Taylor Swift feiert Schweizer Premiere im Letzigrund

Konzertkritik: Taylor Swift in Zürich
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Bäckstage, privat (Handyfoto)

«This is my first sold out Show in Switzerland», ruft Taylor Swift schon früh den Menschen im ausverkauften Letzigrund zu. Später am Abend wird sie ergänzen, dass es ihre erste Show überhaupt in der Schweiz und sie glücklich sei, dass so viele Leute trotz der Hitze im Stadion seien oder dass sie zum ersten Mal Songs aus dem Album «Red» in der Schweiz spiele. Es ist der Abend der Premieren für Swift, aber auch für eine grosse Anzahl der Menschen im Publikum, die Taylor erstmals live sehen. Die Fans sind aus der ganzen Schweiz angereist und aus dem nahen und fernen Ausland. Sogar aus den USA. Wobei das durchaus Sinn ergibt, kommt ein Trip nach Zürich, inklusive Ticket und Hotel, unter Umständen günstiger als ein Ticket für ein Konzert in den USA. Aber das ist ein anderes Thema. Zurück zum Letzi.

 

Die Begeisterung in der Limmatstadt war schon den ganzen Tag spürbar. Bereits am Morgen sind erste Swifties, wie Fans sich nennen, in der Nähe des Stadions zu finden und ab 10 Uhr dann auch direkt vor dem Stadion. Zuvor war das Anstehen noch verboten. Man vertrieb sich also die Zeit bis zum Konzert, spielte Karten oder bastelte und tausche Freundschaftsbändchen und knüpfte neue Freundschaften. Weil es so heiss war, verteilte der Veranstalter kostenloses Wasser, damit niemand auf das Trinken verzichtete, um den Platz in der Schlange nicht zu verlieren. Bei Taylor Swift ist alles etwas grösser, um das Stadion wurde sogar grossräumig abgesperrt, damit nicht zu viele Fans vor dem Stadion verweilen und die Fluchtmöglichkeiten versperren.

 

Taylor Swift begrüsst mit «Grüezi»

 

Einige Stunden später, kurz nach 19 Uhr, erscheint im Innern des Stadions auf dem grossen Screen der Bühne eine Uhr und leitet einen Countdown von knapp 3 Minuten ein. Die Vorfreude steigt, Taylor ist nah. Es ist förmlich im Stadion zu spüren, wie die Aufregung zunimmt. Plötzlich laufen ein paar Tänzerinnen und Tänzer mit grossen, bunten Segeln über die Bühne, sammeln sich in der Mitte des Stegs, der weit ins Publikum führt, gruppieren sich im Kreis und gehen in die Knie. Als sie sich wieder erheben, steht Taylor Swift unter den Segeln und wird gleich von einem hydraulischen Rechteck in die Höhe gehoben. Jetzt brechen alle Dämme. Der Jubel und das Gekreische sind riesig, Hände heben sich und ab dem ersten Wort wird textsicher mitgesungen. Swift begrüsst alle mit einem «Grüezi» und leitet in die erste Phase ein. 

 

Taylor Swift baut ihre Konzerte nach Phasen auf, den Eras, die der Tour den Namen geben. Eine Era behandelt jeweils eine ihrer Platten. 9 Eras plus die zwei Überraschungssongs als ergänzenden Block bilden das Set, allerdings sind sie nicht chronologisch nach Erscheinen der Alben arrangiert. Beeindruckende 45 Songs umfasst die Setlist. Das ist ziemlich eindrücklich, weil Taylor Swift rennt, tanzt und dabei hochkonzentriert sein muss. Das merkt man ihr erstaunlich wenig an. Aber sie hat eine Band und geschätzt zwei Dutzend Tänzerinnen und Tänzer im Rücken und sie gestaltet das Set so clever, dass ihr ruhige Songs immer wieder ein Durchatmen erlauben.

 

Einfangen lässt sich die Show, die rund 3:15 Stunden dauert, allerdings kaum vollständig. Es passiert schlicht zu viel. Darum nur ein paar Beispiele. Bei «Cardigan» heben sich aus der Bühne Tannenbäume und eine Waldhütte, «Folklore Cabin» nennt sie Taylor und sie erklärt, dass die beiden Schwesteralben «Folklore» und «Evermore» in der Pandemie in so einer Hütte entstanden seien – mit zu viel TV und zu viel Alkohol, was damit genau gemeint ist, bleibt unklar. Taylor fügt hinzu, dass sie damals nicht sicher gewesen sei, ob die Songs jemals live gespielt würden. Umso mehr freut sie sich, sie jetzt in Zürich zu spielen. Immer wieder kommt das hydraulische Element im Steg zum Einsatz, etwa bei «Blank Space», hebt Taylor hoch, kann aber auch zur Treppe arrangiert oder in drei Teile geteilt werden. Das ist eine im Grunde einfache, aber effektive Idee. Oder wenn Taylor Swift ganz am Ende des Stegs stehend kopfvoran in die Bühne springt und dann unter dem Boden, der ein einziger grosser Screen ist, zur Hauptbühne zurückschwimmt. Diese technische Inszenierung ist auf allerhöchstem Niveau. Aber ist das nicht alles zu perfekt für ein Konzert? Entsteht dabei Live-Stimmung?

