Minimalistische Unschuld und geschickte Arrangements

Konzertkritik: Cat Power im Volkshaus Zürich
Bildquelle: 
www.matadorrecords.com

Die Augen einer jungen Frau im Volkshaus leuchten. In der Hand hält sie triumphierend eine weisse Rose, eine unschuldige Blume, die eben noch Cat Power durch die Luft geworfen hat. Damit unterstreicht Chan Marshall, wie die amerikanische Künstlerin bürgerlich heisst, die feinen Gegensätze im eben gehörten musikalischen Kontext.

 

Cat Power sollte eigentlich im Dezember an der «Kilbi im Überall» den Eröffnungsabend bestreiten. Krankheitshalber musste sie jedoch absagen und nun wurde das Konzert nachgeholt. Schüchtern wirkt sie, zuweilen etwas aufgekratzt, wenn sie gespielt künstlich auf der Bühne stolziert oder zwischenzeitlich immer mal wieder unverständliche Laute von sich gibt. Aber das passt irgendwie dann alles doch zum Gesamteindruck der zwar introvertierten, aber eben auch verspielten Künstlerin. 

 

Zerbrechliche Pflänzchen und zauberhafte Lieder 

 

Getragen wird sie von einer vierköpfigen Band, aus der besonders die Schlagzeugerin heraussticht. Ohne mit der Wimper zu zucken haut sie auf ihre Felle, bleibt stoisch und exakt in den reduzierten Arrangements, die die Songs von Cat vorgeben, belebt aber genau durch die bleibende Konstanz. Schnörkellos und zum Teil fast etwas archaisch reduziert klingen die Songs und damit gelingt es Cat Power trotzdem zu begeistern. Die Menschen im gut besuchten Volkshaus Zürich hängen an den Lippen der blonden Sängerin. Man muss sich von der eigentlich trist und karg wirkenden und in sehr schmale Muster gestrickten Musik bloss einlullen lassen, dann entfaltet sie ihre ganze, unschuldige Schönheit. Plötzlich reißen sensibel-scharfe Gitarren Risse in die repetitiven Elemente und zeigen, dass die vordergründig starren Arrangements eigentlich sanfte Pflänzchen sind, die unter zu harten Beats gnadenlos zu Staub zerfallen würden. Stattdessen zaubert die Band Lieder, die wie in ein Korsett gedrängt agieren, kein großes ausbrechen erlauben, aber wenn ein Ausbruch passiert, offenbaren die feinfühligen Songs ihren lebendigen weichen Kern. Das alles ist dem sehr präzisen Zusammenspiel zu verdanken. Gerade in den leisen Momenten, wenn alle Instrumente perfekt greifen.

 

Cat Power fordert viel vom Publikum, lässt die Musik gelegentlich ziellos kreisen und scheinbar endlos zirkulieren und scheint sich auch selbst etwas in Trance zu singen.  Unfassbar die Frau. Voller Facetten, eigentlich in Minimalismus gefangen, überzeugt sie doch mit viel Elan und Leidenschaft, auch wenn sie sich verschlossen gibt. Da passt ihr Auftreten zur eigentlich unspektakulären Musik, die doch viel Kreativität offenbart. Wenn sich Cat Power dann zum Schluss verbeugt und weisse Rosen verteilt, wird sie mit anhaltendem Applaus belohnt und die Unschuld der Musik der Sängerin blitzt für einen letzten Moment schemenhaft durch.

 

Patrick Holenstein / Sa, 29. Jun 2013