Die Knappheit reflektiert sich auch in der Musik

Interview mit Kensington
Bildquelle: 
Promobild / © Rutger van der Bent

Kensington sind die Durchstarter in der normalerweise sehr elektrolastigen holländischen Musikszene. Als einzige nominierte Indieband haben sie sich im vergangenen Jahr bei den MTV European Music Awards gegen die ebenfalls nominierten DJs Afrojack, Armin van Buuren und Nicky Romero durchgesetzt und den Preis in der Kategorie Best Dutch Act gewonnen. Während sie in ihrer Heimat mittlerweile eine grosse Nummer sind und eine Woche vor der Schweizer Tour vor rund 20‘000 Leuten am Eurosonic Festival gespielt haben, sind sie in der Schweiz erst kurz vor ihrem Durchbruch und bespielten das rund 100 Personen fassende El Dorado in Zürich (Unsere Kritik). Wir haben die beiden Gitarristen und Sänger Eloi Youssef und Casper Starreveld vor ihrem ersten Headliner-Konzert in der Schweiz getroffen. 

 

Heute ist euer zweites Konzert in der Schweiz, nach dem Openair Gampel, bei dem ihr kurzfristig The Courteneers ersetzt habt. Wie sind eure bisherigen Erfahrungen mit der Schweiz?

 

Eloi: Unser Haupterlebnis mit der Schweiz ist bisher schon das Openair Gampel. Es hat die schönste Festivalkulisse, vor der wir je gespielt haben. Wir wachten am Morgen inmitten der Alpen auf und es war perfekt. Beim Konzert gab es zwar nicht allzu viele Leute, aber je länger wir spielten, desto mehr Leute tauchten vor der Bühne auf und sie schienen unsere Musik zu mögen. Uns gefällt die Schweiz sehr und jetzt können wir endlich unsere erste eigene Show hier spielen. 

In Holland seid ihr ein grosser Name und habt soeben zum zweiten Mal beim Eurosonic Noorderslag gespielt. Wie ist es für euch, wieder in kleinen Clubs zu spielen und im Ausland bei Null anzufangen?

 

Casper: Für uns ist es ein Zurückgehen zu den Wurzeln. Ich finde es sehr cool, da wir natürlich mittlerweile einen gewissen Luxus in Holland gewohnt sind. Ich denke, als Band musst du in kleinen Clubs spielen können – dort sehe ich meistens auch die besten Shows. Es ist nicht allzu schwer zu spielen, wenn alles in Ordnung ist. Wenn die Voraussetzungen nicht perfekt sind, ist es natürlich viel schwieriger, deshalb finde ich es toll, ein intimes Konzert für 100 Leute zu geben. Es ist viel dynamischer als auf einer riesigen Bühne. Hier stehe ich etwa einen Meter von Eloi entfernt – normalerweise sind es fünf oder sechs Meter. Die Knappheit reflektiert sich auch in der Musik. Man spielt als kompakte Band. Man hat auch keine Wahl, da man fast mitten im Drumkit steht. Ich mag es sehr und habe diese Stimmung einer kleinen Punk-Rock-Band auch etwas vermisst.

 

In Holland arbeitet ihr auch mit Effekten, wie Ballons und Konfetti – das wird man wohl nicht zu sehen bekommen?

 

Eloi: Die Ballone würden wohl nicht einmal ins El Dorado passen und wenn wir die Konfetti-Kanone abschiessen würden, wäre das für die Leute im Club gefährlich. Hier wird es nur um die Musik gehen, was zwar herausfordernd ist, aber so haben wir angefangen und werden keine Ablenkungen einbringen.

 

Wenn man hier von Musik in Holland hört, denkt man erstmal an Schlager und Electronic Dance Music. Wie ist die Indie-Szene eigentlich in Holland?

 

Casper: Für Rockmusik ist es nicht allzu toll. Es gibt ein paar grosse Rockbands, aber viele davon lösen sich momentan auf. Ich denke, wir brauchen mehr Rockmusik! Deshalb mögen wir es, an Orte wie hier in der Schweiz zu kommen. Die Rockszene ist viel grösser als in Holland. Klar ist es für uns wichtig, unser eigenes Land zu bespielen, aber da die Rockszene nicht allzu gross ist, mögen wir es sehr, an Orte zu gehen, wo die Szene auch tatsächlich lebt. 