 

Rauchsäulen unter blauem Himmel. (Foto: Bäckstage, Handyfoto)

 

Ja, es entsteht durchaus ein Live-Gefühl. Einerseits, weil eine Live-Band eingebunden ist. Etwa wenn die Musiker auf der Erhöhung in der Mitte des Stegs stehen, die Chefin flanieren und ausgiebig Soli spielen. Die Band trägt Taylor während der Show sanft. Etwa wenn sie am Piano sitzt und spielt und sie der Keyboarder kaum merkbar unterstützt oder die Backgroundsängerinnen gesanglich so geschickt füllen, dass Taylor auch mal durchatmen kann. Der entscheidende Faktor ist aber Taylor selbst, die sehr viel mit dem Publikum spricht, teils Anekdoten erzählt oder einen kleinen Fan beim Sonng «22» mit ihrem Hut beschenkt. Auch wenn der Fan vorher ausgewählt wurde, ist die Geste trotzdem schön. So schafft Taylor ein Gefühl der Verbindung. Dazu kommen die Lyrics, die oft von Dingen erzählen, die viele der mehrheitlich jungen Frauen im Publikum nachvollziehen können und so erkennen, dass da ein grosser Star ist, der ähnlich fühlt. Ein kleines Detail, das oft das letzte Steinchen für das Mosaik eines Konzertes ist, sind Fehler. Taylor ist über die volle Länge beeindruckend solide, aber ein-, zweimal trifft sie schon neben den Ton. Bei einer Liveshow muss und darf das zwingend sein, sonst werden Vorwürfe laut, es sei sowieso alles Playback - Grüsse an Dave Grohl!

 

Der vielleicht wichtigste Aspekt ist aber, dass man ihr abnimmt, dass sie liebt, was sie tut und viele Facetten ihrer Karriere zeigen will. Wenn sie im Akustikset mit den zwei Überraschungssongs - in Zürich sind das «Last Kiss/Sad Beautiful Tragic» und «Right Where You Left Me» - ganz alleine mit der Gitarre auf der Bühne am Ende des Stegs steht und singt, ist sie für einen Moment nicht mehr der Weltstar, sondern wieder das talentierte Mädchen, das einst aufbrach, um Musik zu machen, seiner Leidenschaft zu folgen, und zum aktuell grössten Popstar der Welt wurde. So schliesst sich irgendwie ein berührender Kreis zum Mädchen, das Taylor Swift sich bei aller Professionalität vermutlich im Innern bewahrt hat. Vielleicht ist diese Art von Authentizität ein nicht zu verachtender Teil ihres Erfolgs. Diesen Eindruck unterstreicht ihr Gesichtsausdruck, gross auf dem Screen zu sehen, als nach «Champagne Problems» ohne ersichtlichen Grund fast zwei Minuten euphorisch gejubelt und geklatscht wird. Fast schüchtern lächelt Swift, als ob sie nicht so recht glaubt, was gerade passiert, und bedankt sich in drei, der vier Schweizer Landessprachen.

 

Für kleine Fans etwas lange Konzertdauer

 

Viel später endet das erste von zwei Schweizer Konzerten mit «Karma» und einem Feuerwerk, dass den Himmel und viele Augen erhellt. Die Freude ist vielen ins Gesicht geschrieben, dass ihre Taylor endlich in Zürich gespielt hat. Auch wenn die Länge der Show für manche der ganz kleinen Fans ermüdend ist. Ein Mädchen beispielsweise, vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, kuschelt sich erschöpft wirkend an die Mutter und schaut mit glasigem Blick in Richtung Bühne. Vielleicht wären 2,5 Stunden auch ok gewesen. In der ruhigen Era von «Evermore»/«Folklore» setzen sich zudem viele hin, um bei «Shake It Off» wieder genug Energie zu haben. Dieser Moment des kollektiven Ausbruchs beim Song soll sogar auf den Seismografen messbar gewesen sein.

 

Schade ist nur, dass die Show bereits um 19 Uhr beginnt, weil im Letzi durch die gesetzlichen Vorgaben irgendwann Schluss sein muss und darum die leuchtenden Armbänder, die man beim Betreten des Stadions bekommt, erst in den letzten 30 – 45 Minuten so richtig zur Geltung kommen.

 

Das Geheimnis von Taylor Swift ist die Mischung aus perfekt orchestrierter Show und der nahbaren Bühnenpräsenz der Musikerin. So gelingt ihr ein idealer Spagat zwischen Show und Konzert. Der Auftritt im Letzi zeigt durchaus, weshalb sie weltweit gefeiert wird - weil sie Freude in die Herzen bringt.

 

Infos zum Konzert:

 

  • Künstlerin: Taylor Swift
  • Location: Letzigrund Stadion
  • Datum: 9. Juli 2024
  • Kapazität: ca. 50‘000 (ausverkauft)
  • Konnzertdauer: ca. 3 Stunden 15 Minuten

 

Patrick Holenstein / Mi, 10. Jul 2024