«Neil Young ist super, um in den Tag zu starten»
Die Sonne zeigte sich über Zürich von der besten Seite, als Henrik Lindstrand kurz nach Mittag zum Interview erscheint. In der Lounge des X-Tra sprach der Schwede über das aktuelle Album, über die dänische Musikförderung und was er mit einem Lottogewinn machen würde.
Es ist zwar schon Mittag, trotzdem, was ist dein Song für den perfekten Morgen?
Das ist eine gute Frage. (lacht) Ich würd sagen, das kommt ganz auf die Stimmung an. Momentan hör’ ich gern altes Zeug. Neil Youngs Album «Harvest» ist echt super, um in den Tag zu starten.
Du bist erst 1997 zur Band gekommen. Davor hatten Kasper, Mads und Asger den Bandnamen Nirvana. Wie sind sie auf die Idee gekommen?
Stimmt. Das war lange Zeit bevor ich zur Band kam. Aber ich habe die Geschichte dutzende Male gehört. Den Bandnamen Nirvana hatten sie nur kurze Zeit. Sie haben einfach gedacht, das wär doch ein cooler Name. Ich weiss gar nicht von wem die Idee eigentlich kam. Das war irgendwann 1991.
Wieso haben sie ihn geändert?
Kasper, Mads und Asger haben damals von den Gerüchten um eine Band aus Seattle gehört, die ziemlich gut sein sollen. (lacht)
Ihr habt euch nach einem Led Zeppelin Song benannt. Wieso gerade Kashmir?
Das war auch vor meiner Zeit bei Kashmir. Damals waren Asger, Mads und Kasper jeder für sich an ganz unterschiedlicher Musik interessiert. Aber sie waren sich darin einig, dass «Kashmir» einfach ein verdammt guter Song ist. Der Song war der gemeinsame Nenner.
Kaum einen Monat ist es her, dass euer Album «E.A.R.» veröffentlicht wurde. Was bedeutet der Titel?
«E.A.R.» ist eine Abkürzung und steht für Eternally Rest… Äh. Restless… Eternal Restlessness… Eternally Amplified Restlessness! (lacht) Es ist noch ein bisschen zu früh für mich. Eternally Amplified Restlesness. Es steht für das, was wir als Band sind. Wir sind immer neugierig, uns musikalisch neu zu entdecken. Wir haben so eine Rastlosigkeit in der Band, dass wir uns immerzu weiterentwickeln wollen.
Dieses Album sollte man als Ganzes anhören, um die Stimmung, die von jedem einzelnen Song getragen wird, zu spüren
Hast du einen Lieblingssong auf dem Album?
Ich bin wirklich stolz auf unser neues Album. Es war eine eindringliche Entwicklung. Das Album zu machen war für uns eine freudige und inspirierende Reise. Ich hab auf dem Album einige Lieblingssongs. Jeder Song hat seine ganz besondere Berechtigung. «Piece Of The Sun» und «Blood Beech» gefallen mir besonders. Aber ich denke, gerade dieses Album sollte man als Ganzes anhören, um die Stimmung, die von jedem einzelnen Song getragen wird, zu spüren.
Drei Jahre sind vergangen seit der letzten Albumveröffentlichung. Was habt ihr seither gemacht?
Naja, es hört sich erst mal nach viel Zeit an. Aber um dir die Warheit zu sagen, wenn man ein Album veröffentlicht, dann geht man vielleicht für eineinhalb Jahre auf Tour. Natürlich nicht ununterbrochen. Wir haben unser letztes Album 2010 rausgebracht. Danach waren wir viel unterwegs. Zweimal waren wir in Mexico, dann in Lateinamerika, in den USA, auf vielen Festivals in ganz Europa und natürlich in Skandinavien. Das ist unglaublich, aber die Zeit vergeht so schnell, wenn wir auf Tour sind. Und dann hatten wir ein paar Monate lang Pause. Wir machen alle noch viel Zeugs neben Kashmir. Ich schreibe viel Filmmusik und war damit recht beschäftigt. Kasper ist Künstler. Er malt viel und hatte einige Ausstellungen in Kopenhagen. Anfang letztes Jahr haben wir dann angefangen mit «E.A.R.». Wir haben etwa ein Jahr am neuen Album gearbeitet. Tja und da waren die drei Jahre dann auch schon vorbei. (lacht)
Kasper hat das CD-Cover zusammen mit dem Künstler Marco Mazzoni entworfen. Warum gerade Marco Mazzoni?
