Christopher Lee: «Ich kämpfe nie um eine Rolle»

Interview mit Christopher Lee
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© Tanja Lipak

Am Tag der Galapremiere von «Nachtzug nach Lissabon» traf Bäckstage Christopher Lee im Hotel Bellevue in Bern zum Interview. Das Fenster im Hotelzimmer gab den Blick zum Gurten, der Aare und der Monbijoubrücke frei. Als Christopher Lee das Zimmer betrat, verriet einzig sein Gang mit dem edlen hölzernen Gehstock seine 90 Jahre. Der britische Schauspieler trug einen roten Rollkragenpullover mit senfgelben Cordhosen und einem passenden Blazer. Er nahm auf dem Stuhl vor dem Filmplakat Platz und erzählte, wie er zur Rolle von Saruman in Lord of the Rings kam und welcher Film in seiner Karriere ihm am wichtigsten ist. Ausserdem erwies er sich als Sprachtalent und verriet eine unerwartete musikalische Vorliebe.

 

Sind Sie heute zum ersten Mal in Bern?

Nein, zum zweiten Mal. Das erste Mal war ich nur für einen Tag in der Stadt. Ich lebte damals in der Schweiz, im Kanton Waadt, oben in den Bergen in einem Dorf namens Blonay. Es war sehr schön und umgeben von grünen Feldern. Jetzt finden sich dort überall nur Gebäude. Das ist sehr schade … Jedenfalls kam ich damals für einen Tag nach Bern und heute bin ich zum zweiten Mal hier.

 

Was hat Sie an der Produktion von «Nachtzug nach Lissabon» fasziniert? Warum wollten Sie dabei sein?

 

Für jeden Film, den ich mache, braucht es einen bestimmten Grund. In diesem Fall was es der Regisseur (Bille August, Anmerkung der Redaktion), den ich für einen der besten in der Filmwelt halte und natürlich die Schauspieler und Schauspielerinnen. Jeremy Irons, zum Beispiel, ist meiner Meinung nach die Nummer eins im britischen Kino. Die Geschichte, die im Film erzählt wird, war natürlich auch ein Grund, und welchen Part ich übernehmen sollte. Aber das ist bei jedem Film gleich. Ich stelle mir stets folgende Fragen: Worum geht es? Wer führt Regie? Wer spielt die Hauptrollen? Was ist meine Rolle? Lohnt es sich diese zu spielen? Und werden sich die Leute daran erinnern?

 

Mussten Sie für die Rolle kämpfen oder wurde sie Ihnen angeboten?

 

Nein, die Rolle wurde mir angeboten. Ich kämpfe generell nicht um Rollen. Das habe ich während meiner Karriere nie getan und ich habe schliesslich über 270 Filme gedreht. Ich habe nie gesagt: «Das MUSS ich spielen». Ich warte, bis ich danach gefragt werde.

 

Als besten Film meiner Karriere betrachte ich «The Wicker Man». 

 

Welche Rolle war aus Ihrer Sicht die wichtigste und welche Rolle war ihre beste Leistung?

 

Der Film, den ich als den besten meiner Karriere betrachte, obwohl ich dort sehr viel herausgeschnitten wurde - ich weiss übrigens bis heute nicht warum -, heisst «The Wicker Man» und kam im Jahr 1972 heraus. Der Film, bei dem ich die grösste Verantwortung trug, heisst «Jinnah». Ich reiste 1997 für 10 Wochen nach Pakistan und spielte den Gründer von Pakistan - Mohammad Ali Jinnah - vor seinem eigenen Volk. Der Film ist auf DVD erhältlich. Ein sehr guter Film und aus offensichtlichen Gründen der wichtigste Film, den ich jemals gemacht habe.

 

In «Nachtzug nach Lissabon» spielen Sie Pater Bartolomeu, einen Priester und Lehrer. Was war Ihr liebstes Fach in der Schule?

 

Zur Schule ging ich im Alter von 9 bis 18. Während dieser 9 Jahre waren Latein, Griechisch und natürlich Französisch meine Lieblingsfächer. Ich lernte aber nie Deutsch. Oder nur ein wenig Deutsch. Ich drehte auch Filme auf Deutsch, spielte zum Beispiel in einem Film von Steven Spielberg namens «1941» (eine von Robert Zemeckis («Flight») geschriebene Kriegssatire, in der Lee den Kapt. Wolfgang von Kleinschmidt verkörperte, Anmerkung der Redaktion), in welchem ich nur Deutsch sprach. Aber ich lernte die Sprache nie richtig.

 

Christopher Lee in einer gemeinsamen Szene aus «Nachtzug nach Lissabon» mit Jeremy Irons.

 

Es gibt Gerüchte, die besagen, dass Sie acht Sprachen sprechen. Stimmt das?

 

Oh, nein, nein, nein (lacht). Ich weiss nicht, wie die Leute auf diese Dinge kommen. Ich spreche natürlich Englisch, dann Französisch, Italienisch, Spanisch. Und eben etwas Deutsch, das nur dann vernünftig klingt, wenn ich mich mit der Grammatik auseinandersetze, aber in der deutschen Grammatik liegt auch die Schwierigkeit. (Fängt an Deutsch zu sprechen). «Das Weib», «Der Rhein», «Die Elbe».

 

Wow, das ist wunderbar.

