Father John Misty in der Roten Fabrik

Konzertkritik: Father John Misty
Bildquelle: 
Promobild / © Emma Tillman

Bart, getönte Brille, wallende Haare, weisser Anzug. Abgesehen von der Brille passt diese Beschreibung haargenau auf die von Jesus Christus, zumindest auf die überlieferten Bilder und Vorstellungen bezogen.

 

Ungewöhnlich spät tritt die beschriebene Gestalt dann den vollgepackten Saal der Roten Fabrik und legt mit dem Song «Hollywood Forever Cemetery Sings» aus dem Debütalbum los. Majestätische Trommelschläge und laute Gitarren, ein eher starker Kontrast zu den hauptsächlich akustisch arrangierten Albumversionen von Father John Misty, dennoch umso mehr packend. Derselbe macht die nächsten paar Lieder gleich unentwegt weiter, rackert Song um Song aus seinem prägenden Stimmorgan und tönt über Meilen besser als zuhause mit den Kopfhörern.

 

Unterstützt durch eine groovende Band werden querfeldein Hits aus allen bisherig erschienenen Alben interpretiert, einer druckvoller als der andere. Mit der Zeit wird der Sänger sogar noch relaxter und gestikuliert und zeigt wild auf einzelne Zuhörer, oder auch niemanden speziell, als er seine zynischen Songtexte runtersingt. Wie ein Rausch folgt ihm die Zuhörerschaft auf seiner Reise, die voller lustiger Anekdoten, satirisch anmutenden Erlebnissen und dramatischen Wahrheiten ist. Gegen Ende des Konzerts wird Misty immer redseliger und erzählt von Journalisten, die ihn immer noch falsch verstehen und seine Texte als «ironisch» bezeichnen oder über seine Gesichtsbehaarung, welche er sich seit seinem ersten Besuch in der Schweiz vor sechs Jahren zu- und abgelegt habe (ein paar Bärte, dazu ein Schnauz).

 

Nichtsdestotrotz oder eben zum Trotz möchte man Father John Misty noch länger erleben. Somit fordert auch der Hinterletzte eine Zugabe, die der immer noch bebrillte und bärtige Mann nach einer kurzen Wartepause dankend antritt. Zusammen werden die Zeilen «but I love you, honeybear. Honeybear, honeybear, honeybear» gegröhlt und gesungen, ein Abgesang auf zerflossene oder neue Liebschaften, je nach Auslegung des Betrachters. Das letzte Zückerlein wird dann in einer besonders punkigen Version von «Date Night» gegeben, die vorderen Reihen halten sich aber dennoch fröhlich die Ohren zu, stets mit demselben wohligen Lächeln, das uns alle diesen Abend seit dem Start begleitet hat.

 

Mit prägendem Stimmorgan und viel Gefühl für seine Songs, tönt Father John Misty in der Roten Fabrik über Meilen besser als zuhause mit den Kopfhörern.

 

David Schaufelberger / Mi, 21. Nov 2018