Archive: Wir haben das nächste Album bereits geschrieben.

Interview mit Danny Griffiths (Archive)

Für euer Konzert in Zürich hattet ihr ursprünglich die Eulachhalle in Winterthur gebucht. Erst ziemlich kurfristig wurde das Konzert in das Komplex verlegt – war die Akkustik ein Grund dafür?

 

Das weiss ich nicht. Unsere Schweizer Promoter organisieren unsere Konzertlocations, daher überlassen wir solche Entscheidungen ihnen. Sie haben uns einfach eines Tages mitgeteilt, dass wir in das Komplex wechseln werden. Die Akustik haben sie nicht als Grund erwähnt. Ich bin jedoch glücklich über diesen Wechsel, das Komplex gefällt mir besser als die Eulachhalle.

 

Obwohl eure Wurzeln in England sind, habt ihr heute in erster Linie in Zentraleuropa Erfolg. An was liegt es, dass es in England nicht so zu klappen scheint?

 

Wir haben seit über zehn Jahren gar keine Musik mehr in England veröffentlicht. Sich auf England zu konzentrieren, fühlte sich in der vergangenen Zeit unpassend an. Englands Musikszene ist halt sehr gross und wir wollten nichts erzwingen. Gleichzeitig hatten wir einfach so viel Spass, in Zentraleuropa zu spielen. Wir dachten einfach, dass wir sicher anfangen werden, unsere Musik dort zu verbreiten, sobald die Zeit dazu reif wäre. Und jetzt haben wir „With Us Until You’re Dead“ in den UK veröffentlicht. Dazu werden wir dort einige Konzerte spielen.

 

Der Stil von Archive ist sehr eigen – grundsätzlich gibt es keine Band, die vergleichbar ist. Beschreib doch bitte eure Musik in fünf Worten.

 

Emotional, dynamisch, ehrlich, laut…und…experimental… Wir machen immer sehr viele Experimente mit unserer Musik. 

Maria Q und Holly Martin im Nebel der Bühne. (© Hansjürg Stämpfli)

 

Im letzten Jahr habt ihr begonnen euch bei euren Konzerten von einem Orchester begleiten zu lassen. War das eine grosse Umstellung für euch?

 

Auf jeden Fall. Wir können nicht mehr einfach auf die Bühne gehen und unsere Instrumente so laut spielen, wie wir gerade wollen. Denn ohne Orchester spielen wir immer ziemlich laute Konzerte. Würden wir unseren normalen Sound machen, würde man das Orchester nicht mehr so gut hören. Durch diese Änderung scheinen unsere Auftritte teilweise fast akustisch zu werden. Auch für mich selber sind diese Gigs ein wenig ungewohnt, weil ich nicht so viel zum Spielen komme, wie sonst. Normalerweise spiele ich ja immer meine String-Parts und mit dem Orchester stehe ich dann manchmal einfach nur da, ohne etwas zu tun. Mit Orchester zu spielen ist eine ganz andere, tolle Erfahrung. Dennoch werden wir auch weiterhin unsere Auftritte ohne diese spezielle Begleitung machen.

 

Nun zum neuen Album „With Us Until You’re Dead“. Der längste Song dauert etwas über sechs Minuten, was für Archive ungewöhnlich kurz ist. Ausserdem fliessen manche Songs beinahe nahtlos ineinander über. Wollt ihr damit erreichen, dass der Zuhörer das Album quasi als einen einzigen Song auffasst?

 

Allgemein machen wir nur dann lange Songs, wenn das gerade passt. Das planen wir also nicht, sondern es passiert einfach. Beim neuen Album wollten wir etwas Fliessendes schaffen. Wir versuchten, Bewegung reinzubringen, so wie wir das auch live auf der Bühne tun. Dort lassen wir die Stücke teilweise ohne klaren Anfang oder Ende in einander übergehen. Ansatzweise haben wir das auch schon bei „Controlling Crowds“ gemacht. Aber dort trennten wir diesen Musikfluss in drei Teile auf. Damit wollten wir den Zuhören die Möglichkeit zu einer Pause geben, da Controlling Crowds ein sehr langes Album geworden ist. WUUYD hingegen ist für unsere Verhältnisse eher kurz geraten. Daher haben wir es so geschaffen, dass es sich die Leute in einem Stück anhören müssen oder sollten.

 

Für „Controlling Crowds“ kam Rosko John zurück in euer Kollektiv. Weshalb ist er bei der neuen Platte nicht dabei?

 

Rosko ist schon immer gekommen und gegangen, wie es ihm gefallen hat. Jetzt macht er gerade sein eigenes Album. Allgemein ist das auch die Grundidee unseres Kollektivum, dass die Künstler kommen und gehen. Ausserdem besteht das neue Album aus Liebesliedern. Hiphop und Rap sind wirklich super, aber nicht in Kombination mit Liebesliedern. 

 

Dafür ist bei WUUYD mit Holly Martin eine neue Stimme mit an Bord. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit ihr?

