Auf Tarantinos Spuren
Irgendwo in der Schweiz liegt inmitten grüner Hügel- und Waldlandschaften, direkt an einem schönen blauen See und umringt von alpinen Bergen, das Dorf Gottlingen. Die Bewohner kennen sich gut, böse Absichten sind ihnen völlig fremd. Genauso fremd wie die reichen Mitglieder einer US-Sekte, die ausgerechnet in ihrem Dorf das «Zentrum der Energie» finden. Geduldig ertragen die Gottlinger die gut zahlenden ausländischen Besucher, bis eines Tages alle Mitglieder der geheimnisvollen Gemeinschaft bei einem Autounfall ums Leben kommen. Jahre später tauchen weitere Sektenmitglieder aus Amerika in Gottlingen auf. Statt vom Unglück zu berichten, verkleiden sich die Gottlinger aber selbst als Sektenmitglieder. Dieser Betrug führt aber nicht nur zum kompletten Chaos, sondern auch zu einer unvermeidbaren Katastrophe.
Sie kamen in Frieden (Bild 1) und ihr Abschied war explosiv (Bild 2).
Das St. Galler Regiewunder Dennis Ledergerber («ZuFallBringen») inszeniert seinen zweiten Spielfilm im Stil von Idol Quentin Tarantino. Ledergerber lässt es krachen. Im wahrsten Sinn des Wortes und zwar schon während der Einleitung. Das spektakuläre Ende der Sektenmitglieder lässt vermuten, dass es sich beim «Himmelfahrtskommando» um keinen typischen Schweizer Film handelt. Geschickt wird mit dem Image der Schweiz als Paradies auf Erden gespielt, etwa wie beim hilfsbereiten Postboten, der den Schulkindern auch mal schnell das vergessene «Z’Nüni» vorbeibringt. So lernen wir im ersten Kapitel «Der Pöstler» - wie gesagt Tarantinofans dürfen sich freuen - den Alltag des immerguten und leicht naiven Postboten (Walter Andreas Müller, «Fascht e Familie») kennen. Er nimmt uns mit auf eine Tour durchs Dorf und lässt uns dadurch deren Bewohner besser kennenlernen: den dubiosen Pfarrer mit sadistischen Vorlieben, den leicht überforderten und korrupten, aber durchwegs engagierten Gemeindepräsidenten (Beat Schlatter, «Katzendiebe», «Komiker») und den groben, feindseligen Bauern (Andrea Zogg, «Tatort») mit ausserordentlichem Fremdenhass, obwohl er auf einen tschetschenischen Hilfsarbeiter, massgebend «Russe Ivan» genannt, angewiesen ist.
Der Pöstler in geheimer Mission (Bild 1) und der muffelige Bauer samt Sohn, Hilfsarbeiter Ivan und Zuchthahn Prinz Leopold (Bild 2).
Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Geldgier und Moralzerfall werden unterschiedlich stark in den vorgestellten Kapiteln behandelt. Dabei zentrieren sich die Kapitel meist um eine der Dorfgestalten. Langsam werden die Verflechtungen und Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Schicksalen klarer und deutlicher, bis das Ganze in einem fulminanten Finale endet. Und obwohl einige der bewusst seltsam und überflüssig klingelnden «Cheeseburger»-Dialoge zu Beginn ein wenig konstruiert wirken, verbessert sich deren Kultcharakter mit dem Verlauf der Story wesentlich. Dazu trägt massgebend die grosse Dichte an ausgezeichneten Schauspielern bei, die alle äusserst scharf und klar gezeichnete Figuren spielen. Verantwortlich dafür ist Autor Stefan Millius auf dessen gleichnamigen Roman der Film basiert. Zusammen mit Ledergerber verfasste er ausserdem das Drehbuch und ist im Film sogar mit einer Nebenrolle vertreten.
Seltenes Schweizer Filmvergnügen, trotz kleinem Budget
Kooperationen wie diese zeigen, wie es den Machern trotz eines Low-Budgets von circa 100‘000 Franken möglich war, einen der besten Schweizer Filme der vergangenen Jahre zu zaubern. Neben der intelligent verflochtenen Handlung, den coolen Figuren, einem rasanten Schnitt, leidenschaftlichen Szenen und ein wenig Splatter-Spass, sorgen ironische Anspielungen für gute Unterhaltung. So ähnelt die singende und im Auto verunglückte Sekte amüsanterweise stark an die «Slow down and take it easy»-Kampagne. Und obwohl einige der Sing-Szenen vielleicht gekürzt hätten werden sollen, geben sie dem Film als Ganzes eine unbeschwerte Stimmung. Entgehen lassen sollte man sich dieses seltene Schweizer Filmvergnügen deshalb auf gar keinen Fall.
- Himmelfahrtskommando
- Regie: Dennis Ledergerber
- Drehbuch: Dennis Ledergerber & Stefan Millius
- Roman: Stefan Millius
- Besetzung: Walter Andreas Müller, Beat Schlatter, Andrea Zogg, Jessica Matzig, Stefan Millius, Isabelle Flachsmann
- Laufzeit: 97 Minuten
- Ab 21. März im Kino