Alanis Morissette überzeugte mit Charme und Gesang

Konzertkritik: Alanis Morissette @ Dolder
Bildquelle: 
www.liveatsunset.ch

«Guardian» war der erste Song, den Alanis Morissette für Produzent Guy Sigswoth schrieb. Er wird auch Teil des neuen Albums «Havoc and Bright Lights» sein, das im August erscheint. Natürlich durfte er am Live at Sunset auf der Setlist nicht fehlen. Alanis selbst sagt: «It’s easy to me to ignore myself. It’s easy to me to put my names last». Sich selbst zurückstellen um für andere da zu sein, einen Beschützerinstinkt für die, die man liebt, zu entwickeln, das ist Alanis Morissettes ganz eigene Interpretation von «Guardian». Der Song besitzt gehöriges Ohrwurmpotential. Zudem präsentierte sie drei weitere Tracks ab dem kommenden Album: «Woman Down», «Havoc» und «Numb». Nach vier Jahren Bühnenabstinenz kam Alanis nun endlich wieder in die Schweiz zurück.

 

«I Remain» vom Soundtrack des 2010 erschienen Films «Prince of Persia» war der Start in einen gelungenen Konzertabend. Die 38-jährige kanadische Singer/Songwriterin liess die Spannung ins Unermessliche steigen, als sie erst mit dem zweiten Song «Woman Down» die Live at Sunset Stage betrat. Weinrote Leggins, Boots und ein schwarz-weisses Top. Mit braunem, wallendem Haar schien sie förmlich über die Bühne zu schweben. Morissette begrüsste die zahlreich erschienen Zuhörer auf der Dolder Eisbahn, mit den Worten «Thank you phenomenous!». Das Konzert war nahezu ausverkauft.

 

Einstimmend für den Abend gab der Basler Musiker Levin mit Band auf der Off-Stage einige seiner Songs zum Besten, darunter auch «This is me» für welchen er den Radio 24 – Award bekam. Der Schweizer Sänger mit türkisch-italienischen Wurzeln konnte mit seinen einfühlsamen Songs, einem Mix aus mediterranen Melodien, heissen Rhythmen und feinen Gitarrenklängen, überzeugen.

 

Der religiöse Eifer der Eltern

 

Alanis Morissette, so aussergewöhnlich ihr Name ist, so ist es auch ihre musikalische Karriere. Nach den zwei nahezu unbekannten Alben «Alanis» (1991) und «Now is the time» (1992) kam 1995 mit «Jagged Little Pill» der lang ersehnte Durchbruch. So war es auch nicht verwunderlich, dass ihre Setlist zum Grossteil aus Tracks ab ihrem Debüt-Album bestand. Ob bei «Forgiven», dem Song, in dem sie den religiösen Eifer ihrer Eltern verarbeitet oder «You Learn», das Publikum war begeistert.

 

Mit dem Verkauf von über 30 Millionen Alben wird «Jagged Little Pill» zum meistverkauften Debüt–Album einer weiblichen Künstlerin aller Zeiten. Madonna meinte einst über Alanis Morissette, «Alles um sie herum vibriert vor Spannung und Erwartung, so als ob nichts unmöglich wäre und es keine Grenzen gäbe.» In ihren Bann wurden auch die musikbegeisterten Zuhörer gezogen.

 

Es war wie ein Wiedersehen mit Freuden, mit den alten Hits im Gepäck brachte sie nahezu jeden zum Mitsingen und animierte das Publikum mühelos. Alanis Morissette wusste die Bühne für sich zu nutzen und kam dem Drang sich zu bewegen nach. So erhoben sich immer mehr Zuhörer von ihren Sitzplätzen, ob mitsingend oder nur rhythmisch bewegend – was für die Ordner zur Herausforderung wurde.

 

Mundharmonika und lange Haarpracht

 

In den Jahren 1996 -1999 wurde Alanis mit sieben Grammy Awards ausgezeichnet, bekam den MTV Europe Music Award und BRIT Awards als Beste Künstlerin und International Breakthrough Act im Jahr 1996. 1998 steuerte sie den Song «Uninvited» für den Streifen «Stadt der Engel» mit Nicolas Cage und Meg Ryan bei. Ein weiterer Zugabe-Hit, mit welchem sie die Dolder Eisbahn zum Erstrahlen brachte. Auch 17 Jahre nach ihrem erfolgreichen musikalischen Durchbruch ist sie noch immer bodenständig und publikumsnah, ganz ohne Starallüren. Das Schütteln der zum Markenzeichen gewordenen langen Haarpracht und ihre Mundharmonika durften bei Songs wie «All I really want», «Head over Feet» oder dem ersten Zugabetitel «Hand in my Pocket» natürlich nicht fehlen. So präsentierte sie nicht nur die Musik von einst, die Stücke, die sie bekannt machten, sondern auch eine Bühnenpräsenz, die an ihren Karrierebeginn erinnert - voll Energie und Euphorie – hat sie sich auch über die Jahre erhalten. In ihren Texten spiegelt sie eine Hingabe und Wortgewalt, vereint mit Dynamik und emotionalen Ausschweifungen wider. 

 

Gitarrist Julian Coryell ist der Sohn des Jazzmusikers Larry Coryell. Er gab den Songs den nötigen Drive gepaart mit der nötigen Dynamik. Schlagzeuger Victor Indrizzo wurde, so schien es, sicherheitshalber hinter eine Plexiglaswand gepackt, da er sein Instrument derart brachial bearbeitete. Die Single «Hands Clean» war einer der 21 Songs des Abends. Erschienen ist er 2002 auf der Platte «Under Rug Swept» und ist einer ihrer wohl erfolgreichsten Hits. Besonders daran ist, sie schrieb, komponierte und produzierte das komplette Album in Eigenregie, was ihr den Juno-Award als Produzentin einbrachte.

 

«Thank U» für Zürich

 

Mit ihrem letzten Album «Flavors of Entanglement» wagte sie den Versuch elektronische Elemente in ihre Songs miteinzuarbeiten – doch es war ihr nicht wirklich geglückt, doch «Citizen of the planet» und «Versions of Violence» waren gleichwohl im Konzert-Repertoire vorhanden. Nach 90 Minuten geballtem Pop-Rock verabschiedete sich Alanis Morissette von einem begeisterten Zürcher Publikum mit dem Hit «Thank U».

 

Alanis Morissette ist ein Weltstar mit Format. Nach nunmehr 20 Jahren im Musikbusiness kann man auf das achte Album gespannt sein, welches Ende August unter dem Namen «Havoc and Bright Lights» erscheinen wird. Viel versprechend waren die vier präsentierten Songs allemal. Die Kanadierin begeisterte im Dolder mit ihrer kraftvollen Stimme und eigenwilligen Melodielinien. Ihre Songs haben Charakter und bieten Lebenshilfe auf lyrischer Ebene.

Dominique Rais / Di, 17. Jul 2012