Kranke Poesie

Movie-Kritik: Swiss Army Man
Bildquelle: 
© Ascot Elite Entertainment Group.

Text von Thomas Hügli

 

Kaum zu glauben was «Swiss Army Man» auslöst. Ein Shitstorm im Hirn fabriziert der skurrile Streifen und lässt viele Fragen offen, die erst allmählich beantwortet werden können. Dann nämlich wenn die Konsternation, dem sich bewusst werden, was da eben passiert ist, gewichen ist.

 

Gut möglich, dass die beiden Regisseure diesen Film auf Drogen realisiert haben. In jedem Fall aber muss derjenige, der die Geschichte erfunden hat, total genial oder total verrückt sein.

 

Zwei Freunde vertreiben sich die Zeit. Welcher davon ist nicht mehr am Leben? (Credits:  © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.)

 

Von Anfang an wird die Geschichte dem Vorspann gerecht. Ein Mann, Hank (Paul Dano), gestrandet auf einem Eiland, einsam und verlassen, will seinem Leben ein Ende bereiten. Mit dem Strick um den Hals bemerkt er einen leblosen Körper, der mit der Brandung an den Strand gespült wurde. Nach näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass der leblose Körper ein Mann ist, der allem Anschein nach mausetot ist. So weit so gut, nun könnte sich die Geschichte entwickeln. Aber was jetzt passiert, war entweder die Folge von übermässigen Bohnenkonsum oder tatsächlichen Halluzinationen, auf alle Fälle völlig unerwartet. Hank surft auf dem furzenden Manny davon und gleitet mit ihm übers Wasser wie auf einem Jetski. 

 

Von Fürzen und einer Trinkwasserquelle 

 

Von da an sind sie beide unzertrennlich, Hank und die Leiche Manny, überragend gespielt vom erwachsen gewordenen Daniel Radcliffe («Harry Potter»). Manny entwickelt sich in der misslichen Lage von Hank zu einem wahren Swiss Army Man. Er gilt als nie versiegende Trinkwasserquelle, dient als Waffe für die Jagd von Wildtieren, kann mit seinen Fürzen einfach Feuer entfachen und mit seinem Schädel Holz spalten, er lernt sprechen und ist fortan der beste Freund und Gesprächspartner von Hank. Spätestens jetzt ist klar, dass wir es hier mit einem Verrückten zu tun haben, wenn wir nicht wüssten, dass er sich nach wie vor auf einer einsamen Insel befindet.

 

Eine Leiche liegt im Walde, ganz still und stumm … (Credits: © Ascot Elite Entertainment Group. All Rights Reserved.)

 

Das Regie-Duo Dan Kwan und Daniel Scheinert spielen in ihrer Geschichte mit den verschiedensten Themen sozialer Dysfunktionen. Psychose, Schizophrenie, Depression, Homosexualität, Nekrophelie, Stalking, Pädophilie, Einsamkeit, kaum eine Form wird ausgelassen, jede Störung findet seinen Platz in der Story. Die Darstellung ist höchst bizarr und verstörend, belustigend, unterhaltsam und spannend, von der ersten Sekunde bis zur letzten Einstellung.

 

Die wahre Geschichte tritt erst ganz zu Schluss ans Tageslicht, schummrig und faszinierend und überraschend zu gleich. Viele philosophische Ansätze werden angeschnitten und immer wieder ist es auffällig wie leichtfertig Dan & Daniel mit der Geschichte spielen. Zurück bleibt ein Gefühl der Leere und der Betroffenheit. 

 

Ein ungewöhnlicher Film mit einer starken schauspielerischen Leistung der beiden Protagonisten. Unbedingt sehenswert!

 

  • Swiss Army Man (USA 2016)
  • Regie & Drehbuch: Dan Kwan & Daniel Scheinert
  • Darsteller: Paul Dano, Daniel Radcliffe, Mary Elizabeth Winstead 
  • Laufzeit: 95 Minuten
  • Kinostart: 27. Oktober 2016

 

Bäckstage Redaktion / Di, 25. Okt 2016