Das Los eines Künstlers: Suche nach Perfektion

Interview mit Brandhärd
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Pressebild / © Tim Lüdin (www.timlüdin.com)

Zwischen Arbeit und Bandproben haben sich Fetch und Fierce von Brandhärd Zeit genommen, um über die neue Platte «Zuckerbrot & Peitsche» zu sprechen. Dabei erzählen die beiden Musiker von Einflüssen und von der Definition des Albumtitels. 

 

Mich würde zuerst interessieren, wieso ihr euch fünf Jahre Zeit genommen habt, um das Interview auf den Markt zu bringen.

Fetch: Es ist nicht so, dass wir uns Zeit genommen haben, sondern die Zeit ist uns genommen worden. Darum hat es so lange gedauert. Das war kein bewusster Entscheid, sondern es hat auch mit den Jungs da draussen zu tun (deutet auf das Studiofenster, wo er einen eintreffenden Musiker grüsst). Wir haben mit der Live-Band unsere Songs für das zehnjährige Jubiläum von «Noochbrand» aufgenommen. Das hat uns mindestens ein Jahr gekostet, hat aber auch sehr viel Spass gemacht. Dann sind wir halt keine Studenten mehr, sondern berufstätig und Väter, zumindest 2/3 von uns. 

Und alle sind quasi voll ins Berufsleben integriert?

Fetch: Genau. Heute ist gerade ein Paradebeispiel, da ich ja verspätet war. Ich komme direkt vom Arbeiten, habe noch nichts gegessen und bewusst versucht den Termin so zu legen, dass unser Gespräch vor der Bandprobe klappt, weil ich wusste, es wird sonst schwierig, die anderen Beiden sonst noch irgendwo zusammen zu kriegen. Also habe ich das vor die Probe gelegt und die zwei haben nicht einmal gewusst, dass wir ein Interview haben. Wir sind an einem Punkt, wo du so organisieren musst, dass alles mit möglichst wenig Reibungsverlust funktioniert. 

Du bist in dem Fall auch der Organisator, wenn es um Interviews oder ähnliches geht?

Fetch: Meistens schon, aber nicht immer. 

Wieso habt ihr die neue Platte «Zuckerbrot & Peitsche» getauft?

Fetch: Der Titel soll unsere Musik repräsentieren. Sie umfasst sozusagen zwei Elemente. Einerseits ist sie manchmal schön, melancholisch und melodiös. Andererseits sind die Songs aber auch ein bisschen «in d Fressi inä». Das ist halt ein Element. Hip Hop ist ja an sich eine Musikrichtung, die Energie hat, und das spiegelt sich einerseits in der Musik wieder, aber auch in den Texten. 

Fierce: Es geht um die Gegensätze. Aber auch die Gegensätzlichkeit von mir oder uns allen als Person, halt die Inkonsequenz. Oder auch das Leben als Musiker generell. Da ist das Zuckerbrot, die glamourösen Momente auf der Bühne, gleichzeitig gibt es die harte Arbeit hinter der Kulisse, halt die Peitsche, die Scheisse die man fressen muss, damit du überhaupt an diesen Punkt kommst. Der Albumtitel trifft also sowohl auf die Musikerkarriere als auch auf unsere Soundästhetik zu. 

Wie entstand denn das Album? Hattet ihr zuerst den Titel und dann die Songs oder umgekehrt?

Fetch: Die Songs und dann den Titel. Der Titel ist mir übrigens 200 Meter von hier auf dem Velo eingefallen. Wir hatten alle Songs schon fertig, ausser dem Album-Intro. Plötzlich ist mit der Refrain auf dem Velo, als ich alle Gedanken fallen gelassen habe, eingefallen. So ziemlich als letztes für dieses Album. Wir haben schon verzweifelt über den Titel nachgedacht und fanden keine Idee. Wir wussten nur, dass das Album cool ist, aber da wir kein Konzeptalbum gemacht haben oder einen roten Faden in der Platte hatten, konnten wir sie nicht danach benennen. Und als mir der Refrain in den Sinn gekommen ist, fanden wir, dass der passt. 

Woher kam die Inspiration bei diesem Album?