Eloi: Heutzutage ist Holland in erster Linie für die DJs bekannt und die EDM-Szene. Ich denke aber, dass es Zeit ist zu zeigen, dass Holland mehr ist als Beats und kitschige Texte über einer sich wiederholenden Baseline. Ich hoffe, wir können den Leuten zeigen, dass Holland mehr zu bieten hat. Momentan ist es überall nicht die beste Zeit für Gitarrenmusik, aber das heisst nicht, dass wir uns nicht den Arsch abarbeiten sollten und den Leuten zeigen, dass es auch anders geht. Das ist unser Ziel – zeigen, dass es noch gute Gitarrenbands gibt, die Party und eine energetische Show mögen!

 

Aber es gibt aber auch einige EDM-Remixe von euren Songs. Mögt ihr diese?

 

Eloi: Diese Remixe kommen von Freunden von uns, die DJs sind und sehr mögen, was wir machen. Ich finde es cool, mal auf die Seite von EDM zu gehen, jedoch wird es nie wirklich ein Release davon geben. Dies ist mehr Spass für das Internet. Wir haben nicht wirklich die Ambitionen, andauernd remixed zu werden. 

Ihr habt auch bereits Covers von David Guetta und Armin van Buuren gespielt. Geht die Indie-Szene ein bisschen Hand in Hand mit der EDM-Szene in Holland?

 

Casper: EDM nimmt viel Platz ein - Armin van Buuren, DJ Tiësto und all diese grossen Namen. Ich würde nicht sagen, dass es Hand in Hand geht. Wenn diese jedoch einen wirklich guten Song herausbringen, so ist dieser in jedem Genre spielbar. Wir haben zum Beispiel Covers gespielt, bei denen wir fanden, dass es eigentlich ein sehr guter Song ist und nicht unbedingt mit Bass und diesem typischen EDM-Sound unterlegt sein muss. Wir haben versucht aus EDM-Songs Rocksongs zu machen. Das hat uns Spass gemacht, aber es geht nicht Hand in Hand. 

 

Eloi: Ich denke, wenn man die Songs abrüstet, dann hört man die Qualität eines Songs. Es ist lustig, den Songs einen Rock-Vibe zu geben, nur um zu schauen, was passiert. Wenn der Song dann immer noch gut ist, weiss man auch: es handelt sich um einen guten Song. Wir mussten das einige Male für Radiosender in Holland machen. Es war also nicht unbedingt unsere eigene Idee. Aber wenn wir solche Covers machen, dann wollen wir sie auch richtig machen und zeigen, dass wir mehr können als bloss unsere Songs zu spielen. Am coolsten ist dann natürlich, wenn die Leute sagen, dass es besser ist als das Original!

 

 

Wenn wir nach Hause kommen, haben wir eine Woche, um unsere Kleider zu waschen und unsere Sachen zusammenzupacken. Danach geht es für sieben Wochen in ein Studio nach Berlin zum Aufnehmen und Produzieren des nächsten Albums. Es ist geplant, dass es im Verlauf des Sommers herauskommt.

 

 

Anfang 2013 haben Coldplay euch via Twitter empfohlen. Wie war eure Reaktion als ihr davon erfahren habt?

 

Eloi: Das ist nun fast genau ein Jahr her. Ich erinnere mich noch sehr gut daran! Wir waren am Eurosonic, das ist ein Showcase Festival in Holland, und waren in einem Achtbettschlag und schliefen eine Stunde vor unserem Auftritt noch etwas. Plötzlich kamen die ganze Zeit Tweets à la «OMG, Coldplay tweeteten über Kensington!». Ich dachte nur, dass dies niemals sein kann, ging dann auf die Coldplay-Seite und sah, dass es stimmte. Ich kickte dann Casper, der im Stockbett über mir schlief und sagte es ihm. Er glaubte mir jedoch nicht.

 

Casper: Ja, ich sagte nur: «Nerv mich nicht, ich möchte schlafen!» Als er jedoch sagte, dass es stimmt, nahm ich mein Handy hervor und sah auch, dass mein Handy voller neuer Nachrichten war! Es war verrückt – sie haben etwa 9.5 Millionen Follower und somit haben extrem viele Leute unser Video zu «Home Again» gesehen. Auch der Zeitpunkt war perfekt, da der Song gerade in Holland heraus kam und es bereits eine gewisse Begeisterung für uns in Holland gab. Jedoch entfachte der Tweet nochmals etwas Neues und stellte uns zum richtigen Zeitpunkt in die Öffentlichkeit.

 

Den Song «Home Again» konnte man auch in einer Jack-Wolfskin-Werbung hören. Bekommt ihr von ihnen nun gratis Kleidung?

