«Ich wollte Heavy Metal machen, aber das hat nicht geklappt»

Interview mit Prince Jelleh
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Promobild / © Tatjana Rüegsegger

Wir erwischen Lukas Fuchs an einem sonnigen Mittwoch am Telefon. Der Songschreiber der Winterthurer Band Prince Jelleh, die ihren Indierock mit kreativen Ideen würzt, nimmt sich viel Zeit, um über seinen Bezug zur Musik zu sprechen, aber auch über Schreibprozesse, Zukunftspläne, die Aussprache des Bandnamens oder den Einfluss von Nashville auf seine Musik. Und er verrät, wieso bei den Aufnahmen zum Song «Love Is 4 Every1» soviel gelacht wurde.

 

Gleich zu Beginn des Albums fällt auf, dass ihr ironisch mit dem Bandnamen beziehungsweise der richtigen Aussprache umgeht. Ist die falsche Aussprache so oft ein Thema?

 

Ja, das ist schon so. Am häufigsten wird es Prince Jelleh wie im Englischen ausgesprochen. Ich verstehe das schon, weil das Prince in Englisch ist. Genauso wird das J fast immer als «Tsch» ausgesprochen, weil es oft ebenfalls in Englisch vermutet wird. Es gibt sogar Leute, die den Namen schon hundertmal gehört haben und ihn immer noch so aussprechen. (Anm. d. Red., Man spricht das J wie in Deutsch) Aber es hat schon alle möglichen Aussprachen gegeben.

 

Generell macht ihr euch viele Gedanken zur Musik. Die Reihenfolge der Songs wirkt durchdacht. Stilistisch sind die Songs sehr vielseitig und aufwändig. Da steckt offenbar ein Konzept dahinter.

 

Ich habe Illustration studiert und komme eigentlich aus dem erzählerischen Bereich. Das macht sehr viel mit dir und dieser Bereich schleicht sich in die Arbeit ein. Ich kann fast nicht Song an Song reihen. Wenn ich Songs schreibe, überlege ich mir schon, welches Lied zu welchem passen könnte und wie eine Geschichte entsteht. Inhaltlich natürlich, aber auch auf die Musik gesehen, also bei den Übergängen zwischen den Songs zum Beispiel. Ich bin da eigentlich genauso intensiv dabei wie beim Schreiben selbst.

 

Dann stellst du aber beim Beenden der Platte auch noch um, so ähnlich wie beim Film im Endschnitt?

 

Jaja. Ich versuche, nie zu fix zu werden, weil ich dadurch kurz bevor das Album fertig ist noch die Möglichkeit habe, zu ändern, wenn ich finde «Das mache ich jetzt lieber so» oder «Das passt so besser». In dieser Phase muss ich dann überlegen, wie der Bogen über die Platte sein soll und welche Übergänge am besten passen. Zum Beispiel war es ein mega spontaner Entscheid, nach «Dawn.» noch den Wind reinzunehmen als Übergang zu Donald Trump, der danach «Wind» sagt. Mich hat es gestört, dass nach einem Lied mit so einem schönen Ausklang direkt die nervige Stimme von Donald Trump am Anfang von «Negative» kommt.

 

Dass ihr Trump als Opener zu «Negative» gewählt habt, ist natürlich kein Zufall.

 

Klar, der Song handelt von ihm, darum hat dieser Spruch Sinn gemacht.

 

Die beiden «Gemini»-Songs sind ebenfalls in sprachliche Klammern gelegt. Siehst du die beiden Songs wie eine kleine Geschichte im Gesamtkonzept, quasi als Herz der Platte?

 

Genau, das ist eine Geschichte. «Gemini» war anfangs eigentlich ein Song. Ich habe ihn dann getrennt, aber das war ein recht rationaler Entscheid. Sonst hätten wir keine Vinylplatten pressen können, da der Song mit knapp 12 Minuten zu lange gewesen wäre. Also habe ich in der Mitte einen Schnitt gemacht und fand die Entwicklung dann ganz cool.

 

Habt ihr die gesprochenen Passagen extra einsprechen lassen?

 

Die hat es tatsächlich schon gegeben. Ich bin selber Zwilling und ich glaube eigentlich gar nicht an solche Sachen, finde aber die ganze Astrologie spannend und habe mich eine Zeitlang sehr damit beschäftigt. So bin ich dann bei Youtube gelandet und habe ein Video gefunden, wo genau diese Stimme diese Passagen sagt. Es sind sehr komische Videos mit wirklich komischen Kommentaren darunter, aber es ist herrlich.

 

 

Das aktuelle Cover haben Kollegen von uns gestaltet, die auch Grafiker und Zeichner sind. Wir haben dabei Art Director gespielt. Aber das ist auch geil, weil du halt gut mitreden kannst, weil du dich auskennst.

 

 

Kannst du als Musiker mit deiner Erfahrung schon beim Schreiben abschätzen, ob ein Song später live funktionieren könnte?