 

Wir haben uns schon lange überlegt, ob wir generell eine weitere weibliche Stimme in die Band aufnehmen sollen. Aber eine Stimme zu finden, die uns wirklich gefällt, war ziemlich schwierig. Wir haben uns viele verschiedene Frauen angehört. Schlussendlich hat unser langjähriger Vertreiber uns ein paar Songs von Holly gezeigt und gesagt, dass wir uns dieses Mädchen ansehen sollen. Das taten wir. Danach trafen wir uns mit ihr bei mir zu Hause und sie passte perfekt in die Band. Als wäre sie schon seit Jahren dabei gewesen. Also haben wir zwei Lieder mit ihr aufgenommen. Sie ist eine reizende Person, wirklich die perfekte Wahl für uns. Dazu besitzt sie eine unglaubliche Stimme. Ausserdem war es sehr einfach, mit ihr zusammen die Lyrics zu verfassen. Wir konnten sehr gut zusammenarbeiten und das ist für mich auch ein wichtiger Punkt. 

Archive beim Westend Festival in Dortmund. (© Hansjürg Stämpfli)

 

„Controlling Crowds“, welches sehr konzeptionell aufgebaut war, handelte von Politik. Bei WUUYD sprechen die Texte von Liebe und Beziehungen. Ist das nun ein Konzeptalbum über die Liebe?

 

Wir wollten kein weiteres Konzeptalbum produzieren. WUUYD ist mehr eine Zusammenstellung von Liedern über die Liebe. Die Liebe stellt ein sehr weites Thema dar. Wir hatten vorher noch nichts in diese Richtung gemacht, sondern immer mehr beobachtend über objektive Dinge geschrieben. Jetzt wollten wir, dass es ein wenig persönlicher wird. Insgesamt haben wir 28 Lieder verfasst, von denen nun zwölf auf der neuen CD sind. 

 

Wird es noch ein weiteres Album geben infolge dieser Aufnahme-Session, wenn ihr 28 Songs aufgenommen habt, also ein B-Side Album?

 

Nein. Wir haben das nächste Album im Grossen und Ganzen bereits geschrieben. Es wird wohl Mitte nächsten Jahres veröffentlicht. Aber das wird nichts mit dem WUUYD zu tun haben. Bei Controlling Crowds war das ganz anders, da haben wir uns darauf konzentriert und wie wir daran weiterarbeiten können und nicht auf das nächste Projekt. 

 

Dann geht ihr nach dieser Tour gleich zurück ins Studio?

 

Ja, eigentlich sollten wir am sechsten Dezember ins Studio. Aber wir werden unsere Tour erst am vierten Dezember beenden und am fünften nach Hause zurückkehren. Dann waren wir sieben Wochen lang unterwegs. Daher möchten wir eigentlich einfach eine Woche zu Hause sein und unsere Kleider waschen. Also haben wir das Datum zur Rückkehr ins Studio auf nach Weihnachten verschoben. Aber dann werden wir das neue Album fertig produzieren. 

 

Alle Songs auf WUUYD sind eher düster. Ist die Liebe für euch ein düsteres Thema?

 

Nein auf keinen Fall. Aber in der Liebe gibt es Hochs und Tiefs. Beziehungen sind nicht einfach nur wie ein Strauss Rosen, sondern es gibt viele Tiefpunkte, wie Trennungen und andere harte Zeiten. Wir schreiben einfach besser über diese Themen, da wir einfach keine fröhliche Musik komponieren können(lacht). Ich wüsste nicht, wo anzufangen bei einem fröhlichen Song. Es ist einfacher über die dunkleren Dinge zu schreiben. 

 

Was sind eure weiteren Pläne fürs nächste Jahr?

 

Abgesehen von der aktuellen Tour waren wir dieses Jahr ja kaum unterwegs. Dafür starten wir auch schon wieder im Februar 2013. Wir gehen nach Russland um dort ein paar Konzerte zu spielen. Dann sind einige Festivals geplant, eine weitere Tour im nächsten Frühling und noch eine im nächsten Herbst. Das ist ein ziemliches Programm und daher haben wir uns und unseren Fans dieses Jahr bewusst eine Pause gegönnt. 

 

Das letzte Release „Live in Athens“ wurde über Crowdfunding finanziert. Es handelte sich um eines der früheren Crowdfunding-Projekte. War dies für WUUYD nie ein Thema?

 

Ja, das war ein sehr interessantes Projekt und hat damals perfekt gepasst. Aber wir würden es nicht noch einmal machen, vor allem weil wir jetzt kein Geld mehr brauchen. Damals konnten wir es uns nicht leisten, daher war das eine super Idee. Den Fans hat sehr gut gefallen, dass wir zum Album noch handgeschriebene Songtexte mitgeschickt haben. So bekamen sie von uns etwas Einzigartiges, was sonst niemand hatte. Aber es war ziemlich viel Arbeit für uns, wir haben wochenlang nur Songtexte von Hand geschrieben.

 

Übersetzung: Laura Zeller 

 

Hansjürg Stämpfli / Mo, 05. Nov 2012