 

Nein, nein (lacht). Das ist sehr schwer, wissen Sie. Ich kann auch Russisch reden, schreiben, lesen und singen. Nicht perfekt, aber für ein Gespräch mit Herrn Gorbatschow hat es gereicht. Ausserdem kann ich immer noch Griechisch und Latein lesen und schreiben. Modernes Griechisch kann ich aussprechen, aber ich kenne die moderne Sprache nicht, also gebrauche ich die alten Worte und spreche sie modern aus. Niemand versteht dann aber, was ich genau sagen will (lacht). Dann reden sie mit mir und ich verstehe wiederum kein Wort, das sie zu mir sagen. Ich spreche auch ein klein wenig Schwedisch, da ich eine Zeit lang dort lebte, aber heute habe ich das meiste schon wieder vergessen. Meine Frau kommt aus Dänemark, deshalb spreche ich auch ein wenig Dänisch. Weshalb nun aber behauptet wird, dass ich acht Sprachen spreche, weiss ich wirklich nicht.

 

Das ist sehr beeindruckend und in etwa sind es dann doch schon um die acht Sprachen…

 

Schon, aber ich spreche nur vier Sprachen sehr gut.

 

Im Internet wird ausserdem behauptet, dass Sie ein Heavy Metal Album herausbringen.

 

Das stimmt.

 

Wie kam es dazu?

 

Nun, wissen Sie, ich habe schon immer gesungen. Ausserdem nahm ich auch einige Opern auf. Und ich kann es immer noch. Letztens habe ich es in einem Interview in England wieder getan. Sie fragten mich «Singen sie etwa immer noch? Sie sind doch ein alter Mann!», worauf ich mit «Ja, ich singe noch» erwiderte und denen etwas vorgesungen habe. Sie hätten ihre Gesichter sehen solle, die konnten es nicht glauben. Jedenfalls nahm ich vor einiger Zeit ein Album auf, das (spricht wieder Deutsch) «symphonisch» war. Es hiess «Charlemagne: By the sword and the cross» und es handelte sich eben um symphonischen Metal. Ich arbeite auch kurz mit Manowar zusammen und sang zusammen mit Rhapsody of Fire. Nun habe ich aber dieses Album aufgenommen, das «Charlemagne: Omens of Death» heisst und bei dem es sich um Heavy Metal handelt.

 

Sie hören also gerne Heavy Metal?

 

Ja, ich denke man sollte alles versuchen.

 

Millionen Menschen fragen sich, wieso die Szene geschnitten wurde.

 

Wir haben unsere Leser gefragt, was sie von Ihnen schon immer wissen wollten. Patrick würde gerne wissen, wie Sie zu der Rolle des Saruman in der «Lord-Of-The-Rings»-Trilogie kamen. Ich nehme an, sie wurde Ihnen angeboten?

 

Genau, sie haben mir die Rolle angeboten. Ich weiss nicht mehr genau, wann das war. Es ist schon eine Weile her, über zehn Jahre. Ich wurde jedenfalls gefragt, ob ich den Regisseur, Peter Jackson, in London treffen möchte. Also ging ich zu dieser Kirche und Jackson war dort mit einem Mikrofon für meine Stimme. Zusammen mit dem Casting Director. Sie gaben mir zwei, drei Seiten zum Vorlesen und es war alles Gandalfs Text. Ich dachte: «Oh wie wunderbar, ich darf Gandalf spielen.» (Pause). Ich war natürlich zu alt. Aber damals, als ich die Bücher in den Fünfziger-Jahren las, dachte ich : «Das ist ein Traum. Sollten die Bücher jemals verfilmt werden, würde ich gerne Gandalf spielen». Nun 50 Jahre später taten sie es. Am Ende des Vorsprechens sagte Jackson «Vielen Dank, wir melden uns». Eine Woche später erhielt mein Agent eine Nachricht, in der gefragt wurde, ob ich Saruman spielen würde, was ich dann tat. Es war trotzdem merkwürdig. Wissen Sie, in den ersten beiden Filmen bin ich natürlich zu sehen. Ich spielte auch im dritten Teil mit, aber wurde in der Kinoversion herausgeschnitten. In der erweiterten DVD Version ist meine Szene zu sehen. Sie dauert zwischen 5 und 10 Minuten, es ist das letzte Zusammentreffen der Gefährten und ihrem grossem Feind Saruman. Ich bin auf meinem Turm «Orthanc», sie sind auf dem Boden unten. Die Szene ist sehr, sehr wichtig. Sie ist nur in der erweiterten DVD Version zu finden. Im Kino sah man die Gefährten davon reiten, als das Wasser kam und jemand fragt dann, was mit Saruman passiert sei. Gandalf sagt nur «Seine Macht ist verschwunden». Einfach so. (Zuckt fragend mit den Schultern). Niemand versteht, warum das so ist. Im Internet fragten sich Millionen von Menschen, warum Peter Jackson die Szene herausgeschnitten hat.

 

Eine weitere Frage kommt von Remo: Durften Sie die legendäre Golden-Gun aus dem James Bond Film «The Man with the Golden Gun» behalten?

 

Nein (lacht). Ich glaube es gab damals drei von ihnen. Eine ist bei der Produktionsfirma, die behalten schliesslich alles. Eine wurde vor Jahren gestohlen und die dritte war jene, die man auseinandernehmen konnte. Zudem passierte etwas Aussergewöhnliches: einige amerikanische Fans fertigten die Waffe für mich an. Und auf dem Griff setzten sie auf der einen Seite S für Scaramanga, meine Figur im Film, und C für Christopher. Aber ansonsten ist es genau die gleiche Waffe wie im Film, man kann sie sogar in Einzelteile zerlegen.

 

Und Sie behielten diejenige von den Fans?

Oh ja, diese habe ich behalten (lacht).

 

 - Das Interview mit Jeremy Irons gibt es HIER

 - Die Filmkritik findet ihr HIER

Tanja Lipak / Mo, 04. Mär 2013