«Es ist mir wichtig, dass meine Band und ich uns über die Soundästhetik einig sind»

Interview mit Pina Palau
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Pressebild / ©Ella Mettler

Die Zürcher Songwriterin Pina Palau hat mit «Illusion» ein bemerkenswertes Debütalbum veröffentlicht – Kuhglocken und Raumklang inklusive. Wir haben mit ihr über ihre Arbeit am Album, den Einfluss von Alltagsgeräuschen in ihrer Musik und ihre Pläne für das laufende Jahr gesprochen.

 

Dein Album «Illusion» überrascht mit Kuhglocken im «Intro» oder mit dem bewussten Nutzen des räumlichen Klangs. Wie entstehen bei dir so kleine Details?

 

Mir ist dieser Aspekt sehr wichtig. Mit der Arbeit am Album habe ich gemerkt, dass ich diesen fast cineastischen Raumklang sehr mag. Als ich mit dem Schreiben für das Album begann, fuhr ich viel Rennvelo. Ich fand es grossartig, dass ich in der Stadt wohnen kann und auf einer Velotour innert kürzester Zeit irgendwo auf dem Land sein kann. An diesen Sommerabenden auf dem Velo, gehörten die Kuhglocken oft dazu. Irgendwann habe ich das Handy gezückt und sie aufgenommen. Im Intro sind auch Schritte oder andere Geräusche aus meinem Alltag zu hören. Für diese Dinge versuche ich immer offen zu sein. Wenn mir etwas spannend erscheint, nehme ich es auf und behalte es.

 

Hast du inzwischen eine Art Klangsammlung, auf die zu zugreifen kannst?

 

Hier war es so, dass ich im Studio Musik gemacht habe und mich eher zufällig an ein Video erinnerte, dass ich von Kuhglocken gemacht hatte. Davon habe ich die Tonspur genommen. Es ist meist so, dass ich mich an ein Bild erinnere, das ich irgendwo gesehen habe, mich nach dem Sound zum Bild sehne und diesen dann suche.

 

Wie lange tüftelst du an den Arrangements, bis sie für dich stimmen?

 

Das kommt darauf an, zu welchem Zeitpunkt. Ich versuche, im Prozess des Schreibens schnell vorwärtszuarbeiten und mag beispielsweise nicht, wenn ich von der Technik aufgehalten werde. Mir geht es darum, eine Stimmung oder ein Gefühl möglichst direkt rüberzubringen. Natürlich braucht es am Ende Zeit für die Feinarbeit. Aber am Anfang will ich möglichst direkt sein. Auf diese Weise arbeite ich die Ideen aus. Manche dieser Sachen übernehme ich später für das Album, andere werden verworfen.

 

 

Ich musste verschiedene Sache ausprobieren, bis ich mich gefunden habe. Es ist vergleichbar mit einer Zwiebel, von der ich jene Schichten ablegen musste, die nicht mir entsprachen.

 

 

Wie hast du deinen musikalischen Stil gefunden? Was du erzählst, klingt nach einem klaren Plan.

 

Das war ein langer Prozess. Ich glaube, was ich jetzt musikalisch mache, entspricht stark meinem Charakter. Das bin ich. Vor Pina Palau habe ich verschiedenste Arten von Musik gemacht. Früher auch sehr viel klassische Musik, was mich sehr fasziniert. Aktuell fehlt mir aber etwas der Zugang. Lange habe ich als Sophie Louise Musik gemacht. Ich musste verschiedene Sache ausprobieren, bis ich mich gefunden habe. Es ist vergleichbar mit einer Zwiebel, von der ich jene Schichten ablegen musste, die nicht mir entsprachen. Im Grunde war die Essenz schon immer da, aber ich konnte nicht so richtig auf meine Intentionen zugreifen.

 

Wenn du an ein Album herangehst, hast du eine klare Vision oder schaust du eher, was entsteht, wenn du dich treiben lässt?

 

«Illusion» ist mein erstes Album und die Arbeit daran hat sich sehr frei angefühlt. Als ich damit angefangen habe, wusste ich nicht, wohin es mich führt. Ich hatte kein Label, keine Band, kein konkretes Ziel. Ich habe mich für ein Studio beworben, das der Stadt Zürich gehört, um Musik zu machen. Das Studio kann über längere Zeit gemietet werden. Ich habe es bekommen und fühlte mich darin anfangs sehr leer. Ich dachte daran, das Studio aufzugeben, weil es mir nicht zustehen sollte, wenn nichts Kreatives passiert. Es war Oktober und ich gab mir bis Ende Jahr Zeit, um den Spass an der Musik zu geniessen und danach sollte Schluss sein. Ich brauchte diesen kompletten Verlust von Druck und plötzlich sind Songs entstanden. Von da führte das eine zum anderen. Erst als das Album fertig aufgenommen war, suchte ich nach einem Label und einer Band. Jetzt ist die Situation sehr anders. Ich weiss, dass ein Album am Entstehen ist, habe eine Band um mich und ein Label, ein Booking, ein Team. Das ist auch sehr schön, weil ich mir konzeptuelle Gedanken machen kann. Ich kann mir beispielsweise überlegen, was das Thema des Albums sein soll, was der Titel oder ich schaue auf den Kontext der Songs und überlege, was noch fehlt. So weit habe ich früher nie gedacht. Es waren Songs da und irgendwann das fertige Album. Jetzt ist alles konkreter.

