity» von Blackstreet brachte, gestand sich hoffentlich sogar die ältere Clubber-Generation ein, dass es der Junge einfach drauf hat.
Doch nicht nur er hat es drauf: auch der Mann, der fürs Licht zuständig war, hat gutes Händchen bewiesen. Rot, blau, pink, gelb, gold – in alle Farben tauchte er die Bühne. Sanftere Farbtöne bei gemütlicheren Passagen und Stroboskopgeflacker und bunte Lichtershow, wo es angebracht war. Das Publikum jubelte, streckte die Hände in die Höhe und das Meer an blau leuchtenden Armbändern blinkte mit den Stroboskopen um die Wette.
Die Show beendete Kygo wie er sie eröffnet hat: lächelnd am Klavier. Er spielte die erste Strophe von seinem «Firestone», begleitet vom Gesang von Anna of the North, die den Support gemacht hatte, und vier Geigenspielerinnen. Kygo und Anna hüpften bei einem geeignetem Moment auf den DJ-Turm, feierten nochmals heftig mit den Leuten und verabschiedeten sich mit Papierschlangenregen und CO2-Föntänen von der Springbreak-Party auf dem Schweizer Festland.
Da hat optisch und soundtechnisch ziemlich alles gepasst und trotzdem blieb die Stimmung etwas unterkühlt. Kann mal passieren, das Konzert war aber gut. Bis zum nächsten Mal, Kygo.