Greenfield 2019: Einhörner, Evakuierung und Die Toten Hosen

Festivalkritik: Greenfield 2019
Bildquelle: 
Bäckstage / © Lisa Gosteli

Kein Greenfield ohne Regen, das scheint einfach ein Naturgesetz zu sein. Auch dieses Jahr sollte es nicht trocken und ruhig von statten gehen, wobei das Wort ruhig ja definitiv falsch angelegt ist am Festival auf dem Flugplatz Interlaken.

 

Traditionell weihten Punkt 14 Uhr die lokalen Alphornbläser die Jungfrau-Stage ein. Es wurde bereits abgefeiert als stünden Bands wie Halestorm, Behmoth oder die Dropkick Murphys auf der Bühne, die für den ersten Tag gebucht waren. Fleissig wurde gerudert und selbst der Moshpit durfte zu den Klängen der Alphörner nicht fehlen. Erst recht nicht als «Tage wie diese» in der Folklore-Version angestimmt wurde. Später sang Lzzy Hale mit ihrer Band Halestorm auf der Bühne, als eine der wenigen Fontfrauen, die an diesem Wochenende in Interlaken im Line-up standen.

 

Am frühen Abend betraten Behemonth die Bühne. Die polnische Metalband heizte vor allem mit den ersten Pyros den Zuschauern ein. Auf weniger Begeisterung stiessen sie bei der Front-row und der Security im Graben als sie anfingen mit Kunstblut zu speien. Ein Festivalgänger wurde vom Blut getroffen und revanchierte sich mit einem guten Gutsch Bier ins Gesicht des Sängers. Kritik, die derjenige auf der Bühne jedoch nicht zu vertragen schien. So hätten lauf Besuchern direkt daneben die Sicherheitsleute gerade noch Handgreiflichkeiten verhindern können.

 

«Rampensau» bei Kvelertak 

 

Nebst der Main-Stage, auch Jungfrau-Stage genannt, wurde auch auf der etwas kleineren Eiger-Stage musiziert. Unter anderen standen die Norweger von Kvelertak auf der Bühne. Fazit: Nachdem sich der alte Leadsänger letztes Jahr von der Band getrennt hat, haben Sie mit Ivar Nikolaison eine wahre «Rampensau» ins Boot geholt. Dass Norwegisch gesungen wird, geht dabei völlig an einem vorbei.

 

Auf der Jungfrau-Stage übernahmen die bostoner Jungs von Dropkick Murphys das Zepter. Wie gewohnt verwandelte sich die Crowd bei Songs wie «Rose Tattoo» und «I`m shipping up to Boston» in eine grosse irische Party.  

  

Am meisten Aufmerksamkeit zogen aber fünf Freunde aus Düsseldorf auf sich. Um 23 Uhr lancierten Die Toten Hosen mit dem Klassiker «Bonnie & Clyde» ihren Gig zum 15. Jubiläum des Greenfield. Bereits den ganzen Tag begegnete man Shirts mit «Bis zum bitteren Ende»-Schriftzügen, dementsprechend fackelten Campino & Co. dann auch ein Feuerwerk ihrer Hits ab. Es wurde wild mitgesungen und gefeiert. Campino erinnerte sich an ihren Auftritt von 2005, bei der ersten Ausgabe des Festivals und kam aus dem Schwärmen fast nicht mehr raus. Kurz vor 1 Uhr nachts feierten die Hosen mit «You`ll never walk alone» noch einmal den Sieg ihrer Lieblingsmanschaft, dem FC Liverpool, im Finale der Champions League. Der Song ist aber sowieso traditionelle der letzte bei Hosen-Konzerten. Danach liefen manche nach Hause respektive zum Zeltplatz und wer noch nicht müde genug war, feierte in der Partyzone weiter.

 

Fotos: Bäckstage / © Lisa Gosteli

  

Freitags standen unter anderem die Eskimo Callboys auf der Bühne. Nachdem der Schlagzeuger seinen Platz eingenommen hatte, hallten einige «David»-Rufe von Damen aus der Front-row in Richtung Stage, machte doch David Friedrich in der Vergangenheit als Teilnehmer der RTL-Sendung «Bachelorette» auf sich aufmerksam. Wer aber jetzt erwartete, dass Rosen verteilt wurden, war fehl am Platz. Die Jungs aus dem deutschen Castrop-Rauxel zeigten eine energiegeladene Show.