Fetch: Das sind verschiedene Sachen. Ein Teil kommt durch unsere Lebenssituationen. Oft sind aber die Beats von Fierce eine Inspiration für mich, wenn sie eine Emotion oder einen Vibe rüberbringen. Das ist mir sehr wichtig und ich denke, das macht uns als Band auch aus. Ich versuche, so wenig, wie möglich, typische Rap-Texte runterzurattern. Das mache ich zwar gerne zwischendurch, aber ich mag Songs, die persönlich oder emotional sind. Und da Fierce mir die idealen Beats für solche Sachen liefert, lasse ich mich oft davon beeinflussen. So ergibt ein Satz den anderen. Bei «Bluetigi Küss» hatte ich sehr lange die erste Line im Kopf «Ich lieb di, bitte brätsch mr is Gsicht», das ist dann wieder Zuckerbrot & Peitsche, und so wurde der ganze Song um die ersten zwei Zeilen herum aufgebaut. 

Schreibst du alle Songs selbst oder wie läuft das bei euch?

Fierce: Meist ist der Ablauf so, dass ich im Vorfeld schon verschiedene Entwürfe für Songs erstelle. Dann hört er sich diese durch und wenn einer davon hängen bleibt oder gerade zu einer Idee oder Emotion passt, dann hängt er ein und schreibt die Texte alleine. Wir reden da kaum rein, ausser wenn es um das Aufnehmen geht, kann es vorkommen, dass wir mal sagen, dass hier und dort etwas ganz minimal anders getextet vielleicht besser klingen würde. Aber ich leiste meine Arbeit an die Songs und Texte durch die Stimmung und die Beats. 

Fetch: Sie haben dann höchstens das Mitbestimmungsrecht, wenn sie finden, «ok, diesen Song nehmen wir lieber nicht auf das Album». Aber wir haben diesbezüglich sehr wenige Differenzen und sind gut eingespielt. 

So hat jeder seinen Job.

Fetch: Ich glaube, das ist mit ein Grund für unseren Erfolg, also im Sinn, dass es uns immer noch gibt und wir uns nicht schon lange die Köpfe eingeschlagen haben. Jeder weiss, was er zu tun hat. Wir haben mit drei Mitgliedern halt eine überschaubare Grösse. Sobald du ein grösseres Kollektiv bist, wird es sehr schnell sehr kompliziert. Das haben wir bei anderen Projekten gemerkt. 

Fierce: Das ist vielleicht auch ein Vorteil, dass jeder seinen Bereich hat und dort Freiheiten geniesst, die die anderen respektieren. Sodass es weniger Konflikte gibt. Wenn es mal in eine Richtung geht, die den anderen nicht so passt, merkt das der Betreffende auch relativ schnell von alleine und es gibt wenige grosse Differenzen. Auch nicht bei der Vision, wie der Sound am Schluss klingen soll. 

 

Die Leute denken, dass nach der Show noch abartig Party gemacht wird. Aber das Schöne ist, wenn du so ein gutes Konzert hattest, bist du schon so zufrieden, dass du es gar nicht brauchst, übermässig über die Stränge zu schlagen. Die besseren Parties hat man, wenn das Konzert schlecht war. Dann muss man es kompensieren.

 

 

Wie wichtig ist euch die Message, die ihr mit euren Texten verbreitet?

Fetch: Bei gewissen Songs ist es mir sehr wichtig, vor allem bei jenen, die mir besonders am Herzen liegen. Dort ist mir schon wichtig, dass etwas rüber kommt. Nicht im Sinn, dass man etwas lernen soll oder der Text belehrend ist. Aber eine Emotion möchte ich schon transportiert haben. Wir bekommen auch immer wieder Feedback von Hörerinnen und Hörern. Gerade vor einer Woche hat uns eine Frau geschrieben, dass ihr unsere Musik extrem in einer schwierigen Phase hilft, weil sie an Krebs erkrankt sei. Wir haben immer wieder solche Feedbacks bekommen und das ist bei aller Tragik das schönste Lob, das du als Musiker bekommen kannst, wenn deine Musik den Menschen Kraft gibt und die Leute emotional berührt. Es geht vor allem darum, Emotionen und Vibes zu transportieren und es freut uns natürlich sehr, dass der Funke überspringt. 