Normalerweise hat Kasper immer unser Album-Cover gezeichnet. Dieses Mal haben wir einfach rumgeschaut, ob es was gibt, dass für unser Cover passen könnte. Kasper war mal an einer Ausstellung in Kopenhagen und hat dort Marco Mazzonis Arbeiten gesehen und gedacht: «genau das ist es was wir brauchen.» Er hat uns Mazzonis Bilder gezeigt und wir haben uns gleich mit den Motiven verbunden gefühlt. Das war irgendwann im Herbst. Da waren wir fast fertig mit dem Album. Für uns haben die Musik und das Motiv einfach zusammengepasst. Also haben wir Marco Mazzoni gefragt, ob er etwas für unser Album zeichnen könnte. Und er hat wirklich tolle Arbeit geleistet.
Warum hat das Gesicht auf dem Album-Cover keine Augen?
Wenn man sich Marco Mazzonis Arbeiten anschaut, hat er oft diese augenlosen Gesichter. Einige davon sind sehr düster, fast schon weinerlich. Ich hab ihn nicht gefragt, das ist wohl Interpretationssache. Ich find es toll bei unserem Cover, dass das Mädchen hochschaut. Das hat irgendwie etwas von einer positiven Einstellung. Auch wenn es vielleicht auf den ersten Moment etwas erschreckend aussieht, hat es doch etwas Romantisches und Positives.
Eure Covers sind immer künstlerisch. Wie viel Wert legt ihr auf die Covers eurer Platten?
Wir geben uns immer viel Mühe eine möglichst starke Verbindung zwischen Musik und Kunst zu schaffen. Kasper und Mads, beide sind Künstler und malen viel. Daher war die Kunst schon immer irgendwie mit der Musik verknüpft. Für uns ist Kunst definitiv wichtig.
Kashmir: Henrik Lindstrant steht links aussen. (Promobild: Sony)
Welche CD hast du dir zuletzt gekauft?
Ich hör viel Musik über Spotify. (überlegt) Also die letzte digitale CD, die ich mir gekauft habe, war glaube ich von The War And Drugs - «Slave Ambient» und von The Flaming Lips. Ich bin ein echter Fan von denen. Die haben eine interessante und inspirierende Karriere hinter sich. Die sind zwar schon ein bisschen älter als wir, aber die machten echt klasse Musik. Ich weiss den Album-Titel aber grad nicht mehr. Aber die haben jetzt wieder ein neues Album rausgebracht. Das habe ich mir letzte Woche gekauft, bevor mir auf Tour gegangen sind.
Für welches Konzert hast du dir zuletzt Tickets gekauft?
Was war das nochmal? Ich war vor drei Monaten in der Oper in Kopenhagen und habe mir etwas von Wagner angeschaut.
Du kommst aus Schweden, aber bist Teil einer dänischen Band. Der dänische Film wird ja stark vom Staat unterstützt. Wie ist das bei der Musik?
Genau. Nur wir werden nicht im gleichen Ausmass wie die Filmindustrie unterstützt. Das ist ein echter Unterschied. Das dänische Filminstitut gibt viel Geld aus für alle möglichen Arten von Filmen. Für Kurzfilme, aber auch für grosse Filmprojekte. Momentan gibt es rege Diskussionen darüber in Dänemark, weil ein Teil davon von Steuergeldern kommt. Man diskutiert darüber, vermehrt Gelder auch in den Kulturbereich zu investieren. In Dänemark gibt es zum Beispiel Projekte wie «Danish Music Export». Damit sollen Künster, die viel im Ausland auf Tour sind, unterstützt werden. Aber das ist nicht vergleichbar mit den Millionen, die in die Filmindustrie fliessen.
