Vielschichtige «Lumpeliedli»

CD-Kritik: Schoedo - Truurigi Lieder
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Coverbild / Design: Zukkihund

Angefangen hat alles mit einer Niederlage. Eine schmerzliche Niederlage. Der FCZ hat nämlich gerade das Stadtderby verloren und ein enttäuschter Jean-Martin Fierz verirrte sich in den Bandraum von Dominik Sheta. Nachdem der erste Frust verschwunden war, fiel der Fokus auf einen Notizzettel mit ein paar Zeilen, die knapp die Lage des FCZ auf den Punkt brachten. Geschrieben von Jean-Martin. Kurz darauf stand ein kompletter Song und eine Grossstadt-Geschichte nahm seinen Lauf. Auf dem Debüt «Frauefuessball» stand der geliebte Klub im Zentrum. Schnell hatten Schoedo einen Namen in der Fanszene und der Song «Wärde mir hüt gwinne…?» schallte gar aus den Boxen im Stadion. 

 

Aber so sehr das Herz für den FCZ schlägt, Schoedo haben je länger sie als Duo unterwegs waren, desto mehr gemerkt, dass rund um König Fussball auf der Welt ja noch sehr viel mehr passiert. Da passt es doch hervorragend, dass die Band eine wunderbare Gabe dafür besitzt, wie man Alltagsbeobachtungen in knackige Texte verpackt. Da darf dann auch mal kokettiert werden und die Abrechnung mit einer Person in «Truurigi Lieder» niedergeschrieben werden, denn die würden sich lauf Text eh nicht verkaufen und so der Zielperson nicht wirklich schaden. Eine Idee, die in ihrer zündenden Einfachheit auch von Mani Matter hätte sein können. Aber gerade, wenn einen dieser Gedanke streift, kippt der Song, wird zur rasanten gesanglichen Abrechnung zwischen Sänger und seiner Ex und bringt als gemeinsamen Nenner auf den Punkt, dass sich die Songs von «Schömi», wie Jean-Martin Fierz genannt wird, einfach nicht verkaufen. 

 

Augenzwinkernder Blick auf die Welt 

 

Natürlich, ein Künstler möchte von seiner Kunst leben, aber die Absatzzahlen bestimmt halt leider der Kunde – von unfairen Downloads mal abgesehen. Und Schoedo hätten durchaus ein Publikum verdient. Sie bewegen sich nämlich elegant zwischen Folk und Punk, klingen manchmal so, als hätten sich Mani Matter und Frank Turner auf ein Bier getroffen, oder suhlen sich bereits im nächsten Werk in leicht von Americana verhüllter Melancholie. Bei Schoedo ist Mundart gnadenlos geschmeidig und trotzdem voller erzählerischer Ecken und Kanten. Man hört vom «Märliprinz», der «en huere Tubbel» ist, oder vom Grossvater, der vermeintlich auf einer Wolke Geige spielt, aber in Wahrheit den Weg über den Balkon genommen hat. Naja, Schoedo sind Meister des Euphemismus’, verschönern sehr gekonnt, aber hauen dann auch genüsslich auf den Zerrspiegel, um die Wahrheit dahinter ins Rampenlicht zu zerren. Das funktioniert so herrlich schön, wenn eine Handorgel singt, während in «z’Grosi» der Wahnsinn zelebriert wird, was in Tod durch Gebiss endet. Ja, schon der Opener ist ganz grosses Mundartkino. 

 

Der Augenzwinkernde Blick auf die Welt, speziell auf das Biotop Zürich, ist bei Schoedo Credo. Da darf dann auch mal eine Dosis Lokalsolidarität zum Zuge kommen und «Jede wett Züri!» festgehalten werden. Dass damit sowohl Verein als Stadt gemeint sind, versteht sich im Kontext von selbst. Jedoch werden auch die dunklen Aspekte des Lebens beleuchtet, zum Beispiel der Tod. Aber mehrheitlich ist der Ton eher auf der sonnigen Seite des Lebens. Der Begriff «Lumpeliedli» passt irgendwie ganz gut zur Musik von Schoedo und ist selbstredend in keinster Weise despektierlich zu verstehen. «Mir trinket eus de Alkohol is Bluet. Und wenn das Bluet im Hirni acho isch, denn steiht de nächsti Schnaps scho uf em Tisch» wird mit fremd-akzentuiertem Züri-Deutsch gesungen. Aber «Lumpeliedli» sind meistens nur vordergründig oberflächlich und spiegeln auch ein wenig die Gesellschaft. So ist es auch bei Schoedo. Auf «Truurigi Lieder» ist nichts simpel gestrickt, nicht oberflächlich hingesudelt, sondern im Gegenteil, eher mit einer feinen Ironie versehen, für die man ruhig zweimal hinhören sollte. Denn bei Schoedo kann es schon mal sein, dass unter der ersten Schicht plötzlich ein fein konservierter Kontext auftaucht. Vielschichtig ist hier nämlich nicht nur der Text, sondern auch die Musik. Selbst wenn man die eine oder andere Melodie sehr gut kennt. 

 

Schoedo  steht für clevere Mundartmusik, die vordergründig nach «Lumpeliedli» klingt, sich aber bei näherer Betrachtung als sauber arrangiert und pointiert getextet herausstellt. Da bekommt dann selbst «Griechischer Wein» kurz mal einen rockigen Ausbruch im Refrain. Kann man machen. Udo hätte es gefallen. Schoedo - «Tod»

 

  • Schoedo taufen «Truurigi Lieder» am 23. Oktober in der Zukunft in Zürich. Alle Infos auf der Website der Band 

 

  • Band: Schoedo
  • Album: Truurigi Lieder
  • Verkaufsstart: 23. Oktober. 
Patrick Holenstein / Di, 20. Okt 2015