«Es war gar nicht unser Plan, von Radios gespielt zu werden»
Die Band Knöppel singt von «Wichsern», «Gliedern», vom Verprügelt werden und über Sex im Alkoholrausch. Die Mitglieder der Band sind aber nicht im zarten Teenie-Alter, sondern nahe der Midlife Crisis oder ein wenig drüber. Nach ihrem Erstling «Hey Wichsers» brachte das Trio um Sankt Galler Sänger Daniel «Midi» Mittag letzte Woche ihr zweites Album «Faszination Glied» raus. Die Plattentaufe West fand im Fri-Son in Fribourg statt, wo Midi mit seiner Familie lebt. Es war eine gute Idee, den Sänger vor der Plattentaufe zum Interview zu treffen. Am Abend rockte der als Jack Stroiker bekannt gewordene Barde zuerst als Jack ab, bevor er den Monofones die Bühne überliess, um später dann mit der Knöppel-Formation aufzutreten. Während bei Jack Stroiker alles noch zivilisiert zu- und herging, schwappte bei Knöppel das Niveau der Songs auf das Publikum über. Lautes Mitsingen, Stage Diving ohne Ende, wilder Pogo und verlorene Gegenstände definierten das Konzert. Während ein männlicher Gast im wilden Gelage seine Brille verlor und dann kaputt wiederfand, musste ein anderer zu Midi auf die Bühne springen und das Publikum nach seinem verlorenen Turnschuh fragen. Spoiler: Der schuhlose Mann und seine Adidastreter fanden am Schluss wieder zusammen. Eine wilde Party mit glücklichem Ausgang.
Der Tagesanzeiger hat euch just zur primitivsten Band der Schweiz betitelt. Wird Niveau heutzutage überbewertet?
Der Tageszeiger brauchte vor allem mal eine catchy Schlagzeile. Und im Gespräch sind wir dann darauf gekommen, dass Knöppel nicht so primitiv ist, aber primitiv tut. Vom Niveau her wollen wir nicht zu tief sein, aber auch nicht zu hoch. (lacht)
Geht es euch dann um die Aufmerksamkeit?
Nicht unbedingt. Wobei, wir arbeiten schon schrittweise konzeptionell. Und schon auf eine Art, welche für den Erinnerungswert einfach ist. Die Band mit dem Wort Wichser, daran kann man sich gut erinnern. Aber eigentlich möchten wir gar nicht zu bekannt werden und zerstören dies mit mieser Soundqualität und mit hohlem Abrocken und wenigen Konzerten.
Was heisst konzeptionelles Arbeiten für euch?
Die erste Platte hatte das Wort «Wichser» und in jedem Song kam das Wort mindestens einmal vor. Auf der neuen Platte geht es nun um das Motto «Glied». Dadurch ergibt sich ein roter Faden. An erster Stelle stehen die Songs, aber auch das Design ist mir wichtig, dass es zusammenpasst. Ich habe immer ein Bild vom Gesamtprodukt im Kopf.
Du siehst dich also voll als Produktmanager?
Ja voll, so in der Art. (lacht) Corporate Identity, der volle Scheiss. Aber alles selbst. Auch die Albumcovers.
Und wie komponierst du? Wie entstehen die Songs? Bei 1-2 Bierchen?
Ich schreibe immer nüchtern. Häufig auch tagsüber. Wenn ich in einer Songschreibphase bin, schaue ich, dass ich jene Ideen, die funktionieren könnten, irgendwo aufschreiben kann. Meistens ist zuerst der Text da. Meistens ist der Hook da, der Refrain. Um den herum entwickelt sich das Ganze und es geht darum, möglichst viel lyrische Qualität reinzupacken. Und du musst dann schauen, dass nach 3 Minuten der Song auch wieder vorbei ist. Und dann ist gut.
Hattet ihr mal Angst, dass euch die Radios nicht spielen würden?
Es war gar nicht unser Plan, von Radios gespielt zu werden. Als Jack Stoiker war ich lange Zeit mit Marc unterwegs und ich hatte sehr grosse Lust, Punk zu machen mit einem Schlagzeuger. Wir haben die Band auch nur zum 40. Geburtstag eines Kollegen gegründet. Also primär für uns. Jack Stoiker als Zugpferd. Wir kommen als Jack Stoiker spielen, wenn wir dafür auch Knöppel spielen dürfen. Jack Stoiker ist lange her und eine entsprechende Distanz entstand mit der Zeit zur Figur Stoiker. Und mit Knöppel wollte ich nochmals frisch anfangen.
Gab es mal eine Zeile, die dir zu derb war und wo du dich selbst zensurieren musstest?
Früher mit Jack Stoiker schon. Heute mit Knöppel bleibe ich sehr im Rahmen, der niemanden stört. Auf dem neuen Album gibt es einen Song namens «Tourette Syndrom», den würde ich niemandem ans Herz legen, weil es viele Betroffene gibt. Es ist natürlich nicht das Ziel, denen auf den Schlips zu treten oder sie lächerlich zu machen, das ist klar. Man möchte niemanden auf dem Schlips treten.
Du hast auch einen Alltagsjob als Witschaftsinformatiker. Hattest du Bedenken als du wieder auf Knöppel gesetzt hast? Und auf Wörtern wie Wichser?
Ich bin seit über 10 Jahren bei meinem Arbeitgeber und die wussten zuerst einmal lange nicht, dass ich der Jack Stoiker bin. Man hat ihn in Bern gar nicht so gut gekannt. Irgendwann ist es rausgekommen. Aber als Informatiker ist das recht easy, da kannst du solche Sachen noch machen. Ich hänge es aber auch nicht an die grosse Glocke. Das ist alles recht gemütlich.
Muss man als Wirtschaftsinformatiker ab und zu Dampf ablassen?
Also ich würde. Ich bin als Informatiker aber auch extrem gerne spiessig und konservativ und pingelig. Und dann ist es noch gut, wenn man ein Ventil hat. Knöppel als Gegengift ist mehr als Gegengift zu der Corporate Denkweise, also zum Beruf. Das gute Corporate Leben, so schön es ist, das kann nicht alles sein.
Du hast selber Kinder. Hören die deine Musik?
Meine Kinder nur indirekt. Aber die 5. und 6. Klassen bei den Buben wissen wer Knöppel ist.
War das ein Thema? Der Papi darf die Wörter brauchen, ihr aber nicht?
Das ist ein wenig problematisch. Du willst ihnen ja nicht erklären, was Wichser eigentlich bedeutet. Es ist einfach ein «blöder Siech». Und diese Definition hat meinen Kindern ewig lange gereicht und wenn wir ehrlich sind, die ist heute immer noch gültig.
Und jetzt zum Schluss eine absolut niveaulose Frage: Ist Alkohol deine Fickdroge.
Nein, absolut nicht, Alkohol ist die Anti-Fick-Droge. Es ist die Droge, die sicherstellt, dass man es nicht schafft zum Ficken, auch wenn man gerne würde. So durch. Fickdroge wäre eher Kokain, die ist mir dann aber zu sehr VW Golf-Droge, die würde ich schon allein deswegen nicht nehmen.
Danke, super Statement zum Schluss.