Fierce: Da kann ich noch etwas zu den letzten drei Shows sagen, wo wir jeweils den Song «Umarm sie» gespielt haben. Beim Refrain sieht man im Publikum Menschen, die sich spontan umarmen. Das ist schön zu sehen, weil wir ja nicht sagen, dass man sich beim Refrain umarmen soll. Offenbar fühlen das die Zuschauer und genau darum geht es auch bei Musik. Es ist wie Emotion auf Knopfdruck. Du kannst einen Song laufen lassen und dich an etwas zurückerinnern, das du mit dem Song verbindest, und schon berührt der Song. Das ist für mich das Schöne an Musik. 

Wenn wir schon beim Thema Erinnerungen sind: Wenn ihr euch an die ersten Raps, Beats oder Songs erinnert, was geht euch da durch den Kopf?

Fetch: «Läck sind mir schlächt gsi!» Ich höre sehr selten alte Songs und Musik von uns. Abgesehen von den alten Songs, die wir live spielen. Ich schaue gerne nach vorn und habe das Gefühl, dass ich mich immer noch verbessern kann. Das ist das Los des Künstlers, die Suche nach Perfektion. Aber man erreicht sie natürlich nie, weil, wenn man einen bestimmten Punkt erreicht hat, haben sich die Ziele bereits wieder verändert. Aber insgesamt beeindruckt mich beim Rückblick auf all die Jahre, wie viele Tonträger wir schon herausgebracht haben und wie viele Menschen wir bei Konzerten berühren und erreichen konnten. Das ist ein tolles Gefühl. 

16 Jahre auf der Bühne zu stehen. Menschen, die zuhören und die begeistert sind. Wie fühlt sich das an?

Fierce: Man kann schon sagen, dass man noch immer vor jedem Konzert nervös ist. Es geht irgendwie nicht weg. 

 

Fetch: Wenn es nicht so wäre, wäre es schlecht. Ein Konzert ohne Lampenfieber wäre nicht gut. 

Hat man das tatsächlich noch, auch nach so langer Zeit?

Fetch: Ja, absolut. Bei mir symbolisiert das auch die Ernsthaftigkeit und die Verantwortung und den Respekt gegenüber den Leuten, deren du dir bewusst bist. Wenn das an dir vorbei geht und du noch besoffen auf die Bühne gehst, dann ist dir das egal. Ich kann das nicht, mir ist es wichtig und ich will den Job gut machen. 

Fierce: Es ist auch eine Art Diskrepanz vor einer Show. Du bist müde und nervös, du fragst dich «hat es genug Leute im Publikum?» und dann beginnt die Show und du gehst auf die Bühne und ab dann läuft ein Programm. Plötzlich kommst du von der Bühne runter und die Show war gut und alles, was vor der Show anstrengend war, ist weg. Der Moment, in dem man nach einer guten Show von der Bühne geht, ist schon sehr einzigartig und schön. 

Wird das auch ein wenig zur Sucht?

Fetch: Schon ein wenig. Es ist natürlich auch Selbstbestätigung. Aber bei mir ist es das Gesamtpaket als Musiker. Ich habe mich nach diesen fünf Jahren extrem danach gesehnt, wieder ein Album rauszugeben. Wieder diese Nervosität zu spüren und zu sehen, wie die Leute reagieren. Von daher fühle ich mich in den letzten zwei Wochen wieder wie ein Teenager. Auch die Konzerte vermisst man halt einfach. Gerade, wenn man nebenbei einen normalen Job hat, merkt man, was man daran hat und was es einem gibt. Es ist fast wie ein Doppelleben. 

Jetzt hat sich in den letzten fünf Jahren das ganze Social Media sehr stark verändert und der Kontakt mit den Fans ist sicher anders. Merkt ihr das auch?

 

Fetch: Als wir die letzte Platte rausgebracht haben, stand die am Release-Tag in den Läden und sonst hat man nichts mitbekommen. Du bist als Künstler Zuhause gesessen und hast dich gefreut, aber es ist nichts passiert. Jetzt hast du mit Facebook deine Community mit der du direkt kommunizieren kannst. Dort findet ein Meinungsaustausch statt, du kannst Audio-Schnipsel oder Bilder zeigen – egal was. Es ist ein extremer Unterschied.

