Bryan Adams und die Kuchenbäckerin
Den Running Gag bei seinen Konzerten greift Bryan Adams gleich selbst auf. «Ich durfte über die Jahre mit vielen tollen Künstlern singen. Den folgenden Song zum Beispiel mit Tina Turner.» Dann lässt Adams genüsslich das Raunen im Publikum entstehen, bis er hinzufügt: «And here is …» Adams wartet, bis der Aufschrei des Publikums sich voll entfaltet hat, und meinte dann süffisant grinsend: «No, she is not her. But the great Keith Scott.» Einmal mehr hoffen die Fans vergebens auf ein Bühnen-Duett des Kanadiers mit Tina Turner beim Duett «It’s Only Love». Vielleicht passiert es eines Tages, irgendwo, in einer Schweizer Konzerthalle.
Keith Scott hingegen hätte vielleicht sogar eine ähnlich charismatische Stimme wie Tina, es käme auf einen Versuch an, doch er zupft lieber die Gitarrensaiten. Das tut er dafür stilsicher und präzise. Seit Jahren gehört er fest zur Band von Bryan Adams und ist inzwischen fast selbst ein kleiner Star. Szenenapplaus erntet er, jedes Mal, wenn ihn ein Solo an den Rand der Bühne führt, und so manche Frau auf der Dolder Eisbahn ist bestimmt nicht nur wegen Bryan da. Keith und Bryan sind längst ein eingespieltes Team, das wird bei jeden gegenseitigen Grinsen quer über die Bühne deutlich und bei jedem gemeinsamen Posieren für die Fans sichtbar.
Keith und Bryan, ein ideales Bühnenpaar
Unmittelbar transportiert wird die Chemie bei der Musik. Das Zentrum des Abends ist das Zusammenspiel von Bryans rau-brummiger Stimme, die noch immer durch nichts zu erschüttern ist, und den oft gewollt hingerotzten Brettern von Keith. Sind die beiden Freunde? Vielleicht. Als Bühnenpartner harmonieren sie wunderbar. Eine weiterer Grund, wieso Konzerte des Kanadiers funktionieren, liegt in der absoluten und bedingungslosen Nähe zum Publikum. Adams vermag es wie nur wenige, einem das Gefühl zu vermitteln, er würde nur für einen selbst spielen und er geht stark auf das Publikum ein. Ausserdem ist er ein Songschreiber, der seinen Songs zwar einfache Melodien gibt, diese aber so exakt auf den Punkt bringen kann, dass viele eigentlich schon jetzt zeitlos sind.
Und Adams hat Humor. «Füllt die Pisslinie», fordert er irgendwann im Laufe des Abends und meint damit die leere Reihe zwischen den Sitzplatzblöcken vor der Tribüne. «Wir nennen sie halt so», fügt er vergnügt hinzu. Oder er spricht einen Zuschauer mit Cliff Richards an und foppt ihn, als er eine Bühnenpartnerin für «When You’re Gone» sucht: «Du bist nicht angesprochen, Cliff.» Eben jene Bühnenpartnerin stiehlt dem bestens aufgelegten Adams dann aber die Show. Kuchenbäckerin sei sie. Das gefällt dem Kanadier. Ob sie denn singen könne, will er wissen. «I can’t sing, but I know the words», antwortet sie selbstbewusst und trifft danach ziemlich charmant neben die Töne. Macht nichts, der Spass steht bei Adams im Fokus und der belohnte seine Duett-Partnerin mit zehn T-Shirts für sie und ihre Freunde.
Adams spielt sich durch eine Setlist, die viele Klassiker enthält, aber auch selten gespielte Songs, wie «Hearts On Fire» vom «Into The Fire»-Album. Er hält kaum einen bekannten Song zurück, von «Have You Ever Really Loved A Woman», den er als «The prettiest Song I’ve ever written» bezeichnet, über «Here I Am» und «Kids Wanna Rock», bis zum krönenden und akustischen Abschluss mit «Straight From The Heart». Selbst der etwas drastische Tempobruch zwischen «Summer of 69» und dem direkt folgenden «Everything I Do» schadet der Stimmung nicht. Die Leute lieben Adams und Adams weiss genau, was die Konzertgänger von ihm wollen. Eine klassische Win-Win-Situation mit Keith Scott als Bonus.