Zwischen Ingwerbrühe und keltischen Träumen

Konzertkritik: Iona in Wädenswil
Bildquelle: 
Jean-Daniel von Lerber

Rothaarige, etwas heruntergekommene Typen, in der linken Hand ein Guinness, in der Rechten das Instrument. So stelle ich mir klischeehaft eine irische Band vor. Bei IONA aber ist das anders, ein Rotschopf ist es nicht, der in die Tasten haut. Die vor 23 Jahren gegründete Band bezieht sich mit ihrem Namen auf eine kleine schottische Insel, die bedeutend die keltische Geschichte prägte. So verschreiben sie sich ganz der keltischen und irischen Musik. Doch mit dem klassischen „Irish Folk“ hat ihre musikalische Prägung nicht viel zu tun. Ja, was spielen sie eigentlich?

 

Diese Frage beschäftigte mich das ganze Konzert durch. Irish, Celtic? Progressiv Rock? Höre ich da einige Jazz-Riffs heraus? Oder ist es doch eher ambient? Ein Mix aus alledem trifft die Sache wohl auf den Punkt. Dave Bainbridge spielte auf seiner Gitarre Soli, die man seiner Gestalt kaum zuschreiben würde. Mit seinen langen, schütteren Haaren im Professorenschnitt gleicht er doch mehr einem Geschichtslehrer. Vielleicht gerade wegen seines unscheinbaren Äusseren lassen seine technischen Spielereien kein Gitarrenliebhaberherz im Normaltakt weiterschlagen. Doch wieso sich nur auf ein Instrument beschränken? Dass die Band musikalisch einiges auf dem Kasten hat, bewiesen die Mitglieder mit ständigem Wechsel der Instrumente. Kaum einer beendete das Konzert mit demselben Instrument, mit dem er es begonnen hatte.

 

Wenn Dave gerade nicht die Bühne mit seinen Gitarrensoli buchstäblich wegfegte, spielt er auf einem seiner drei Keyboards – während er gleichzeitig am Synthesizerrack feinjustiert und die verschiedenen Instrumente zu einem ganz neuen Klang verwob. Gekonnt füllt er den Raum mit sphärischen Akkorden und damit gleichzeitig die Basis für Joanne Hogg‘s sanfte Stimme. In englischer oder gälischer Sprache sang sie über die Liebe, tanzende Engel oder über ein neues Königreich und das alles trotz einer üblen Erkältung. Auf den Gängen traf ich sie Ingwerbrühe trinkend und röchelnd wie ein Drache. Auf der Bühne schien sie wie verwandelt. Sie versetzte den Zuhörer in eine Stimmung, die ihn davon tragen liess, den eigenen Gedanken völlig ausgeliefert. Dies eröffnet ungeahnte Möglichkeiten, setzt aber auch gewisse Bereitschaft des Zuhörers voraus. Kurze, eingängige Songs gab es kaum, jedes der Stücke dauerte an die 10 Minuten, liess Solis und Gesangsteile rivalisieren und verschmelzen.

 

Aber auch das typisch Irische fehlte nicht. Mit Martin Nolan sass nicht irgendwer auf der Bühne. Ein Meister der Uilleann Pipes – ein Instrument ähnlich dem Dudelsack: gleiches Gedudel, aber ohne Gepuste. Besonders interessant: Die unglaublich schnellen Solis, die Dave auf der E-Gitarre und Martin auf der Uilleann Pipes gleichzeitig spielten. Mit geschlossenen Augen wiesen diese doch eigentlich so verschiedenen Klänge eine erstaunliche Gemeinsamkeit auf. Doch Martin konnte auch auf der Low Whistle sowie der Tin Whistle – der typisch irischen Flöte –brillieren. Obwohl die Intonation nicht immer lupenrein war – diese Flöten lassen sich kaum oder nur schwer stimmen – liessen die Klänge das ferne Irland plötzlich ganz nahe erscheinen.

 

Martin Nolan (l.) und Dave Bainbridge (r.)

 

Meiner Meinung nach eines der Highlights des Abends aber war der Drummer Frank Van Essen. Selten habe ich einen Schlagzeuger sein Instrument so vielseitig einsetzen sehen. Die teils schwierigen Taktarten – 5/4 und 7/4 waren nicht selten – füllte er gekonnt mit meisterlich präzisen Rhythmen – und das Ganze ohne sich aufzudrängen. Gekonnt reduzierte er das Spiel auf ein Minimum, um dann mit doppelter Energie wieder das Ruder zu übernehmen. Und wer hätte gedacht, dass Drummer auch zarte Saiten haben? Als das Keyboard schwebende Akkorde auflegte stand er auf und begann auf der Violine nachdenkliche Musik zu spielen, die sehr an Vangelis Instrumentalstücke erinnern – nur ohne dessen klaren Melodienverlauf.

 

So erstaunt es nicht, dass die 250 teils tanzenden Besucher der Glärnischhalle in Wädenswil die Band erst nach einigen Zugaben von der solide ausgeleuchteten Bühne entliessen.

 

Zusammengefasst ein starkes Konzert mit unglaublichen Musikern. Vielleicht standen hier fast zu viele gute Musiker auf der Bühne, die manchmal mehr als einzelne Individuen denn als Band auftraten. Liebhaber des irischen progressiv Rocks, die sich auch von den teils spirituellen Texten nicht stören liessen, sind bei diesem Konzert aber klar auf ihre Kosten gekommen.

 

Infos zur Band findet ihr auf der Website von IONA.

Simon Huwiler / Do, 22. Mär 2012