Wir haben kürzlich einen Clip am Rhein gedreht und wollten uns nebenbei die Zeit vertreiben. Also haben wir bei Facebook geschrieben, dass wir eine Dreiviertelstunde Zeit hätten und man doch Fragen stellen soll. Da hagelte es Fragen. Wir haben die beantwortet und hatten unsere Freude daran, die Leute hatten ihren Spass und schliesslich haben wir auch am nächsten Morgen noch Fragen beantwortet. Dieser unmittelbare Dialog ist natürlich eine sehr tolle Sache. 

Wenn du schon von einem Clip redest. Bei «Umarm sie» habt ihr eine spezielle 360°-Technik verwendet. Wie entstand die Idee dazu?

Fierce: Eine Szene haben wir übrigens hier, im Amber Room (Proberaum) gedreht. Die Idee ist entstanden, weil wir uns die Köpfe zerbrochen haben, was wir zu diesem Thema für ein Video machen sollen. Irgendwann driftete es ins Kitschige ab und plötzlich sagte der Regisseur, Samuel Flückiger, dass es da noch diese Technik geben würde. Aber in der Schweiz gäbe es nur eine Person, die das umsetzen könnte. Also haben wir Christian Schläpfer von 3D360.ch kontaktiert und alles hat gekappt. Alles war völlig unkompliziert und er hat uns seine Technik und sein Know-how  zur Verfügung gestellt. So konnte das relativ einfach realisiert werden. 

Fetch: Wir waren schon immer offen für Neues. Als wir die Band 1997 gegründet haben, waren wir eine der Ersten, die eine Website hatten. Das war damals ziemlich progressiv. 2003, als «Noochbrand» erschienen ist, waren wir eine der ersten Bands, die konsequent Videoclips gedreht hat, auch wenn das Budget klein war. Damals gab es noch nicht so viele Clips. Und der Clip zu «Umarm sie» ist eine Weiterführung davon, dass man immer wieder etwas Neues probiert. Darum passt das gut in unsere Tradition. 

Fierce: Es war ja ein Risko, weil es zwar eine technische Raffinesse ist und ein saucooler Effekt, aber Joiz konnte das Video zum Beispiel nicht normal zeigen, weil es nicht gemacht ist, um auf einem flachen Bildschirm anzuschauen. Dann ist es völlig unspektakulär, um nicht zu sagen langweilig. Das zeigt aber auch wieder, wie wichtig Social Media, Smartphones und iPads geworden sind, weil dieses Video klar für diese Art von Geräten gemacht ist und für die Leute unterwegs, die das sehen und sich denken «Cool, die schneiden die Clips nicht einmal mehr für das TV zu». Das sagt ja schon viel.

 

Ist man dadurch auch soweit unabhängiger, weil man selbst das Medium ist?

Fetch: Ja, das stimmt. 

Du hast vorhin «Noochbrand» erwähnt. Ihr habt das Jubiläum im letzten Jahr fett gefeiert. Wie muss man sich das vorstellen, wenn Brandhärd Party macht?

Fierce: Vor allem, dass es ein fettes Konzert ist. Wir haben mit den coolen Musikern, die sich jetzt gerade vor der Tür einstimmen, diverse Songs live umgesetzt und das in einem grossen Konzert in der Kaserne Basel, wo wir auch das neue Album taufen werden, so richtig zelebriert. Ja…

 

..dann kam der Part, der interessiert!

Fierce: Danach lief es quasi Backstage weiter. 

Genau, so ein bisschen Backstage müssen wir da als «Bäckstage» auch schon gehen.

Fetch: Es ist leider halb so spektakulär, wie du dir das vorstellst. Der DJ legt auf und wir geben uns vor der Bühne den Gong, trinken Bier und tanzen schlecht. 

Fierce: Das ist aber auch eine verbreitete Fehlüberlegung. Es war ein riesiges Konzert. Wirklich super. Aber dann denken die Leute, dass nach der Show noch abartig Party gemacht wird. Aber das Schöne ist, wenn du so ein gutes Konzert hattest, bist du schon so zufrieden, dass du es gar nicht brauchst, übermässig über die Stränge zu schlagen. Die besseren Parties hat man, wenn das Konzert schlecht war. Dann muss man es kompensieren. 