 

Eloi: Wir haben nicht gefragt, aber wir hätten für diese Tour fragen sollen, denn es ist teilweise extrem kalt!

 

Casper: Es ist natürlich toll, wenn ein Song in einer Werbung kommt, die überall ausgestrahlt wird. Und die Werbung ist auch super gemacht mit den Helikopteraufnahmen, schönen Landschaften, Leuten am Snowboarden und unserer Musik.

 

Eloi: Dies ist schlussendlich auch die Art, wie wir unsere Videos eigentlich machen wollen - Schneebedeckte Berge und Helikopteraufnahmen! Jetzt haben wir das sogar gratis bekommen.

 

Casper: Wenn das alles nicht passiert wäre, so wären wir nun wohl nicht dort, wo wir jetzt sind. Es hat viel ins Rollen gebracht – Festivals wollten uns plötzlich buchen und Universal brachte das Album auch in anderen Ländern heraus – es ist ein grosses Plus, dass dies passiert ist. Aber in Jack-Wolfskin-Kleidern werden wir trotzdem nicht auftreten. Das ist nicht wirklich unser Style – vielleicht in einigen Jahren dann, wenn wir draussen spielen.

 

Wenn wir schon über schöne Videos sprechen. Ihr habt kürzlich ein Video zum Song «Ghosts» herausgebracht und das zeigt, dass euch die Atmosphäre sehr wichtig ist?

 

Casper: Ja, wir mögen epische Szenarien sehr. Das Video dreht sich um eine kleine Insel in Schottland. Viele Leute ziehen weg, da die Insel zu klein ist, um ein anständiges Leben zu führen. Aber einige Leute wollen ihr Leben beibehalten. Das Verhältnis der Leute, die weg wollen und denjenigen, die bleiben wollen, ist auf einer emotionalen Ebene sehr interessant. Boris Booij, ein Freund von uns, hat das Video gedreht und das hat er sehr gut gemacht. Es passt wirklich zum Song, der auch von emotionalen Momenten handelt. Das Video und der Song ergänzen sich gegenseitig sehr. Und meiner Meinung nach sollten Videos genauso sein.

 

Eloi: Es ist ja nicht so, dass wir wortwörtlich über eine Insel singen und die Leute, die diese verlassen oder über Geister. Der Song handelt vom Zerbrechen von Beziehungen und davon, ob man bleiben will oder gehen. In einem weiteren Sinn ist das Video für die Leute auf dieser Insel und hat perfekt zum Song gepasst. 

 

Ihr plant auch ein neues Album in diesem Jahr. Wie weit seid ihr damit?

 

Eloi: Wir sind sehr nah am Ende des Schreibprozesses. Wenn wir nach Hause kommen, haben wir eine Woche, um unsere Kleider zu waschen und unsere Sachen zusammenzupacken. Danach geht es für sieben Wochen in ein Studio nach Berlin zum Aufnehmen und Produzieren des nächsten Albums. Es ist geplant, dass es im Verlauf des Sommers herauskommt. Ich weiss noch nicht genau wann, jedoch denke ich August oder September – wir hoffen, dass es auch in der Schweiz herauskommen wird. Das Songwriting und der Sound wurden besser und ich bin sehr zufrieden mit der Richtung, in die das neue Material geht. Es ist zwar so das ultimative Klischee, aber ich denke dass es unser bisher bestes Album sein wird. Während den zahlreichen Shows im letzten Jahr haben wir gelernt, was funktioniert und was nicht und wir kommen dem perfekten Kensington-Sound sehr nahe. Ich hoffe, dass wir das letzte Album «Vultures» toppen können und diese Wachstumsphase, in der wir uns momentan befinden, weiterführen.  

Wird man bereits neue Sachen zu hören bekommen bei den Schweizer Konzerten?

 

Casper: Ja, wir haben einen neuen Song, den wir spielen. Aber da wir hier nicht so extrem bekannt sind wie in Holland, sind wohl für viele Besucher alle unsere Songs neu. Der Song zeigt jedoch die Richtung, in die wir gehen. Es ist ein Mid-Tempo Song, der Rest des Albums wird wohl aber etwas energetischer und schneller sein. Dieser erste neue Song soll schon mal den Vibe des Albums aufzeigen – eine grosse Rock-Platte.

 

Eloi: Stadion-Arena-Sound trifft Club-Punkrock!

 

Kensington - «Home Again» 

Hansjürg Stämpfli / So, 26. Jan 2014