Rock the Ring rockt wieder
Endlich hat es wieder einmal gerockt im Hinwiler Ring. Nach zwei Ausgaben mit Pop- und HipHop-Acts hat sich die Festival-Organisation die laute Kritik zu Herzen genommen und den Namen «Rock the Ring» wieder zum Programm gemacht. Und wie. Das Line-Up hat bereits im Vorfeld mit grossen Namen für offene Münder und Begeisterung gesorgt.
Musikalisch ist das Festival also wieder zurück zu seinen Wurzeln. Ansonsten aber hat es dieses Jahr einige Änderungen gegeben. So bemerkten treue Rock-the-Ring-Gänger schon beim Einlass, dass das Gelände anders eingeteilt und somit auch etwas grösser wurde. Die Zahlkarte, die letztes Jahr erstmals obligatorisch eingesetzt worden ist, wurde schon wieder abgeschafft (zum Glück), und auch das Riesenrad musste erstmals seinen Platz räumen.
Wer nun am ersten Festivaltag den Weg durch das umgebaute Gelände zur Hauptbühne fand, wurde als erstes mit Inglorious belohnt. Die Briten haben die Schweiz schon ein paar mal beehrt, allerdings stets auf sehr viel kleineren Bühnen. Aber auch im grossen Rahmen konnte Sänger Nathan James mit seiner unglaublichen Stimme und seinen Hardrock-Kumpanen überzeugen. Leider kamen längst nicht alle in den Genuss der Darbietung – auch jene die durchaus gerne wollten – denn die Türöffnung war gerade mal eine halbe Stunde vor Beginn und dem Andrang nicht gewachsen. So standen die meisten Zuschauer noch an während Inglorious ihr Set spielten. Schade und vor allem erwart- und vermeidbar, hätte man die Pforten eine halbe Stunde früher geöffnet.
Ebenfalls in Stress kamen Zuschauer, wenn sie sowohl die Hauptacts als auch die kleineren Bands auf der B-Stage sehen wollten. Diese spielten nämlich im Wechsel und zeitlich fast nahtlos, und die Bühnen waren nun so weit auseinander, dass man stets am hin- und herrennen war. Der Stress lohnte sich allerdings meist, denn die B-Stage hatte viele gute Bands zu verzeichnen, die es teilweise auch verdient hätten, auf der grossen Bühne zu spielen. So etwa die Zürcher Band Underskin, Fire Rose aus dem Baselbiet, Black Diamonds aus dem Rheintal oder auch Maverick aus Nordirland. Sie alle vermochten das Publikum, das es vor die B-Stage geschafft hat, kompromisslos zu begeistern.
Nach 13 Jahren wieder live in der Schweiz: Def Leppard
Die grössten Massen konnten selbstredend die Acts auf der Mainstage vor sich versammeln; allen voran Def Leppard. Die Fans der britischen Kultband musste 13 Jahre lang auf ein Konzert in der Schweiz warten. Und auch an diesem Tag war noch etwas warten angesagt. Immerhin mit guter Unterhaltung. Nach Inglorious heizten FM, Tesla und Whitesnake dem Publikum ein. Letztere sind zwar öfters mal in der Schweiz, konnten aber trotzdem eine ganze Zuschauermenge ins Zürcher Oberland loccken. Mit ihren Hits wie «Here I Go Again» oder «Is This Love» sorgten sie für eine super Stimmung im Ring. Dass Sänger David Coverdale stimmlich schon länger nicht mehr richtig fit ist, vermögen die Briten dabei immer geschickt zu überspielen.
Als um 23 Uhr endlich Def Leppard die Bühne betraten, schien die Stimmung fast schon gespannt. Ob sich die 13 Jahre warten gelohnt hatten? Und ob. Mit den Krachern «Rocket» und «Animal» gleich zu Beginn war das Publikum sofort mitgerissen, die Stimmung für den Rest des Abends gesetzt. In der Mitte gab es dafür ein paar Durchhänger mit neueren und langsameren Songs, wo stattdessen durchaus noch mehr alte Hits Platz gehabt hätten. Rausgerissen haben das schliesslich die Mega-Hits «Pour Some Sugar On Me», «Rock Of Ages» und «Photograph», die zum Schluss kamen. Ausserdem sorgte ein farbiges Bühnenbild mit Videoinstallationen und alten Bildern für ein audiovisuelles Erlebnis. Ein Highlight war natürlich auch das Schlagzeugsolo von Rick Allen, der 1985 seinen linken Arm bei einem Autounfall verlor.
Der nächste Tag war zielich fest in Schweizer Händen. Auf die Luzerner Band Maxxwell, die die Bühne mit ihrem energetischen Hardrock zum Beben brachte, folgte die einzige internationale Band auf der Hauptbühne – Saxon aus England. Die Vorreiter des New Wave of British Heavy Metal hatten das Publikum trotzdem auf ihrer Seite und überzeugten musikalisch und mit viel Charme und Interaktion mit den Zuschauern.