Schön ist auch, wenn du an einem Festival spielst und danach noch selbst Fan sein kannst und andere Band sehen kannst. Nach einem guten Konzert geniesst man es aber manchmal auch einfach im stillen, gottverlassenen Backstage zu sitzen und gemütlich ein Bier zu trinken. Zumindest eine halbe Stunde lang oder so und dann schnappst du dir ein Bier, sofern der Kühlschrank noch etwas hergibt, und gehst unter die Leute. Aber so rauschende Backstage-Parties, von denen die Leute vorne nichts mitbekommen, die sind selten. Wir gehen schon lieber dorthin, wo die Leute und unsere Kollegen sind. 

 

Feiert ihr auch mal mit den Fans?

Fetch: Ja, wir sind eigentlich immer bei den Fans anzutreffen nach den Konzerten. Wir hatten Zeiten, wo wir viele Konzerte gespielt haben und es Fans gab, die an jeder Show dabei waren. Wenn du natürlich an 20 Konzerten von uns warst, dann kennt man sich und das ist dann auch lustig, weil die Leute immer wieder kommen und obwohl man sie ja nur von den Konzerten kennt, sind es wie Kollegen und du freust dich, wenn sie kommen. 

 

Ich habe ein sehr gutes Gefühl und schaue mit viel Vorfreude auf die kommenden Konzerte, insbesondere auch für das nächste Jahr und hoffe, dass noch ein paar Openairs dazu kommen. Denn wir haben Bock und wollen die Musik wieder mit den Leuten teilen. Jetzt ist das Album draussen und es ist nicht mehr unsere Platte, sondern sie gehört allen.

 

 

Ihr seid ja hauptsächlich in Basel aktiv. Wie unterstützt Basel Kulturschaffende?

Fierce: Es gibt den Rockförderverein RFV, aus dem wir auch schon Gelder bekommen haben. Es gibt schon viele Orte, wo Musik unterstützt wird. Wir haben mal beim Basler Pop-Preis den Zuschauer-Preis gewonnen. Basel macht vielleicht schon ein bisschen mehr als andere Städte für Kulturschaffende. 

Fetch: Es wird halt vor allem die Hochkultur unterstützt. Das was in die Jugend- oder Alternativkultur fliesst, ist ein Klacks gegen das, was ins Theater oder so gebuttert wird. Es wäre schon viel für die Kultur gemacht, wenn die Rahmenbedingungen besser wären, sprich die bürokratischen Hürden nicht so hoch wären. Es müssten ja nicht einmal die Bands selbst unterstützt werden, denen muss keiner Cash in den Arsch blasen. Gute Bedingungen und coole Locations wären für eine florierende Clubkultur schon viel. Es gibt ja gewisse Kulturschaffende, die sagen, man solle nicht Musiker subventionieren, sondern die Clubs, damit die dann den Musikern eine Plattform geben und auch Gagen bezahlen können. Das Problem ist auch, dass genau diese Angebote teilweise noch fehlen. 

Wie ist es in der Basler Musikszene? Hat man da Kontakt untereinander? Gibt es da eine Art Zusammenhalt oder ist jeder für sich?

Fierce: Sowohl als auch. Es gibt viele Bands, die man kennt und wo man sich unterstützt. Auch in der Basler Rapszene. Das geht mittlerweile aber auch über die Rapszene hinaus. Es gibt immer wieder Projekte, wo sich Bands und Genres mischen. Aber logischerweise gibt es auch verschiedene Lager, die mehr oder weniger unter sich sind. 

Fetch: Es ist immer so, dass jeder sein Ding mit seinen Leuten in seinem Keller, Proberaum und Studio macht. Aber an Openairs oder bei gewissen Projekten trifft man sich dann jeweils. Es findet schon ein Austausch statt. Es gibt ja jetzt die Event-Reihe «Mitten in der Woche» in der Kuppel. Dort treffen sich regelmässig Musiker aus verschiedenen Bands und Genres, um sich auszutauschen. Beim Rap ist es zum Beispiel so, dass bei «One City, One Song», ein 83 Minuten langer Monstersong, den Black Tiger auf die Beine gestellt hat, mehr oder weniger die gesamte Basler Rapszene dabei war. Gerade beim Rap läuft man sich ständig über den Weg und es wird eifrig miteinander gearbeitet. Wir sind da sowieso offen. Meist ist es eine Zeit- und Organisationsfrage. 

