Die St. Galler waren «Dihei!»

Kritik: Openair St. Gallen 2022
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Handyfoto / ©Seraina Thuma

Durch das Gedränge, der Menschenmenge, bahnten wir uns den altbekannten Weg. Entlang der Gassen, über die Brücken bis hin zu der Musik! Die Toten Hosen haben den Weg ans Openair St. Gallen treffend in Worte gefasst. Endlich wieder Festival, endlich wieder Schlammgallen, endlich wieder zu Hause. Die letzten drei Jahre waren erdrückend, langweilig und für viele nicht ganz einfach. Das hat man auch im Sittertobel gemerkt. Es wurde getrunken, es wurde Musik gehört, es wurde getanzt, aber es wurde vor allem sehr viel umarmt. Ja, diese innigen Festivalumarmungen und das nicht ganz nüchterne «so schön di z’gseh», hat uns doch ziemlich gefehlt. Der Landwirt Max Gmür, dem das Festivalgelände gehört, würde sagen: «Es isch als wöreds endlich wieder heicho».

 

Die Vorfreude aufs «Heicho» war riesig. Schon am Dienstagabend haben die ersten Besucher ihre Stühle und Zelte vor den geschlossenen Toren des Openair St. Gallen aufgeschlagen. Diese hätten sich am Donnerstag um Punkt 17:00 Uhr öffnen sollen. Doch schon am Donnerstagmittag war der Wartebereich voll und das Openair St. Gallen hat dem Warten ein Ende gesetzt: Punkt 12:00 Uhr hiess es: «Willkommen im Sittertobel – wir öffnen unsere Türen für euch». Gänsehaut, ich sag’s euch!

 

Die Stimmung war ausgelassen und nicht ganz unschuldig daran waren, die ersten Acts. Schmyt brachte die Sternenbühne zum Beben! Er wird des Öfteren auch als Vorreiter der «Neuen Deutschen Ballade», einer Mischform aus Pop und Hip-Hop genannt. Und, dass er diesem Titel würdig ist, hat er bewiesen. Sein Schweisstuch, welches er in die Menge geworfen hat, wurde den ganzen Abend mit Stolz um den Hals getragen. Ich habe Beweise.

 

Schlammgallen & Sonngallen at it’s best!

 

Auch Purple Disco Machine wollte am Eröffnungstag sein Können unter Beweis stellen und mit Dance/Electronic Stimmung machen. Die Meinungen waren nach dem Konzert jedoch ziemlich gespalten, von «Mega cool» bis «na ja, das war wohl nichts».

 

Nicht so schlimm. Das Openair St. Gallen hat mit dem Ende der Pandemie, für viel Neues gesorgt. So ist der altbekannte Treffpunkt Bacardi Dome zwar weg, doch mit der Walliserstube ein neuer absoluter Überhit unter den Partyzelten entstanden. Und ja, sie haben da sogar Highschool Musical gespielt. Nichts stand dem heiteren Feiern im Weg. Weder Regen noch Sturm. Nur der Boden machte den Anschein, als würde er uns alle bald eine Etage nach unten fahren. Aber das war allen egal.

 

Wer am Freitag Lust auf Party am Tag hatte – konnte sich am neuen Day Dance vergnügen. Denn während drei Tagen feierten und tanzten wir direkt am Ufer der Sitter zu elektronischen Klängen. Kuratiert wurde das Programm von Au Revoir, die nach erfolgreichen Ausgaben in der Militärkantine oder der Lokremise nun ihren Weg ins Sittertobel gefunden haben.

 

Ihr seht, wir hatten Freude. Freude an so viel Neuem und Freude, dass das alles gerade einfach möglich ist. Diese Freude mit uns geteilt haben auch die ganz grossen Musiker auf dem OASG Line-up. Patent Ochsner hat mit uns von der W.Nuss gesungen, als gäbe es kein Morgen. Kontra K hat nicht nur mit seiner Musik, sondern auch mit seinem Lächeln und den doch sehr tiefgründigen Geschichten über sich und seinen Vater überzeugt und Annenmaykantenreit haben das Tobel trotz oft sehr melancholischen Texten zum Tanzen gebracht. Die raue Stimme des Frontsängers hat ganz sicher einige Haare zum Stehen gebracht. Unglaublich fest gerührt war die Australierin Tones and I. Sie schaffte es, dass ganz viele von ihren Zeltplätzen Richtung Bühne wanderten und konnte die grosse, freudige und tanzende Menschenmenge kaum fassen. Dies haben auch die Tränen und etwas zittrigen Lippen verraten. Schön, wenn’s schön ist.

 

Und dann kam Deichkind. WOW! Was für eine Show, was für Kostüme und was für ein Bühnenbild. Wer das verpasst hat, hat was verpasst. Auch Muse und Alan Walker haben den Schlamm zum Beben, die Boxen zum Zittern und die Leute zum Tanzen gebracht.

 

Und schon war er wieder hier, der letzte Festivaltag. Schon wieder war es Sonntag.
Die Trauer über das Ende konnte man jedoch noch etwas überbrücken. Denn es gab noch einiges an guter Musik zu hören.

 

Lila Wolken und ein etwas schwieriger Heimweg

 

Etwas falsch platziert waren jedoch Years & Years. Der Sänger Olly Years schmückte seine Show mit viel Lack/Leder und einem Toilettengang mitten der Bühne aus. Dabei kam es auch zur einen oder anderen sexuellen Anspielung. Es erinnerte etwas an einen Sado Porno. Dies verärgerte einige Eltern, die mit ihren Kindern den Kindersonntag im Tobel verbringen wollten.

 

Mit Marteria haben wir noch die Lila Wolken angesungen und unsere T-Shirts geschwungen und dann war’s das. Oder doch nicht ganz? Der Nachhauseweg gestaltete sich nämlich etwas schwieriger. Durch die nicht eingeplante Frequenz, war das Rein- und Rausgehen beim Festival eine Geduldssache und wurde zu einem Flussüberquer-Abenteuer.


Das ist aber wirklich der alllereinzige Kritikpunkt, den ich dem schönen Openair St. Gallen anhängen kann.

 

Ach, und liebes Openair wir OpenAir-Oldies sind happy, dass die Toiletten wieder aufgetaucht sind.
Danke dafür!

 

Vielen Dank liebes Openair St. Gallen für vier weitere unvergessliche Tage.
Bis in 360 Tagen!

 

Seraina Thuma / Mi, 06. Jul 2022