Stumme Emotionen in Schwarz-Weiss

DVD-Kritik: The Artist
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Praesens Film

George Valentin (Jean Dujardin) ist ein erfolgreicher Stummfilmstar, der sich selbst gerne feiern lässt. Als bei einer Premiere plötzlich ein No-Name (Bérénice Bejo) neben ihm auf dem roten Teppich steht, überlegt George nicht lange und posiert mit der schönen Unbekannten. Am nächsten Tag ist die Hölle los. Ehefrau Doris beschuldigt George einer Affäre und Produzent Al Zimmer (John Goodman) erleidet einen Wutanfall. Denn die schöne Unbekannte ziert die Titelseiten der Zeitungen und nicht wie geplant der neue Film. Was als kleiner Ärger beginnt, entwickelt sich für George zur Katastrophe. Der Tonfilm wird eingeführt und lässt die unbekannte Peppy Miller zu Georges grösster Konkurrenz avancieren.

 

Der Film im Film ist zurzeit ein beliebtes Thema. In «My Week with Marilyn», «Hugo Chabret» oder eben «The Artist» wurde uns dieses Jahr der Blick hinter die Kulissen der glitzernden Filmwelt gewährt. Dieser Trend wird mit «Argo» und «Hitchcock», die beide nächstes Jahr als Oscar-Anwärter gehandelt werden, fortgesetzt. Was wir aus diesen Filmen lernen, ist nicht neu. Die Produzenten sind es, die die Filmwelt regieren und maximalen Profit erwirtschaften wollen. Im Moment setzten dabei viele von ihnen auf die neue 3D-Technik. Deshalb erscheint es als Wahnsinnstat im heutigen digitalen Zeitalter einen stummen Schwarz-Weiss-Film zu drehen. Doch allein für dieses Wagnis verdient «The Artist» grosses Lob. Dass der Film zudem noch sehr gut ist und ohne Probleme die anderen, farbigen Filme mit gesprochenen Dialogen (und 3D-Effekten), aussticht, ist in der Tat eine Sensation.

 

Jean Dujardin «ist» George Valentin

 

Diese Sensation wäre ohne Jean Dujardin nicht möglich. Der französische Charmeur «ist» schlichtweg George Valentin. Mit der Argentinierin Bejo spielte Dujardin bereits im Spionageklamauk «OSS117 – Cairo, Nest of Spies», welchen ebenfalls Regisseur Michel Hazanovicius inszenierte. Neben diesem eingespielten Trio überzeugt «The Artist» ebenso mit schillernden Nebendarstellern. Allen voran Hund Uggie, dessen Bekanntheitsgrad nach Filmstart diejenigen von Dujardin und Bejo fast - wenn nicht gar wirklich -toppte. Statt nur auf den niedlichen Vierbeiner reduziert zu werden, hat Uggie, als Georges bester Freund und gelegentlicher Lebensretter, eine respektable Rolle ergattert. Uggie wurde dann selbstverständlich auch mit dem Tier-Oscar ausgezeichnet. Die menschlichen Nebenfiguren amüsieren und berühren nicht weniger. John Goodman («The Big Lebowski») erfreut als macht- und geldhungriger Studioboss, der nichtsdestoweniger ein Herz aus Gold besitzt. Und James Cromwell («L.A. Confidential») rührt als Georges treuer Chauffeur und Autogrammschreiber beinahe zu Tränen.

 

Gerade wegen dieser Figuren berührt «The Artist» und ist ungeachtet der künstlerischen Umsetzung zugänglich. Klevere Montagen und geschickte Einsätze der Dialogtexte führen das Publikum trotzdem gelegentlich an der Nase herum. In den Zuschauerreihen wird deshalb viel gelacht, geweint und gestaunt. Wer also denkt, der Streifen sei ein ruhiges, stilles Filmvergnügen, der irrt sich gewaltig.

 

 

  • The Artist (FR/ BE/ USA 2011)
  • Regie & Drehbuch: Michel Hazanavicius
  • Besetzung: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, John Goodman, James Cromwell
  • Laufzeit: 100 Minuten
  • Ab sofort im Handel erhältlich

 

Tanja Lipak / Fr, 19. Okt 2012