Ihr habt das Album ja über das Label von Knackeboul rausgebracht. Wieso nicht bei einem Major Label?

Fetch: Weil es die nicht interessiert hat und wir keine Anfragen hatten. Vor allem aber, weil uns Knackeboul direkt angefragt hat und auf uns zugekommen ist. Er ist ein Musiker, dem man immer wieder über den Weg läuft. Ich kann mich erinnern, es war vor der Fussball-WM in Brasilien, als die Nati-Spieler im Nike-Shop in der Steinenvorstadt eine Verabschiedung gemacht und Autogramme verteilt hatten. Knackeboul war als Host vor Ort und ich war als Medienschaffender dort und so hat man sich im Gedränge gesehen: «Hey, macht ihr gerade ein Album? Dann kommt doch zu uns.» Johnny hat irgendwann schon mal mit ihm darüber geredet und so kam das zustande. Man hat ernsthaftes Interesse von seiner Seite her gespürt und wir merken das jetzt noch. Teilweise ist es halt cooler, mit einem kleinen aber feinen Label zu arbeiten, wo sich die Leute kennen und sich um dich kümmern. Sie haben vielleicht nicht die gleiche Schlagkraft wie ein Major Label, aber das brauchst du je nach dem, was du für Strukturen hast, gar nicht. 

Und da habt ihr in den 16 Jahren eine schöne Fanbase aufgebaut. Würdet ihr rückblickend etwas anders machen?

Fierce: Ich hätte vielleicht bei «Noochbrand», als sich abgezeichnet hat, dass es ein Erfolg wird, noch etwas konsequenter auf den Sound gesetzt und mehr vorwärts gemacht. Da sind ja dann doch zwei Jahre vergangen, bis es raus war. Sonst würde ich nichts ändern. 

Fetch: Im Nachhinein kann man natürlich immer sagen, was man hätte anders machen können, aber schlussendlich sind wir in der Position, in der wir jetzt sind, sehr zufrieden. 

Perspektivenwechsel. Was kommt morgen?

Fetch: Ich hoffe, dass wir gut charten. Nicht nur, weil es mich persönlich flasht, sondern weil ja heutzutage essentiell ist, ob du Medienaufmerksamkeit bekommst, ob du Bookings bekommst, und wir machen Musik, um Konzerte zu spielen und die Songs mit den Leuten zu teilen. Von daher wäre es enorm wichtig, dass wir gut charten (Anmerkung der Redaktion: Das Album ist auf Platz 4 der Album-Charts eingestiegen).

 

Was bringt die weitere Zukunft für Brandhärd?

Fetch: Wir werden sicher weiter Sound machen. Ich hoffe, es wird nicht fünf Jahre dauern, bis zum nächsten Album, aber ich kann es auch nicht versprechen. Das wird sich zeigen. Ich habe ein sehr gutes Gefühl und schaue mit viel Vorfreude auf die kommenden Konzerte, insbesondere auch für das nächste Jahr und hoffe, dass noch ein paar Openairs dazu kommen. Denn wir haben Bock und wollen die Musik wieder mit den Leuten teilen. Jetzt ist das Album draussen und es ist nicht mehr unsere Platte, sondern sie gehört allen. 

Und irgendwann gibt es dann «Straight Outta Basel».

Fetch: Genau, wir verfilmen unsere unspektakuläre Bandgeschichte (alle lachen). Aber im Film wird das dann schon spektakulärer dargestellt. 

Fierce: Ihr könnt also schon mal überlegen, wer uns dann spielt.

 

Brandhärd - «Umarm sie (360°-Version)»

 

  • Band: Brandhärd
  • Album: «Zuckerbrot & Peitsche»
  • Erhältlich ab sofort im Handel und bei iTunes per SMS (igroove HAERD an 900 senden) via iGroove
  • Alle weiteren Informationen gibt es auf der Brandhärd-Website

 

 

Shqipe Sylejmani / Do, 01. Okt 2015