 

Deine Texte erzählen Geschichten. Wie wichtig sind dir Texte und wie schreibst du?

 

Beim ersten Album habe ich jeden Morgen geschrieben. Das war noch in der Pandemie, als meine Tage wenig Fixpunkte hatten. Ich bin aufgestanden, habe einen Kaffee getrunken und aufgeschrieben, was mir in den Sinn gekommen ist. Die meisten Songs und Ideen entstanden in diesem Schreibrhythmus. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass alle meine Songs kleine Geschichten und Erinnerungen aus meinem Leben sind. Der Titel des Albums ist auch der Name eines Songs, in dem ich der Erinnerung an eine Freundschaft nachgehe. Alle Geschichten und Erinnerungen aus meinem Leben erzähle ich aus meiner Perspektive, basierend auf meiner eigenen Wahrnehmung. Jemand anders hat die Geschichte vielleicht ganz anders erlebt, es gibt keine richtige oder falsche Wahrnehmung davon. Wie weiss ich, dass meine Deutung der Wahrnehmung die Richtige ist und keine Illusion? So ist der Albumtitel entstanden.

 

Nutzt du hauptsächlich reale Erlebnisse als Einfluss?

Ich glaube, dass alle Geschichten einen Kern haben, der auf meinen Erlebnissen basiert. Sonst wäre ich ja nicht auf die Idee gekommen. Ich habe jedoch nicht den Anspruch an einen Song, dass er eine Geschichte von A bis Z erzählt. Irgendwann bemerkte ich, dass selbst bei vermeintlich erfunden Geschichten ein beachtlicher Teil von mir selbst darin du finden ist.  Manchmal realisiere ich erst später, um was es in einem Song eigentlich geht. Spannend ist, wenn mich Leute darauf ansprechen, in Interviews oder so, und ich erst dann merke, was ich damals gefühlt habe und wie es in den Song eingeflossen ist.

 

 

Ich glaube, dass alle Geschichten einen Kern haben, der auf meinen Erlebnissen basiert. Sonst wäre ich ja nicht auf die Idee gekommen. Ich habe jedoch nicht den Anspruch an einen Song, dass er eine Geschichte von A bis Z erzählt.

 

 

Jetzt ist das Album fertig und du gehst damit auf die Bühne. Wie bereitest du dich auf ein Konzert vor, damit die Songs auch auf der Bühne so klingen, wie du sie haben möchtest?

 

Ich habe schon immer Künstlerinnen und Künstler bewundert, die live nicht wie auf CD klingen. Das ist sonst langweilig. Es ist mir wichtig, dass meine Band und ich uns über die Soundästhetik einig sind und dass wie alle die Stimmung des Songs verstehen. Gleichzeitig ist mega wichtig, dass Platz für Überraschungen da ist. Natürlich gibt es einzelne kleine Melodien, die immer genau gleich gespielt werden müssen. Es gibt aber auch ganz viele Sachen, die viel spannender sind, wenn sie aus dem Moment oder aus einer Emotion gespielt werden. Das hängt natürlich von der Tagesform und der Stimmung in der Band ab. Aber auch von der Stimmung im Publikum und wie es mit der Band und mit mir interagiert. Dafür braucht es Platz. Es fasziniert mich, wenn Musikerinnen und Musiker bereit sind, die Energie des Publikums in die Musik einfliessen zu lassen.

 

Du spielst Ende März am m4music. Macht es einen Unterschied, dass es ein Branchenfestival ist?

 

Das macht einen grossen Unterschied. Es ist erst das zweite Mal, dass ich an einem Showcase-Festival spiele. Im letzten September spielten wir am Reeperbahnfestival. Das war sehr schön und eine grosse Freude. Aber zuvor habe ich befürchtet, dass sich das Klischee erfüllt und das Publikum an solchen Festivals einen eher ausgecheckt und beurteilt als sich auf die Musik einzulassen. Aber in Hamburg war es nicht so. Zudem spielen wir am m4music auf der Openair-Bühne vor dem Schiffbau. Wenn das Wetter schön ist, kann es durchaus sein, dass Leute aus Zürich zum Musikhören kommen, ohne dass sie sich primär für die Branche interessieren.

 

Was ist bei dir für 2023 noch geplant?

Im April spielen wir den zweiten Teil der Release-Tour zu «Illusion». Also verschiedene Auftritte mit der Band in der Schweiz. Anschliessend nehme ich das zweite Album auf. Das dauert dann sicher einen Moment, bis es veröffentlicht wird. Über den Sommer spielen wir die ersten grossen Festivals, beispielweise am Openair St. Gallen. Das ist eine grosse Freude. Natürlich gibt es Sachen, die noch nicht bekanntgegeben werden dürfen. Es werden vor allem viele Konzerte sein und vielleicht auch ein Ausstrecken der Fühler über die Schweizer Grenzen hinaus. Aber ich gehe Schritt für Schritt.

 

 

Tour (Auswahl):

 

  • 31.03.2023: Neubad, Luzern
  • 01.04.2023: Cinema Sil Plaz, Ilanz
  • 14.04.2023: KiFF, Aarau
  • 16.04.2023: Albani, Winterthur
  • 29.06.-02.07.2023: OpenAir St. Gallen 2023, St. Gallen
  • 13.-15.07.2023: Openair Bivio 2023, Sils im Engadin/Segl

 

* Dieser Artikel ist Teil einer Textpartnerschaft mit den Lokalzeitungen von zuerich24.ch. 

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 29. Mär 2023