Heisses Eis
Donnerstag, 8. Januar
Zwischen Wald, Bach und urchigem Restaurant – in dem sich übrigens auch der Backstage-Bereich befand – war das grosse und vor allem aber beheizte Zelt mit Bühne, Sitzbereich, Küche, Bars und sogar einem Hotpot aufgebaut. Ein durchwegs sauberer WC-Wagen und ein Lagerfeuer kümmerten sich draussen um die natürlichen und individuellen Bedürfnisse. Die Kunst des Ganzen war, dass das Festival zwar gut besucht, aber nie gerammelt voll wirkte.
Aber genug Geschwärme über die Location, denn es geht auch hier vor allem um eins – die Musik. Als erstes standen am Donnerstagabend vier junge Aarauer auf der Bühne – Rusted Guns. Glitzerjacken, Leggins, viele Tücher und lange Mähnen liessen kein Rätsel offen, um welchen Musikstil es sich dabei handelte. Der 80er-Glamrock wurde dann auch in bester Manier und Qualität durchgezogen, und Rusted Guns eröffneten das Ice Rock Festival mit Erfolg.
Mit der nächsten Band Dirty Age aus Deutschland stürmte dann ein richtiger Wirbelwind auf der Bühne umher und begeisterte das Publikum mit geradlinigem Rock’n’Roll. Und das ist nur dem Glück zuzuschreiben, dass das Ice Rock Festival über eine komplette Backline verfügte. Denn Dirty Age mussten ihre eigene – den Grenzpolizisten und einer fehlenden Anhängerbescheinigung sei Dank – in Deutschland stehen lassen.
Dann folgte der Einbruch. Vielleicht, weil die Franzosen die Exoten (die einzigen nicht-deutschsprachigen des Abends) waren, vielleicht auch weil die Dreiercombo musikalisch nicht so überzeugen konnte, jedenfalls kam Bloody Mary beim Publikum gar nicht gut an. Fast taten sie einem ein bisschen leid, wie Sänger Peter von Toy die Zuschauer vergeblich versuchtem, zum Mitmachen zu animieren. Diese wollten aber partout nicht die Mittelfinger in Richtung Bühne halten, auch wenn der Song noch so sehr «Fuck You» heisst. Für Bloody Mary war es der erste Auftritt der letzten Tour. Hoffen wir, dass es an den restlichen Konzerten besser läuft.
Die lokale Band «Dominant Seventh” konnte zum Abschluss wieder deutlich mehr Leute vor der Bühne versammeln und mitreissen. Mit abwechslungsreichem Rock und Bauernwitzen (tatsächlich mussten zwei der fünf Musiker nur wenige Stunden später zum Melken raus) gewannen sie das Publikum eindeutig für sich.
Freitag, 9. Januar
Der Freitag begann, wie der Donnerstag aufgehört hatte – mit einer westlich angesiedelten Schweizer Band. Dögz aus Solothurn spielten mitreissenden Blues-Rock. Dass man Sänger Phippu Gerber – der bis vor kurzem noch unter diesem Namen tourte – nicht nur während dieses Auftritts sah, war kein Zufall. Als Bühnenmanager war er die ganze Zeit voll im Einsatz. Zu der talentierten Kombo gehört ausserdem der legendäre Krokus-Drummer Freddy Steady, und als ob das nicht schon genug wäre, hat man sich auch noch Schöre Müller mit ins Boot geholt, der nicht nur an der Gitarre, sondern auch mal am Mikrophon glänzte.
Weiter ging es mit Frauenpower. Die Frontfrau der schwedischen Band Sister Sin war ein wahres Powerpaket, und hatte besonders für die männlichen Gäste auch optisch etwas zu bieten – auch wenn sie etwas gar fest geschminkt war.
Die Bühne blieb weiterhin von Schweden beherrscht. Dynamite brachte die Menge mit Sound à la AC/DC zum Kochen. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich vor der Bühne auffällig viele AC/DC-Kuttenträger versammelten und fleissig mitrockten.
Zum Abschluss des zweiten Festival-Tages ging es wieder in den Süden, oder noch eher in den Westen, und zwar in den wilden. Die Deutschen Dezperadoz präsentierten sowohl optisch als auch musikalisch stimmungsmachenden Cowboy-Country-Rock, inklusive «Yippie Ya Yeah» (funktioniert auch als Songtitel) und «YeeHaw». Leider befanden sich zum Zeitpunkt des Auftritts von Dezperadoz nicht mehr ganz so viele Leute vor Ort, sodass der Act etwas unterging.
Samstag, 10. Januar
Am Samstag begann das Programm dann bereits um 15 Uhr. Die erste Band The Minx (am Ice Rock schon alte Bekannte) aus dem Seeland, freute sich, dass sich das Zelt bereits zu füllen begann, und auch die Bar wurde schon rege genutzt.
Mit Human Zoo war anschliessend einmal mehr eine deutsche Band am Start. Der sonst vor allem optisch bei Sänger Thomas Seeburger klischierte Hard Rock wird von Saxophonist Boris Matakovic unterstützt – was ungewöhnlich ist, jedoch wirklich gut kommt.
Langsam drang das Ice Rock Festival in härtere Gefilde vor, und das Zelt füllte sich immer mehr. Nach der schwedischen Powerrockband Eclipse kam eine Band, die für einige Leute an diesem Abend der Hauptgrund war, das Festival überhaupt zu besuchen – Morgana Lefay. Die Schweden spielten kräftigen Powermetal, brachten die Menge zum Headbangen und Jubeln, und hatten selbst sichtlich Spass auf der Bühne.
Mit Powermetal ging es gleich weiter und zwar nicht weniger gelungen. Brainstorm aus Deutschland liessen das Festzelt beinahe erbeben, und anscheinend sogar Quellen kurzzeitig versiegen – denn auf einmal hatte die ganze Region ein Wasserproblem. Und das Festival in Konsequenz ein WC-Problem, was aber mit Humor aufgenommen wurde und besonders die weiblichen Besucherinnen nicht davon abhielt, trotzdem vor dem Toiletten-Wagen anzustehen.
Den Abschluss des Samstags, und somit des gesamten Festivals, bildete eine eher umstrittene Band – Kissin’ Dynamite. Es war sowohl altersmässig die jüngste Band des Ice Rocks, als auch mainstreammässig die bekannteste, und in ihrem Auftreten auch die aufgesetzteste, was auf viele wohl abschreckend wirkte. Tatsächlich fanden sich in der ersten Reihen vor allem Frauen ein, die den Jünglingen zujubelten. Trotzdem konnte man den Deutschen die musikalische Qualität nicht abstreiten, auch wenn die Show zu Beginn leider nicht gut abgemischt war, und die Stimme von Hannes Braun nicht richtig zur Geltung kam und zum Teil sogar viel schwächer wirkte, als sie eigentlich ist.
Die Besucher des 13. Ice Rock Festivals konnten sich noch ein wenig weiter an den Bars oder im Hotpot amüsieren, bevor sie dank des regelmässig fahrenden Shuttle-Busses wieder nach Hause oder ins Hotel gebracht wurden. Im Gedächtnis bleiben ihnen viele tolle Bands, eine sehr lockere und familiäre Stimmung, und ein Team aus Organisatoren und freiwilligen Helfern, die jedes Jahr wieder dafür sorgen, dass Rockfans auch im Januar voll auf ihre Kosten kommen. Das nächste Ice Rock Festival steht bei manchem bestimmt schon wieder in der Agenda.