Wenn Hexen hexen, ist es mit der Ruhe erst mal gewesen
«Witches. They’re real. And they hate children!», lautet die Botschaft von Hero Mouse (Stimme von Chris Rock, «Bad Company», «Everybody Hates Chris»). Was es bedeutet, als Kind auf eine Hexe zu treffen, davon kann die alte Maus ein Lied singen: Ende 1967, damals noch ein kleiner – menschlicher – Junge (Jahzir Bruno, «Atlanta»), verliert «Hero Boy» seine Eltern bei einem Unfall. Daraufhin nimmt ihn seine Grossmutter (Octavia Spencer, «The Help», «Hidden Figures») bei sich auf und tut alles Erdenkliche, um ihn aus seiner Trauer herauszuholen. Als der Junge gerade seine Lebensfreude wiedererlangt hat, kommt es zu einer beängstigenden Begegnung mit einer Hexe. Alarmiert von diesem Vorfall, beschliesst die Grossmutter kurzerhand, dass sie für eine Weile verreisen sollten – zumindest bis sich die Lage zu Hause wieder beruhigt hat. Deshalb fahren die beiden ans Meer und checken in einem opulenten Hotel ein. Dabei ahnen sie nicht, dass die Hoch-Grossmeisterhexe (Anne Hathaway, «The Devil Wears Prada») ausgerechnet dieses Hotel für ein internationales Hexentreffen ausgewählt hat. Denn die Grande Dame der Hexenwelt möchte ihren teuflischen Plan von dort aus umsetzen: Alle Kinder sollen in Mäuse verwandelt werden!
Rechtzeitig zu Halloween kommt mit «The Witches» ein schaurig-schräges und schwarzhumoriges Märchen in die Kinos. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Roald Dahl und wurde bereits 1990 mit Anjelica Huston in der Hauptrolle verfilmt. War Nicolas Roegs Adaption stark in Europa verankert, düster und überzeugte mit aufwändigen Masken, so kommt Regisseur Robert Zemeckis‘ Version deutlich bunter und geschliffener daher. Statt Masken kommen in der Neuverfilmung CGI-Animationen zum Einsatz, die allerdings wegen mangelnder Originalität kaum zu überzeugen vermögen.
Der Clan der Hexen mit Oberhexe Anne Hathaway. (© 2020 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)
Originell ist die Umsetzung auch hinsichtlich weiterer Aspekte nicht. So erinnert Chris Rocks Stimme aus dem Off an die Serie «Everybody Hates Chris» und die überschminkten, vernarbten Mundwinkel der höchsten Hexe lassen sie wie eine weibliche Version des Jokers wirken. Schade ist zudem, dass im Laufe des Films das Schaurige an der Geschichte praktisch komplett verschwindet. Während zu Beginn des Films vor allem durch klassische Genreelemente wie Unwetter und Dunkelheit punktuell eine schaurige Atmosphäre erzeugt wird, die dem märchenhaften Aspekt der Geschichte entspricht, sind die Szenen im Hotel sehr bunt und hell. Es hätte dem Film gutgetan, wenn ein gewisses Mass an Düsternis auch hier noch beibehalten worden wäre.
Nichtsdestotrotz besticht «The Witches» durch eine hochkarätige Besetzung. Besonders Anne Hathaway überzeugt mit ihrer überspitzt-schrägen Verkörperung der «Grand High Witch», die ständig zwischen vorgetäuschter Über-Höflichkeit, Sarkasmus und zerstörerischen Wutausbrüchen schwankt. Zudem wird sie zwischen all den anderen Hexen gekonnt in Szene gesetzt. Eindrücklich sind in dieser Hinsicht auch die minutiös choreografierten Massenszenen während der Hexenversammlung und das Chaos, das gegen Ende entsteht. Eine Liebe zum Detail fällt auch beim Dekor und bei der Ausstattung auf. Die USA der 1960er-Jahre wird so zum Leben erweckt und der Film nimmt das Publikum mit auf eine märchenhafte Zeitreise.
«The Witches» vermag zwar nicht mit Originalität punkten und auch die CGI-Animationen lassen zu wünschen übrig. Anne Hathaway als oberste Hexe ist allerdings überaus sehenswert und die stellenweise witzigen Dialoge lassen über den mangelnden Grusel hinwegsehen, der wohl auch deswegen sparsam dosiert ist, um das Ganze kindgerecht zu belassen.
- Hexen hexen (USA 2020
- Regie: Robert Zemeckis
- Besetzung: Anne Hathaway, Octavia Spencer, Codie-Lei Eastick, Jahzir Bruno, Stanley Tucci, Chris Rock, Charles Edwards, Morgana Robinson, Eugenia Caruso, Simon Manyonda
- Laufzeit: 104 Minuten
- Kinostart: 28. Oktober 2020