 

Das ist eine gute Frage. Ich habe das Gefühl, bisher war ich nicht schlecht mit der Einschätzung. Bisher habe ich noch nie ein Lied geschrieben, das komplett und überhaupt nicht funktioniert hat. Es ist aber schon so, dass ich Songs oft abbreche, weil ich merke «Das wird nichts». Natürlich weisst du nicht, was mit den Songs geworden wäre. Aber die Songs, die ich beendet habe, sind meistens so beim Publikum angekommen, wie ich mir das vorgestellt habe. Aber natürlich gibt es immer wieder Überraschungen. Dann denke ich, ein Song könnte richtig cool werden und die Leute nehmen ihn easy oder ein Song wird mega gefeiert und du denkst «Wow, den hätte ich fast rausgestrichen».

 

Im Februar seid ihr auf Tour gewesen mit The Gardener & The Three. Habt ihr dort schon neue Songs gespielt und Reaktionen bekommen?

 

Ja, voll. Wir haben vor allem die neuen Sachen gespielt, weil wir dachten, dass uns eh niemand kennt und wir keinen Bonus haben, wenn wie die alten Songs spielen und haben doch lieber Promo für die neue Platte gemacht. Es kam sehr gut an. Oft hängt es zusätzlich an der Band, für die die Leute kommen, wie eben The Gardener & The Tree. Dann kommt zum Beispiel ein Song wie «Lola Lola» besonders gut an. Wobei der Song live sowieso gut ankommt. Wir spielen im Set ein folkiges Lied, das natürlich bei ihren Fans sehr gut funktioniert. Das merkt man schon stark.

 

Musik war bei dir schon immer ein Thema im Leben. Wie bist du zur Musik gekommen?

 

Ich rede nicht so gerne von der Musikerfamilie, weil wir nicht alle angefressene Studenten sind, die fünf Instrumente beherrschen. Aber wir sind schon mit der Musik aufgewachsen, weil mein Vater schon immer Musik gemacht hat und wir in der Familie doch regelmässig gemeinsam gesungen und musiziert haben. Lustig ist, dass in der Familie alle mal an einem Instrument gescheitert sind. Und zwar gröber. Ich habe mal Piano gespielt und spiele es heute zum Glück wieder, aber damals bin ich mega gescheitert. Ich habe eigentlich in den USA angefangen Musik zu machen. Ich habe mit Gitarre begonnen und wollte Heavy Metal machen. Aber das hat nicht so geklappt. Mit 13 Jahren habe ich dann richtig angefangen und ins Musikmachen und Schreiben bin ich später mit der Band gekommen, weil diesen Job niemand anders übernommen hat. Wir entwickeln die Songs oft gemeinsam, aber ich gebe schon viel an Inputs vor. Aber es gibt immer wieder Songs, die nach der gemeinsamen Bearbeitung komplett anders klingen, als ich sie mir vorgestellt habe.

 

Es ist sicher auch schön, wenn du nachher siehst, wie sich ein Song entwickelt.

 

Es kann sehr erleichternd sein, gerade wenn du mit einem Song nur so halb zufrieden bist und etwas schon lange im Kopf ist, aber immer gleichbleibt und es dir nicht gelingt, noch etwas daraufzusetzen. Wenn dann jemand kommt und eine Idee hat, bist du schon erleichtert. Manchmal denkst du nachher «Das klingt ja ohne diese Idee voll schlecht, was habe ich mir dabei gedacht?».

 

Du hast eine Zeitlang in Nashville gelebt. Die Stadt hat den Ruf als starker musikalischer Einfluss. Hat Nashville etwas mit dir als Musiker gemacht?

 

Ja, voll. Es ist eigentlich noch spannend. Mit zwölf oder dreizehn war ich dort in der Schule und in dem Alter kannst du nicht auf den Broadway oder in Bars gehen, wo die Musik gespielt wird, dazu war ich knapp zehn Jahre zu jung. Aber nur schon mal in einen grossen Gitarrenladen reinlaufen, den Vibe der Leute zu spüren, weil in dieser Stadt gefühlt jeder Gitarre spielt, ist grossartig. Vielleicht habe ich unbewusst mehr mitbekommen, als ich mir denke und vielleicht liegt es daran, dass die Musik dort generell etwas präsenter ist.

 

Du bist auch grafisch talentiert. Hast du das Cover zum Album selbst gezeichnet?

 

Nein, dieses Cover ist nicht von mir. Die letzten beiden Covers haben Sam (Anm. d. Red.: Samuel Schuhmacher, Schlagzeuger von Prince Jelleh), der das Gleiche studiert hat, und ich gemeinsam gemacht. Das aktuelle Cover haben Kollegen von uns gestaltet, die auch Grafiker und Zeichner sind. Wir haben dabei Art Director gespielt. Aber das ist auch geil, weil du halt gut mitreden kannst, weil du dich auskennst. Es ist ähnlich wie beim Songschreiben, was wir vorher angesprochen haben, du beginnst etwas und jemand anders entwickelt weiter und du denkst «Wow, zum Glück habe ich das jemandem mit anderen Ideen gegeben». Das ist beim Grafischen für mich genau gleich. Sie reagieren auf deine Musik und gestalten Dinge für die du vielleicht selbst zu schüchtern gewesen wärst. Manchmal fehlt auch der Abstand, da die Songs uns als Band sehr nahe sind.