Mit Krokus und Gotthard standen danach zwei der bekanntesten Schweizer Hardrock-Vertretungen auf der Bühne. Beide Bands spielten nicht zum ersten Mal am Rock the Ring. Krokus, die zuerst an der Reihe waren, liessen wie gewohnt ein Feuerwerk an grossen Songs los und überzeugten damit einmal mehr vollkommen. Schade, dass es sich hierbei um die grosse Abschiedstournee der Band handelt. Zwei Trostpflästerchen gibt es dabei allerdings: Krokus kann man dieses Jahr noch sehr oft live bewundern. Und: Schon viele Bands haben ihre angeblich letzte Tour hinter sich gebracht, bevor sie gar nicht viel später doch wieder vereint waren.
Gotthard waren mit ihrem «Defrosted»-Set in den Ring gekommen – also akustisch. Schon seit geraumer Zeit haben sich die Tessiner etwas weiter vom Hardrock entfernt. Sehr zum Leidwesen vieler Fans. Die Stimmung in Hinwil war schliesslich trotzdem wunderbar, nicht zuletzt wegen Mitsing-Balladen wie «Heaven» oder «One Life, One Soul», bei denen noch immer dem vor neun Jahren verstorbenen Sänger Steve Lee gehuldigt wird.
Aktivistische Midnight Oil und Hits mit Lynyrd Skynyrd
Auch der finale Samstag wurde auf der Hauptbühne von einer Schweizer Band eröffnet. King Zebra, die seit einiger Zeit mit neuem Sänger auftreten, brachten ein bisschen die 80er-Rockvibes vom Donnerstag zurück in den Ring, bevor Jared James Nichols die Zuschauer irgendwo in die amerikanischen Südstaaten entführten. In den jungen Bluesrocker hatte ich mich bereits vor ein paar Jahren als Support-Act für Lynyrd Skynyrd schockverliebt. Auch dieses Mal überzeugte der US-Amerikaner an der Gitarre und mit seiner tollen Stimme gleichermassen, und liess nicht nur die Herzen der anwesenden Frauen höher schlagen.
Nach Jared James Nichols waren wie jedes Jahr die Kunststücke des PC-7-Teams – der Luftwaffe der Schweizer Armee – zu bestaunen. Anscheinend zum Ärger der nächsten Band Midnight Oil aus Australien. Die «Beds Are Burning»-Band klagte über die Luftverschmutzung und hatte auch sonst einiges an Aktivismus parat; Von Frauenrechten über Anti-Fracking bis Pro-Aboriginees war alles dabei. Midnight Oil sind aber auch bekannt dafür, politische Botschaften in ihre Auftritte einfliessen zu lassen.
Beinahe unpassend scheint da der Auftritt von Lynyrd Skynyrd im Anschluss. Die Band aus Florida zelebriert seit Jahrzehnten den Südstaaten-Lifestyle Americas. Mit Erfolg. Noch immer reissen sie die Zuschauer mit ihrem Southern-Rock mit. «That Smell», «Call Me The Breeze», «Simple Man» und natürlich «Free Bird» und «Sweet Home Alabama» – hier jagte ein Hit den nächsten. Skynyrd überzeugten dabei nicht nur musikalisch, sondern auch optisch. Alte Fotos und Plattencover zierten die Leinwand hinter ihnen. Zudem gedachten sie so ihren alten Bandmembern und Crewmitgliedern, die in den 70er Jahren bei einem tragischen Flugzeugunglück ums Leben kamen.
Die Bands überzeugten also auf ganzer Linie an der sechsten Ausgabe des Rock the Ring. Endlich rockt es wieder im Ring, und auch auf der B-Stage waren einige Schätze zu entdecken. Ein Kritikpunkt, der immer wieder laut wurde, waren die wenigen Frauen im Line-Up. Einzig Andrina Travers von Underskin und Jennifer Crush von Supernova Plasmajets konnten auf der B-Stage ihre Frauenpower zeigen. Auf der Hauptbühne könnte man höchstens noch die Background-Sängerinnen von Gotthard und Lynyrd Skynyrd dazu zählen.
Das Publikum selbst war sehr durchmischt, sowohl geschlechts- als auch alterstechnisch. Und wohl auch standeshalber, was die grosse VIP-Lounge, die Firmenzelte und der Golden Circle immer wieder zeigen. Das Rock the Ring ist und bleibt ein ausserordentlich kommerzielles Festival. Aber immerhin ist es in Punkto Line-Up wieder auf dem richtigen Weg. Die Acts von diesem Jahr sind kaum zu toppen. Mal sehen was 2020 bringt.