Marius Bear im WERKK Baden

Konzertkritik: Marius Bear in Baden
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Archiv Bäckstage / ©Sandra Rohrer

Die Atmosphäre erinnert an einen kalten Tag zu Hause im Wohnzimmer. Gemütlich auf der Couch, mit einer kuschligen Decke und einem warmen Getränk zwischen den Händen, welches die Finger wärmt aber auch das Herz.
Eine innige Stimme holt die Zuschauer aus der Vorstellung in einen richtigen Traum. Der so nah und irgendwie fassbar ist.
Doch wem gehört diese Stimme?

 

Bevor sich das Konzertlokal WERKK in Baden, in ein wundervolles, träumerisches Wohnzimmerkonzert umwandelte, hörte man laute Stimmen. Das Publikum sprach über die Arbeit und wie mühsam die Woche doch war. Dann hörte man Stimmen aus der Menge die sagten: «Weisst du, das ist mein erstes Konzert seit der Pandemie, ist das nicht furchtbar?» Ja, eine furchtbare Vorstellung, auch für mich. Keine Musik seit bald 2 Jahren und dann das.

 

Die Stimme auf der Bühne im WERKK gehörte Abu. Auf Spotify in der Kurzbiographie wird seine Musik als «Ein physikalisches Ding beschrieben, in welchem er über starke Gefühle, Schmerz, Wunden und Spannungsmomente, aber auch relaxe Momente singt.

 

Der Freiburger Musiker ist schon immer in der Musikszene unterwegs, zuerst nur im Hintergrund und seit dem Jahr 2011 kennt man seinen Namen. Denn dann hat er sein erstes Album «Earn and Seed» released und sich einen Plattenvertrag bei Universal gesichert.

 

Abu war also das Feuer im Kamin an einem kalten Herbsttag. Für die aus dem Publikum, welche seit der Pandemie keine Bühne mehr gesehen hatten, ein sanftes und erfreuliches Erwachen aus einem langandauernden Schlaf. Abu zeigte sich aber nicht nur von der musikalischen und sanften Seite. Mit einfachen Erzählungen aus seinem Alltag als Musiker brachte er das Publikum mehrfach zum Lachen und gewann den einen oder anderen neuen Fan.

 

Die Vorstellung eines flackernden Feuers im Kamin vor dem kuschligen Sofa wurde nach dem Auftritt des Support Acts durch wirres Gerede im Publikum rasch erloschen. « Den kannte ich gar nicht.», «Abu woher kommt dieser sympathische Kerl», «Da hat Marius einen tollen Support Act mitgenommen.»

 

Stichwort: Marius. Wo blieb er? Eine kurze technische Panne sorge für eine kleine Verspätung des Hauptacts. Trotzdem liess er sein Publikum nicht lange warten. Marius füllte den Raum mit seiner rauen und warmen Stimme. Das Publikum war auf einen Schlag ruhig und lauschte seinen mit Liebe und Schmerz erfüllten Texten.
Im kleinen WERKK stand Marius dem Publikum so nah und mit seiner authentischen und ehrlichen Art trug er zu einem enormen Gemeinsamkeitsgefühl bei.
Alle im Publikum wippten im selben Rhythmus hin und her, lachten einander an und sangen die einen oder anderen Verse der Songs mit, besonders viele Stimmen hörte man beim Song Hig Notes und dem Cover Song «I Wanna Dance With Somebody», mit welchem er bei der deutschen TV-Sendung «I can see your voice» den Durchbruch in die deutsche Musikszene schaffte. Dieses Gefühl von Zusammenhalt löst der Appenzeller mit einer Gitarre und einem Mikrophon aus.

 

Am Donnerstag ist der Videoclip zum neuen Song «Evergreen» erschienen. Ein lustiges Video, welches Marius Kopf auf verschiedenen Körpern zeigt, während er surft, den Spagat macht oder durch die Strassen von Zürich läuft.
Die gute Laune verbreitet Marius aber nicht nur mit dem Video, sondern auch am Samstag im Werkk in Baden mit seinen Erzählungen über die Olma und seinem ständigen Lächeln bei jedem Song. Und vor allem beim Spielen der Zugabe «Evergreen», welche am 24. September erschien.

 

Auch die Band verbreitet positive Vibes im ganzen Lokal. Sein langjähriger Keyboarder Marvin Trummer animiert das Publikum zum Mitsingen, der Gitarrist Francois Emmanuel Le Cunff sorgte mit kurzen Solofrequenzen für Gänsehautmomente, der Bassist Oliver und der Drummer Roman waren auf Grund der kleinen Bühne etwas im Hintergrund versteckt, waren aber kaum weg zu denken.

 

Freude waren nicht die einzigen Gefühle die an jenem Abend ausgelöst wurden.
Obwohl Marius mit seiner fröhlichen Art das Publikum aus der Vorstellung eines kuschligen Wohnzimmerkonzerts zurück in einen Konzertsaal holte, brachen beim Song «Not Loud Enough» vom gleichnamigen Album (2019), Gefühle von Sehnsucht, das Bild des Kamins, der fast erlosch, wieder aus.
Der kuschlige Abend auf der Couch verwandelte sich am Samstagabend im WERKK zu einer Achterbahn der Gefühle und sorgte dafür, dass die Menschen im Publikum nach der Show über nichts anderes sprachen wie dieser Auftritt.

 

Nach einer schrecklichen Musikpause auf Grund von Corona mein erstes Konzert.
Als Marius Bear-Fan bleibt mir nichts anderes übrig als ihm und seiner Band nahezulegen, weiterhin Musik zu machen, in der Schweiz, im Ausland … Ich sehe enormes Potenzial für grosse Bühnen. Schade, dass das Konzert nicht ausverkauft war. Wer Marius noch nie live gesehen hat, muss das unbedingt nachholen!

 

Valeria Piediscalzi / Mo, 18. Okt 2021