 

 

Genau und wenn du «Love is 4 every1» ansprichst. Das ist ein Song, den ich zuerst nicht so aufnehmen wollte. Das ist spontan passiert, weil es mir auf einer Gitarre eine Saite «putzt hät». Ich fand das sehr lustig, weil es eine klassische Gitarre war, die dadurch natürlich sofort verstimmt war.

 

 

Jetzt ist «Done.» fertig und wird veröffentlicht. Wie fühlt sich das an?

 

Ganz ehrlich, ich bin etwas enttäuscht, wie wenig done es tatsächlich war, als wir es aufgenommen haben. Wir waren im Grunde noch nirgends, weil ich parallel meine Bachelorarbeit gemacht habe. Das war eine richtig komische Zeit, in der ich pro Nacht höchstens drei Stunden geschlafen habe. Ich weiss gar nicht, wie das überhaupt möglich ist. Aber ich dachte, nach den Aufnahmen ist der Moment, wo du nach Hause gehst und einfach Ferien hast. Aber dann kommst du ins Editing, ins Mixing, ins Mastering und schlussendlich noch in die Promo und das Artwork steht an. Ich glaube aber auch nicht, dass nachher ein Abschluss da ist. Ich glaube, das mit dem «done» war eine Wunschvorstellung (lacht).

 

Aber immerhin haben die Aufnahmen hörbar Spass gemacht. «Love is 4 every1» ist ein sehr entspannter Abschluss, bei dem ihr viel lacht.

 

Ja und ich bin mega froh, dass wir das mit auf die Platte nehmen konnten. Mir ist wichtig, dass es nicht so einseitig ist. Nicht nur von der Musik her, sondern auch in der Art wie wir als Menschen rüberkommen. Das klingt jetzt leicht sentimental, aber man ist ja mehr als nur ernst oder nur lustig.

 

Und man kann die Musik ja trotzdem ernst nehmen, auch wenn man viel Spass hat.

 

Genau und wenn du «Love is 4 every1» ansprichst. Das ist ein Song, den ich zuerst nicht so aufnehmen wollte. Das ist spontan passiert, weil es mir auf einer Gitarre eine Saite «putzt hät». Ich fand das sehr lustig, weil es eine klassische Gitarre war, die dadurch natürlich sofort verstimmt war. Ich habe den anderen gar nicht so richtig gesagt, wie der Song geht und ihnen keine Akkorde gegeben, eigentlich gar nichts. Wir haben den Songs vorher ein-, zweimal gespielt und daher mussten alle in dem Moment so lachen, weil niemand so recht wusste, wie der Song geht. Es ist aber spontan passiert, dass die Situation so lustig wird und gemeinsam mit der Message, die schon eine Ironie hat, aber auch traurig ist, wirkt das leicht resigniert und das gefällt mir sehr gut.

 

Wie geht es jetzt weiter mit Prince Jelleh?

 

Es ist aktuell eine komische Situation, weil wir eigentlich am 3. April unsere Plattentaufe gehabt hätten und auch sonst natürlich einige Konzerte durch das Virus abgesagt wurden. Im Moment ist es wieder ruhiger, weil man weiter vorausplant, aber am Anfang dachte ich schon «Nein, ihr könnt uns sicher nicht die Plattentaufe wegnehmen». Gerade wenn man das Album «Done.» nennt, muss das schon gemacht werden, sonst bist du eben nicht done. Aber es wird sicher auch später noch geil. Wir schauen natürlich, dass wir auch wieder in Deutschland spielen können. Aber zuerst gilt mal Rücksicht und warten, bis die Corona-Krise vorbei ist.

 

Sind für euch jetzt in der Corona-Krise Konzerte über Streams eine Möglichkeit?

 

Doch, da sind wir dabei. Ich weiss nicht, wie offiziell das ist, aber Ende März werden wir ein Streamingkonzert geben. Und dann ist noch eins in Absprache. Dazu überlegen wir uns, was wir an Live-Videos aufnehmen können oder wie man sich als Musiker gegenseitig unterstützen könnte. Vielleicht mit einem Featuring oder ähnlichen Sachen.

 

Die Infos dazu stehen bestimmt regelmässig auf euren Kanälen bei Facebook oder Instagram.

Ja, genau.

 

 

Prince Jelleh - «Settle 4 The Moon»

 

* Das Album «Done.» ist ab sofort im Shop der Band und ditigal erhätlich. 

* Bandinfos: Website von Prince Jelleh

 

 

Bäckstage Redaktion / Fr, 27. Mär 2020