 

Saltatio Mortis begeisterten mit Mittelalter-Rock und deutschen Texten. Etwas Feuer und die Mittelalter-Drehleier untermalten dies. Abends wurde der Flugplatz mit Grössen wie Papa Roach, Amon Amarth und dem Headliner, die Gruselrocker von Slipknot, auf der Bühne beehrt.

 

Aber auch neben den beiden Stages hat das Festival viel zu bieten. Ein neuer Besucherrekord wurde mit 82’000 Festivalgängern erreicht. Diese wollten unterhalten und verpflegt werden. Egal ob Burger, Döner, Fischknusperli oder ein urchiges Raclette, alles war zu haben. Feiern und essen macht durstig, daher wohl immer noch DAS Festivalgetränk #1, nebst hoffentlich viel Wasser: Bier. Dieses Jahr war wieder das Bier der lokalen Brauerei Rugenbräu AG auf Platz.

 

An den ersten beiden Festivaltagen zeigte sich der Wettergott als musikbegeistert. Dies änderte sich am Samstag. Cellar Darling eröffneten jedoch mit ihrem Folk-Metal noch bei Sonne und warmem Wetter den Tag auf der Bühne. Die Band rund um Anna Murphy vermochte das bereits erstaunlich zahlreiche Publikum mit den Songs vom neuen Album «The Spell» zu begeistern.

 

Zahlreiche weitere Bands vertrieben dem Publikum die Zeit am Nachmittag und liessen feiern, pitten und crowdsurfen. Hämatom zeigten beim Feiern mit einem aufgeblasenen Einhornkopf (Siehe Fotostrecke), dass trotz Metal und Maskierung der Spass nicht zu kurz kommt. Petrus verstand wohl nicht ganz soviel Spass, langsam wurde es windig und dunkle Wolken zogen auf.

 

Dann zog ein Gewitter 

 

Dann war der Zeitpunkt da, wo statt Me First & The Gimme Gimmes, die Organisatoren die Bühne betraten. Ein heftiges Gewitter war im Anmarsch und da in Spiez bereits Hagelkörner in der Grösse von Ping Pong-Bällen vom Himmel fielen, sollte kein Risiko eingegangen werden und das Festival wurde für eine Stunde unterbrochen und evakuiert. Die Leute wurden gebeten, sich in ihre Autos zu begeben und weitere Besucher, die mit dem ÖV angereist waren, bei sich aufzunehmen. Die Besucher zeigten sich besonnen und folgten ruhig, ohne Panik aufkommen zu lassen, den Anweisungen. Gespenstische Leere zog über das Festivalgelände. Heftige Windböen und ein starkes Gewitter zogen über den Flugplatz. Dank der richtigen Reaktion des Veranstalters, ohne dass es Verletzte zu beklagen gab. Um 20 Uhr wurde über die Festival App und die Socal Media-Kanäle informiert, dass wie versprochen die Tore wieder geöffnet werden. Einzig zu beklagendes Opfer des Sturms, waren die Gigs von Me First & The Gimme Gimmers sowie Our Last Night, welche leider aus Zeitgründen nicht nachgeholt werden konnten. Auch wenn hier die Trauer und der leichte Unmut der Fans zu verstehen ist, es war ganz klar die richtige Entscheidung der Veranstalter. Safety first.

 

Within Temptation, Eluveitie, Amaranthe und Graveyard starteten verzögert in ihre Sets und die Umbauphasen wurden gestaucht, damit um Mitternacht der Schlussknaller, namentlich Sabaton, die Bühne betreten konnte und noch ein musikalisches Gewitter hinterherschickte.

 

Aber das Greenfield ist nicht so richtig zu Ende, ohne die Burning Hand, dem traditionellen Höhepunkt des Festivals. Die Holzhand brannte trotz des Regens zum krönenden Abschluss.

 

 

 

Lisa Gosteli / Mo, 17. Jun 2019