Aqua haben gezeigt, was für dänische Bands möglich ist. Für Dänemark war das sicherlich ein Meilenstein, was den Erfolg ausserhalb des eigenen Landes angeht.
Dänemark ist etwa so gross wie die Schweiz und bringt regelmässig international bekannte Bands hervor. Ob Saybia, Aqua, Efterklang oder neu auch Lukas Graham. Habt ihr eine besondere Musikförderung in der Schule?
Gute Frage. (lacht) Als ich Mitte der 90er nach Dänemark kam, ging ich an das Musikkonservatorium. Zu dieser Zeit hatten nur wenige Bands auch ausserhalb von Dänemark Erfolg. Leute kamen zu mir und fragten «Wie kommt es, dass schwedische Bands auch im Ausland so erfolgreich sind?». Ich sagte ihnen, dass das Musikschulsystem in Schweden sehr gut funktioniert. Kinder gehen von klein auf in die Musikschule. Aber vor allem liegt es am Björn-Borg-Effekt. Björn Borg war ein grossartiger Tennisspieler in den 70ern. Die 80er brachten dann eine Vielzahl talentierter Tennisspieler hervor. Einfach, weil sie alle dieses Vorbild hatten. Ich denke, es ist für jedes Land wichtig, ein Vorbild zu haben, zu dem man hochschauen kann. Was im Sport Björn Borg, war in der Musik ABBA. Mit ABBA war die Möglichkeit für schwedische Künstler auf einmal viel greifbarer, auch international erfolgreich sein zu können. Wenn man Aqua nimmt. Sie sind vielleicht nicht gerade das beste Beispiel für dänisch Musik, aber sie haben gezeigt, dass alles möglich ist. Für Dänemark war das sicherlich ein Meilenstein, was den Erfolg ausserhalb des eigenen Landes angeht. Seither gab es viele Bands wie Mew, Saybia, Efterklang und uns eingeschlossen, die gekämpft haben, um eben das zu schaffen. Und jetzt kommen immer mehr neue Bands auf, weil sie sehen, dass es funktionieren kann. (lacht)
Wo war der ausgefallenste Ort, an dem ihr je gespielt habt?
(lacht) Das war 2004, als wird den Dokumentarfilm «Rocket Brothers» über unsere Band rausbrachten. Wir haben damals ein Flugzeug gechartert und ein Konzert in 10‘000 Meter Höhe gegeben. Die ersten zehn Sitzplatzreihen haben wir rausgenommen und hatten dort dann Keyboard, Drums und Gitarre. In den übrigen Reihen sassen die Leute und jeder hatte einen Lautsprecher vor sich montiert. Den Tontechniker hatten wir am anderen Ende des Flugzeugs. Echt bizarr. Der Gig dauerte vielleicht 25 Minuten oder so. Das war wirklich ein spektakuläres Erlebnis. (lacht)
Zu guter Letzt. Was würdest du machen, wenn du im Lotto gewinnst?
(lacht) Naja, kommt ganz drauf an, wie gross der Gewinn wäre. Aber ich würde nicht grossartig etwas in meinem Leben ändern wollen. Ich fühl mich priviligiert, eine wunderbare Frau und zwei Kinder zu haben und in einem Haus, etwas ausserhalb von Kopenhagen, leben zu dürfen. Natürlich würd ich mir das eine oder andere gönnen. Aber schlussendlich kann man sich das wirklich Wichtige im Leben nicht mit Geld kaufen. Keine Ahnung, ob ich ein glücklicherer Mensch wäre, wenn ich im Lotto gewinnen würde. Definitiv würde ich weiterhin Musik machen, das liegt einfach in meinen Genen. Ich bin glücklich, dass ich die Musik zu meinem Beruf machen konnte und davon leben kann. (lacht)